Franz Stephan Parteder

Über die Losung "Die EU kommt uns zu teuer" und ihre KritikerInnen

 

 

Was sind wichtigste Kennzeichen von politischem Sektierertum? Meiner Meinung nach sind das Realitätsblindheit und Erhabenheitsdünkel.

Man nimmt nur solche Tatsachen zur Kenntnis, die in das eigene Weltbild passen, und hält sich selbst für besser als die "unwissende Masse".

In unserer Bewegung ist rückwärtsgewandtes Sektierertum leicht erkennbar: Dort wetteifert man darum, marxistisch-leninistische Formulierungen der Klassiker möglichst wortgetreu wiederzugeben.

Dass Marxismus auch eine Philosophie der Praxis ist, dass Dialektik eingreifendes Denken bedeutet, dass wir versuchen sollten, unsere Weltanschauung mit der ArbeiterInnenbewegung (so wie sie ist) zu verbinden, kommt für derartige Gruppen nicht mehr in Betracht.

Es gibt aber auch ein Sektierertum, das in modernem Gewand auftritt. Hier setzt man einige neue Erscheinungen absolut und vergisst ebenfalls auf die Dialektik, vor allem auf die Dialektik von Allgemeinem, Einzelnem und Besonderem. Im Bemühen, die eigene Einseitigkeit für verbindlich zu erklären, verschwinden die realen Kampffelder und wird ein imaginäres Feld der Auseinandersetzung aufgebaut. Wer Österreich für unwichtig erklärt und die Lösung der entscheidenden Fragen ausschließlich auf die EU oder gar auf die globale Ebene verlagern will, gibt die Verantwortung für seine eigenen politischen Schritte auf. Er oder sie kann die österreichische Bevölkerung für dumpf, rückständig und provinziell erklären, während man selbst, da besser gebildet und mit dem richtigen Durchblick versehen, über all das erhaben ist. Dass man sich mit dieser Haltung kaum noch von den bürgerlichen Schnöseln unterscheidet, die (auch aus ganz persönlichen materiellen Gründen) für die EU und ihre Institutionen eintreten, fällt einem gar nicht mehr auf. Im Kern läuft diese Art des Sektierertums darauf hinaus, dass eine Elite über die "blöde Masse" bestimmen will und Fakten, die gegen die eigene Haltung sprechen, nicht mehr zur Kenntnis nimmt.

Ich bin ein Opfer dieses Sektierertums geworden. Eines der erfolgreichsten KPÖ-Plakate der letzten Zeit hatte die Losung "Die EU kommt uns zu teuer". Es drückt eine soziale Haltung gegenüber der EU aus und versucht entschiedene Gegner der EU und KritikerInnen von konkreten Fehlentwicklungen, die auf die EU zurückzuführen sind, gleichermaßen anzusprechen.

Ich gestehe, dass ich diese Losung erfunden habe. Sie hat uns im Vorfeld des steirischen Landtagswahlkampfes 2005 sehr genützt. Jetzt werde ich von der Parteigruppe "Dogma" beschuldigt, "die halbe Wahrheit und somit eine Unwahrheit" zu sagen und eine "hirnrissige Forderung" aufzustellen.

Was ist passiert? Ich habe in einer Aussendung einige Ergebnisse des jüngsten EU-Barometers für Österreich zitiert auf die Aussage des Sozialwissenschaftlers Ernst Gehmacher hingewiesen , der laut Kurier (24. 1. 2006) betont hatte, dass die EU-Gegnerschaft vor allem soziale Gründe hat. Die sogenannten Modernisierungsverlierer – also die Mehrheit der Bevölkerung, die ArbeiterInnenklasse, wenn man ihre Zusammensetzung weiter fasst, die sozial benachteiligten Menschen - üben besonders scharfe Kritik an der EU. Diese Unzufriedenheit kann sich laut Gehmacher nach rechts, aber auch in eine linke Richtung entladen. Die steirische KPÖ arbeitet daran, dass sich das auch politisch ausdrückt – nicht ganz ohne Erfolg, wie zuletzt die Landtagswahl am 2. Oktober 2005 gezeigt hat.

