Etwa 3.000 Jugendliche mussten in den beiden
Konzentrationslagern Moringen und Uckermark Zwangsarbeit verrichten.
Verfolgte Jugend im NS-Staat
Die "Jugendschutzlager" Moringen und Uckermark
Journal-Panorama, Mittwoch, 15. M�rz 2006, 18:25 Uhr
Ein ehemaliger H�ftling berichtet
L�nge: 3:21
min
Sie waren zwischen zehn bis 25 Jahre alt, und sie waren nach
den Vorstellungen des NS-Regimes "gemeinschaftsfremd� - die rund 3.000 H�ftlinge
der beiden Jugend-Konzentrationslager Moringen und Uckermark in Deutschland.
�ber deren Existenz wissen heute die Wenigsten. Die meisten der �berlebenden
k�mpfen noch immer um Entsch�digung oder Anrechnung der Haftzeit f�r ihre
Pension.
Verdr�ngt, aber nicht vergessen
Dem deutschen
Sozialp�dagogen Martin Guse ist es zu verdanken, dass die verdr�ngte und
vergessene Geschichte der Jugend-Konzentrationslager Moringen und Uckermark
heute aufgearbeitet ist. W�hrend seines Studiums in den 1980er Jahren lernt Guse
sechs ehemalige H�ftlinge aus Moringen kennen, die f�r ihre Pensionsantr�ge
Best�tigungen f�r die Zeit zwischen 1940 und 1945 suchten.
Seit damals
recherchiert Guse �ber das v�llig unbekannte Thema. Daraus entstehen gerade eine
Diplomarbeit und die Wanderausstellung, die nun in der Wiener Urania zu sehen
ist.
"Spezielle KZ f�r Jugendliche? Nie geh�rt!" Und doch hat es
diese Lager unter dem Namen "Jugendschutzlager" gegeben, wie die Ausstellung
"Wir hatten noch gar nicht angefangen zu leben" in der Wiener Urania anschaulich
dokumentiert.
Gr�nde und Ziele f�r
Einweisungen
"Jugendschutzzentren", so lautet damals die genaue
Bezeichnung der beiden Konzentrationslager Moringen und Uckermark. Betrieben
werden sie von der SS. Verantwortlich f�r die Einweisung der Jugendlichen sind
F�rsorger und Sozialarbeiter, die "auff�llige" Kinder zur Einweisung
vorschlagen. Schon die Verweigerung des Dienstes bei HJ oder BDM,
Arbeitsverweigerung, Arbeitsbummelei, Renitenz oder Unerziehbarkeit machen dabei
die Jugendlichen zu "Gemeinschaftsfremden". Ebenso spielen eugenische, religi�se
oder rassische Gr�nde, politische Opposition, Widerstand, aber auch die
Zugeh�rigkeit zur so genannten "Swing-Jugend", die amerikanischen Jazz h�rt,
eine Rolle. Bei den M�dchen wird oft auch "sexuelle Verwahrlosung"
angef�hrt.
Welche Gr�nde auch immer f�r die Einlieferung nach Moringen
oder Uckermark genannt werden - stets geht es darum, den Willen der Jugendlichen
zu brechen. Dazu geh�ren Appelle, Drill, Strafen und Disziplinarma�nahmen. Jeder
Versto� gegen die Lagerordnung wird drakonisch bestraft und in den SS-Akten
vermerkt: "Man war nur mehr eine Nummer�, erinnert sich Zeitzeuge Leopold
Dietrich, der von 1942 bis 1945 in Moringen die Nummer 701 tr�gt. Grund f�r
seine Einweisung: die monarchistischen Verbindungen seines Bruders.
Zu Zwangsarbeit verurteilt
Das 1940 errichtete
Lager Moringen ist f�r die Burschen bestimmt. F�r die M�dchen wird 1942 in der
N�he des Konzentrationslagers Ravensbr�ck das Lager Uckermark errichtet, das dem
Lagerkommandanten von Ravensbr�ck untersteht.
Unterricht oder Bildung ist
f�r die jungen Menschen, die meist mitten aus ihrer Ausbildung herausgerissen
worden sind, nicht vorgesehen. In erster Linie wird die Arbeitskraft der
Jugendlichen ausgen�tzt - zun�chst als Erziehungsma�nahme, dann als
Zwangsarbeit, von der Betriebe, SS und der deutsche Staat profitieren.
Erbbiologe f�r Selektion verantwortlich
Eine
Besonderheit der beiden Jugend-KZ Moringen und Uckermark ist deren Anbindung an
das System der Kriminalbiologie von Dr. Dr. Robert Ritter. Jener Psychiater
arbeitet schon in den 1930er Jahren an "erbbiologischen Forschungen zu
Vagabunden, Gaunern und R�ubern�. 1936 wird er Direktor der "rassenhygienischen
und bev�lkerungsbiologischen Forschungsstelle� des Reichsgesundheitsamtes. Er
hat die Aufgabe, s�mtliche "Zigeuner� im Reichsgebiet zu erfassen und zu
begutachten.
Ab 1941 wird Robert Ritter zum leitenden Kriminalbiologen in
den Jugend-Konzentrationslagern. Er ist f�r die Selektion der Jugendlichen
verantwortlich und entscheidet �ber Zwangssterilisierung, �berstellung in
Vernichtungslager und Einteilung zur Arbeit. Er ist auch ma�geblich daran
beteiligt, dass sch�tzungsweise jeder zehnte Jugendliche in Moringen ums Leben
kommt. �ber Uckermark gibt es kaum verl�ssliche Quellen.
Prolongiertes Unrecht
Bis zum Jahr 1970 dauerte es,
bis Uckermark und Moringen offiziell als ehemalige Konzentrationslager anerkannt
werden. Die meisten der ehemaligen H�ftlinge k�mpfen Jahrzehnte lang unter
entw�rdigenden Bedingungen um Entsch�digung oder Anrechnung der Haftzeit f�r
ihre Pension. Das Argument der Beh�rden: Die Jugendlichen fallen nicht unter die
Kategorien einer rassischen, politischen oder relig�sen Verfolgung.
Die
Verantwortlichen f�r die beiden Jugend-KZ bleiben nach 1945 weitgehend straflos
oder machen sogar Karriere. In den 1950er und 1960er Jahren gibt es vereinzelte
Verfahren; die meisten werden jedoch eingestellt.