lieber verehrter genosse mond,
ich stehe einigermassen perplex vor deinem unerschuetterlichen
optimismus! in den allermeisten faellen ist es leider
kontraproduktiv sich allzu viel zu erwarten. aber gut. es gibt auch
schlechtere moeglichkeiten mit seiner zeit etwas anzufangen, als das
asf.
bestreitet niemand dass sich im offenen ASF raum auch luschis
tummeln die
nicht an grundlegender systemveraendrung interessiert sind, oder
welche die
die notwendigkeit fuer eine solche noch nicht ganz erkannt haben.
aber
zumindest die dort sind sind offen dir zuzuhoeren wenn du eine
solche
notwendigkeit gut begruenden kannst. die von walter baier organisierte
5
teilige marxismusserie ist z.b. gut angekommen.
...naja, der walter ist recht interessant, sowieso und ueberhaupt
und gescheit, keine frage, aber wird das interesse am walter nicht
vielleicht mit dem interesse am kommunismus verwechselt? viel im
politischen leben ist naemlich reine verwechslung... (z.b. christentum
fuer "links" halten und so sachen...)
also die notwendigkeit zur kommunistischen kritik begruendet sich
aus der gewaltaetigkeit des kapitalverhaeltnisses selbst, das ja
bekanntlich nicht einmal menschen kennt, sondern nur subjekte. wenn
selbigen (also den subjekten am asf) aber diese notwendigkeit aus der
gesellschaftlichen situation, in der sie leben, nicht evident wird,
dann kann ich nur sagen, dass sie ueber eine wasserdichte ideologie
(also den schein, den das kapitalverhaltnis notwendig erzeugt und der
fuer die realitaet gehalten wird) verfuegen und sich ergo auch eine
begruendung fuer die notwendigkeit einer kritik der verhaeltnisse und
ihrer ideologie entweder eruebrigt oder falls sie trotzdem verlangt
werden sollte, sinnlos ist (versuch mal einem blinden zu beschreiben,
was licht ist).
ebenfalls sehr gut besucht
war die "live after capitalism"
veranstaltung...
....siehst du, das mein ich: es ist anmassend, sich ausmalen zu
wollen, wie "live after capitalism" aussehen wird, nicht mal
marx hat sich derartige prognosen zugetraut und der wusste ganz sicher
mehr als alle marxistInnen und kommunistInnen zusammen. jetzt ist mir
aber nicht bekannt, dass das asf hinsichtlich kommunismus so kompetent
waere.
im uebrigen moechte ich dich noch gerne auf die alternative
aufmerksam machen, auf die rosa luxemburg hingewiesen hat: es besteht
naemlich auch durchaus die realistische moeglichkeit der
barbarei - welche einerseits die letzte konsequenz des
kapitalverhaeltnisses waere, aber gleichzeitig auch dessen radikale
ueberwindung im sinne einer folgerichtigen anwendung seiner ideologien
(der des kapitalverhaeltnisses naemlich).
d.h. aber auch, dass man/frau sich als kommunistIn immer auch in
der verantwortung befindet, in jeder gegen das verhaeltnis gerichteten
strategie auch deren potential zur barbarei bereits vorab zu
verhindern und so dies nicht funktioniert, die strategie als
gefaehrlich zu kritisieren.
der NS ist so etwas gewesen und wenn es heisst, der NS sei
barbarisch gewesen, dann bezieht sich das auf die luxemburgische
warnung vor der anderen moeglichkeit. der aufbruch der massen hat im
20.jh. ganz entschieden reaktionaere, antizivilisatorische folgen
gezeitigt.
> um meine obige charakterisierung
verstehen zu koennen, muesste man
> marx begreifen wollen, der sagt das naemlich: die
herrschenden
> gedanken, sind die gedanken der herrschenden (d. h. was immer
sich so
> ein untertan ausdenken kann, wurde schon vorher in den
> gedankenspenden der herrschenden zustaende angedacht bzw.
> vorweggenommen (=diskurse), und die fuehren ganz sicher
keinen
> diskurs in den kategorien ihrer eigenen beseitigung,
allerhoechstens
> in den kategorien ihrer verbesserung).
ja, aber wenn man aus dieser einsicht die schlussfolgerung ziehen
wuerde die
du ziehst: "es hat keinen sinn dort hinzugehen weil dort sind eh
nur
reformistische luschis" dann ist das nicht der schluss den marx
gezogen hat.
weil der hat tatsaechlich versucht diesen zustand (welche
gedanken
herrschen) zu aendern und hat sowas wie
das manifest geschrieben etc..etc..
das manifest wurde fuer die arbeiterklasse geschrieben (also fuer
den politisch bewussten teil des proletariats), die aus ihren
materiellen interessen heraus (naemlich dem puren wunsch, ihre
arbeitssituation physisch ueberleben zu wollen) sich politisiert
hatte. die gruppe, die im manifest am allerschlechtesten weg kommt,
sind die kleinbuerger und genau diese bevoelkern zu hauf das asf. sie
haben in den allermeisten faellen idealistische interessen und
idealismus ist schlicht ideologisch! dass auch kommunistInnen dort
sind, ist anderen gruenden geschuldet - aber ich glaube, du kennst
meine ansichten zur buendnispolitik (ich habe sie dir am abend der
europawahl auseinandergesetzt).
das ASF ist ein platz wo so etwas heute versucht werden
muss.
kann natuerlich auch misslingen.
das manifest der sozialforen gibt es schon. es ist von
negri/hardt und heisst "empire". und es ist genau das
richtige, ich hab's schon gelesen. jetzt wirst du's sicher auf die
finger-weg-von-dem-buch-die nora-hat's-uns-empfohlen-liste
setzen....
im uebrigen kann man das argument von dir
auch auf uns selbst anwenden...
desshalb muessen wir im prozess der aenderung auch erst uns selbst
erziehen..siehe feuerbachthesen..