Sollen wir den Menschen, die eine soziale Kritik an der EU und an der Rolle der transnationalen Konzerne üben, nach all den Erfahrungen, die sie gemacht haben, lediglich zur Antwort geben, dass wir die Rolle des EU-Parlaments stärken wollen, wie das Franz Schäfer unlängst getan hat?

Natürlich nicht. Deshalb habe ich in meiner Aussendung gesagt: "Nur 26 % der Bevölkerung unseres Bundeslandes vertrauen der EU. Das ist ein gutes Zeichen. Die EU kommt uns zu teuer. Wir brauchen in der Steiermark und in Europa Alternativen, die den arbeitenden Menschen nützen."

Ist das die Haltung eines national bornierten Provinzpolitikers? Nur für jemanden, der die Tatsachen nicht zur Kenntnis nimmt, nur für einen Sektierer.

Als kleine Nachhilfe zitiere ich eine einschlägige Stelle aus dem Manifest der steirischen KPÖ für die Landtagswahl 2005: "EU und Großkonzerne haben ganz klare Ziele: Sozialstaat, geregelte Beschäftigung und Rechte für die arbeitenden Menschen werden unter der irreführenden Losung der "Sicherung des Wirtschaftsstandortes zurückgedrängt, damit die Profite stimmen. Dem dient auch die neue EU-Verfassung. Die steirische KPÖ tritt daher in Österreich und auch auf gesamteuropäischer Ebene für demokratische und soziale Alternativen zu diesem Wirtschaftsblock ein, der eine immer stärkere militärische Rolle spielen will. Die EU kommt uns allen viel zu teuer!"

Das ist der Rahmen, in dem sich die EU-Politik der steirischen KPÖ bewegt. Dass wir auf die Forderung nach einem EU-Austritt nicht verzichten, ist selbstverständlich und sogar durch die Beschlusslage der Bundes-KPÖ gedeckt. Nothing lasts forever, liebe Freunde, nicht einmal die EU.

 

Zum Schluss: Wir haben in der Steiermark unsere Politik seit dem Jahr 1991 stets in Auseinandersetzung mit innerparteilichen WidersacherInnen entwickelt, die uns Schrebergartenpolitik oder lokale Beschränktheit vorgeworfen haben. Wir haben damals auf der 17. KPÖ Landeskonferenz (1991) zwei Feststellungen getroffen: "Es geht darum, unsere materielle Substanz so einzusetzen, damit unsere politische Substanz in Gemeinden und Betrieben gesichert und womöglich ausgebaut wird." Und wir haben unter dem Schlagwort "Arbeiterpolitik" unseren basisbezogenen Kurs bekräftigt. Ich zitiere aus dem damaligen Referat: "Die Internationalisierung ist eine objektive Tendenz, manche Probleme sind sogar nur im globalen Rahmen zu lösen. Die Widersprüche der Gesellschaft wirken aber auf konkrete Menschen. Diese konkreten Menschen sind von kritischen Bewegungen zuerst einmal nicht über die großen Medien anzusprechen, sondern dort, wo sie leben. (...) Unser Kurs auf die Basis ist eben kein pragmatisches Weiterwurschteln, sondern eine bewusste politische Entscheidung". (F. St. Parteder. Referat auf der KPÖ-Landeskonferenz, 16. 11. 1991).

Damals hatten wir in Wien, Stmk, NÖ und OÖ etwa gleich starke Positionen, wir waren in Kärnten noch in Gemeinderäten vertreten. Im Jahr 2006 können wir in der Steiermark auf die erfolgreichste Periode unserer Geschichte zurückblicken. Hat nicht irgend jemand einmal gesagt: "Das Kriterium für die Wahrheit einer Aussage ist die gesellschaftliche Praxis?"

Graz, am 25. 1. 2006