Mond! ENDLICH!! GENAU!!! das war mein
anfangsstatement, als ich wieder zur GO dogma gekommen bin! ich hab
damals gesagt: das ist der grund, warum ich wieder da bin, weil ich
das fuer unsere allerwichtigste aufgabe halte und in der GO dogma
einen ansatz gesehen habe, dass das versucht wird. und das schliesst
mein lernen durchaus mit ein.
> > wenn du meinst dass dort
zuwenig ueber das kaptialverhaeltniss
> > nachgedacht wird dann kannst du hingehen und einen workshop
darueber
> > halten. dort erreichst du zumindest leute die zuhoeren und
die das
> > interessiert (im gegensatz zur breiten oeffentlichkeit) und
anderseits
> > auch leute die das nicht ohnehin schon alles wissen (so wie
in unseren
> > kreisen..)
>
> mond bitte! LIRE LE CAPITAL kann ich nur einen althusser-satz
> zitieren, wer die revolution will, sollte zumindest auch was
fuer
> seine geistige beweglichkeit tun, weil's halt so einfach nicht
ist.
> aber bitte selbsttaetig wenn schon - wenn's immer wen zum
anschieben
> braucht, dann ist das postulat der muendigkeit eh obsolet und
ohne
> muendige individuen spielts ned amal emanzipation geschweige
denn
> revolution.
die TUN eh was. sie gehen hin und versuchen sich zu bilden und ihre
ideen
austzutauschen. das ist schon recht viel im vergleich zu dem was
andere tun.
und auch nicht weniger als das was wir bei unseren dogma
zusammenkuempften
tun. aber wenn du, wie gesagt, denkst dass die dort noch etwas
input
brauchen der ihre gedanken mehr auf die eine oder andere richtung
bringt
dann bleibt es dir offen etwas zu tun und dort naechstes jahr auch
einen
workshop zu organisieren..
na warten wir mal ab: wenn dort wirklich vorzeige -
kommunistInnen rauskommen wo vorher kleinbuergerliche idealistInnen
reingegangen sind, dann hat sich die welt wirklich ein kleines
bisschen in eine interessante richtung geaendert (wobei ich die
angeblich "kleinen" erfolge oft fuer relevanter halte als
die angeblich "grossen" "events". und die kpoe
kann statt buendnissen gleich neue mitgliedschaften abschliessen. aber
so lange so was nicht passiert, bin ich mehr als skeptisch. ich koennt
mir aber vorstellen, dass die GO dogma (inklusive meiner wenigkeit)
einen workshop zur kritik der politischen oekonomie macht...warum
nicht!
> im uebrigen bin ich nicht der
meinung, dass dort zu wenig ueber das
> kapitalverhaeltnis nachgedacht wird, sondern gleich gar nicht,
was
> aber auch nix macht, weil's ja dem asf ueberhaupt nicht um
dessen
> aufhebung geht. der satz lautet ja bekanntlich: "eine andere
welt ist
> moeglich", es geht nicht darum, ob eine solche auch eine
jenseits des
> weltweit praktizierten tauschverhaeltnisses sein soll, denn das
steht
> ganz absichtsvoll ueberhaupt nicht dort. vielleicht eher eine
andere
> welt, die "weder rechts noch links ist", sondern
"sozial" und
> "regional"? oder was alles
noch...
das ist dein vorurteil. das kannst du nur behaupten weil du nicht
dort
warst. der slogan "eine andere welt ist moeglich" beinhaltet
natuerlich auch
die idee einer welt jenseits des kapitalismus. davon haettest du dich
in
vielen der veranstaltungen ueberzeugen koennen...
hier kannst du mich einfach nicht ueberzeugen: ich weiss zu gut,
dass wenn zwei (in dem fall Mond und nora) das gleiche sehen und
hoeren, dass es nicht das selbe ist.
im uebrigen haben sich meine "vorurteile" (leider!)
schon des oefteren bestaetigt - obwohl's mir weniger um's rechthaben
geht als darum, zur vorsicht zu mahnen!! wirklich!
> >die arbeiterInnenbewegung im 19. jahrhundert hatte es wohl
auch etwas
> >leichter: sie war homogener und der feind war leichter
erkennbar..etc..
> >etc..
>
>
> das mit der homogenitaet ist ein mythos...
es stimmt sicher nicht absolut aber war doch deutlich andere
situation..
ja, und eigentlich ist das eine eigene diskussion und das waere
z. b. ein hinweis fuer die sozialforen: aus der geschichte der
arbeiterInnenbewegung alles zu lernen, was sie hergibt denn
"those who don't learn history are doomed to repeat it!"
(wenn auch nur als farce - siehe XVIII. Brumaire)
> kaempfen um des kaempfens willen ist wie reden um des redens
willen -
> schlicht nervig. aber ich unterstelle mal, ...
genau das ist leider das problem an deiner argumentation: dass du
staendig
unterstellst..
das war jetzt aber superpolemisch, weil ich hier (was du so
elegant unterschlaegst) ausnahmsweise mal was nettes (und
natuerlich idealistisches aber nichtsdestoweniger doch nettes)
unterstellt habe! man hat's nicht leicht... (seufz)
> und konstruieren ist noch wesentlich muehsamer als suchen...
niemand hat gesagt dass die aufgabe
leicht ist..
so wollte ich das aber nicht verstanden wissen! auch sisyphos
hat's nicht leicht, aber macht er was sinnvolles?
lg
nora