WER IST CESNUR?


Diese Übersetzung des "Geheimberichts eines Kultverteidigers" von Miguel Martinez erschien zuerst auf der Seite von Sewolf, welche den Angelegenheiten der Zeugen Jehovas gewidmet ist. Anderes interessantes Material über CESNUR und Introvigne findet sich auf unseren Seiten in englischer und italienischer Sprache.


1.Der Hintergrund zu diesem Text

2.Einleitung: Ein Prozeß in Paris

3.Die CESNUR-Seite über die Neue Akropolis

4.Massimo Introvigne: Wissenschaftler oder politischer Extremist?

5.CESNUR und die KATHOLISCHE ALLIANZ

6.Introvigne, der Universalexperte

7.Wann Introvigne "Sekten" haßte und "Abtrünnige" mochte

8.Als Introvignes Freunde zum "Deprogrammieren" kamen

9.1600 offizielle Bindeglieder zwischen KA und CESNUR

10.Katholische Allianz und "Tradition, Familie und Besitz"

11."Doktor Plinio" und sein "konterrevolutionäres Magisterium"

12.Die Katholische Allianz erkennt ihre Schuld gegenüber Dr. Plinio an

13.Als Ketzerei "mit Flüchen geschlagen" wurde

14.Die T.F.P. stößt auf Probleme

15.Introvignes Schuld gegenüber Plinio Corrêa de Oliveira

16.Wie erst die Inquisition und dann Sekten entschuldigt werden

17.T.F.P. wird beschuldigt, eine Sekte mit "Gehirnwäsche" zu sein

18.Die Reaktion der T.F.P.: eine "Antisektenverschwörung" wird erfunden

19.Introvignes Rolle in Plinios Krieg gegen die "Antisektenbewegung"

20.Einige merkwürdige Freunde von Introvigne

21.Introvigne, T.F.P. und die "Neue Rechte" in den USA

22.Warum CESNUR keine Sektenkritiker mag

23.CESNUR und "Soziologie"

24.Introvignes Methoden

25.Über den Begriff "Abtrünnige"

26.Quellen

27.Introvignes Antwort: die Transsylvanische Dracula-Gesellschaft

28.Addenda, 1. Juni 1998


Der Hintergrund zu diesem Text Vierzehn Jahre lang war ich ein ranghohes Mitglied einer kleinen und umstrittenen Gruppe mit Namen Neue Akropolis. Ich gründete Zweige der Organisation in mehreren Städten Italiens. 1990 verließ ich die Organisation, nachdem ich ihr nationaler "Kommandeur" in Ägypten geworden war.

Dieser Text wurde hier nicht aufgrund irgendeines Interesses an dieser kleinen Organisation veröffentlicht, sondern als Kommentar zu einem Artikel über sie, der auf den Websites von CESNUR erscheint, dem ursprünglich italienischen, jetzt aber internationalen "Zentrum für Studien über neue Religionen".

Diese Seite bezieht sich wiederholt auf Miguel Martinez und ein Urteil gegen ihn wegen Verleumdung vor einem Pariser Gericht. Das CESNUR-Dokument gibt uns einen faszinierenden Einblick in die Methoden der TFP und ihrer Zweigorganisationen, und das ist der Grund, warum wir mit dieser kleinen, aber bedeutsamen Episode beginnen.

Da das Hauptinteresse dieser Ausführungen in der Analyse von CESNUR liegt, muß nichts weiter über die Neue Akropolis gesagt werden, als daß sie auf der ganzen Welt wiederholt beschuldigt wurde, Neonazi-Symbole zu verwenden. Hier soll nichts darüber gesagt werden, ob diese Behauptung richtig oder falsch ist.


Einleitung: Ein Prozeß in Paris

Im Jahre 1996 wurde ich von der Neuen Akropolis (im folgenden NA) zusammen mit meinen Interviewern wegen eines Interviews verklagt, das ich dem französischen TV-Sender Canal Plus gegeben hatte. Das Interview war Teil einer Sendung, die den Eindruck vermittelte, die Sekte trage nationalsozialistische und paramilitärische Züge. Überraschend genug war, daß bei solch einem bedeutenden TV-Kanal keine Verteidigung vorbereitet worden war.

Frühjahr 1997, ein kleiner Raum in einem Pariser Gericht. Der temperamentvolle Anwalt der NA rechtfertigt die Aktionen der NA, indem er sagt: "Le double langage fait parti de l'école ésoterique" ("Doppeldeutige Sprache ist ein Teil jeder esoterischen Schule"). Er zeigt den Richtern -- die so schläfrig waren, daß sie oft die Augen schlossen -- ein Bild des Großmeisters der Loge Grand Orient von Frankreich, der vor riesigen Faszes [Anmerk.d.Übers.: Rutenbündel mit Beil als Zeichen altrömischer Herrschermacht] posiert, um zu zeigen, wie ein "Initiationszentrum" wie die NA ebenfalls das Recht auf ihren eigenen Symbolismus hat. Er erwähnt auch, wie in französischen öffentlichen Schulen ein Gruß in römischem Stil verwendet wird; eine unangebrachte Feststellung, wenn es nicht stimmte, daß die NA denselben Gruß verwendet, etwas, das die Organisation zumindest für Italien abstreitet.

Das Urteil wurde am 2. Juli verkündet.

"Das Phänomen des Wachstums von Sekten und die Gefahr, die einige von ihnen darstellen, rechtfertigen wohl [...] das Sammeln von Informationen über die Operation" der NA, und so wird in dem Urteil für Recht erkannt, daß Journalisten das Recht hatten, von dem parlamentarischen Bericht Gebrauch zu machen, der von dem "Doppelgesicht der Gruppe nach außen und nach innen" sprach. Das Gericht stellte fest, daß die "Dokumente im Besitz der Journalisten auch die Verwendung von Zeichen und Symbolen offenbarten, die eine besorgniserregende Ähnlichkeit mit solchen aufwiesen, die in der neueren Vergangenheit vom Nationalsozialismus und seinen Verbündeten verwendet wurden (das Beil; das S von "Sicherheit, Dienst [service], Stille, Geheimnis [secret]"; der zum Gruß erhobene Arm ...). In dem Urteil wurde die Existenz von Dokumenten anerkannt, die "nur für den internen Gebrauch gedacht" waren, besonders das Führungshandbuch.

Die Richter stellten zwar ausdrücklich fest, daß "dieses Gericht nicht kompetent ist, zu einer Auffassung bezüglich der Richtigkeit oder Unrichtigkeit" der Beschuldigungen gegen die NA zu gelangen, es verurteilte die Journalisten aber dennoch, weil sie nur auf Kritiker der NA gehört hatten und die NA-Zentrale in Paris mit versteckter Kamera betreten hatten. Ohne weitere Erklärung wurde ich gleichfalls "in solidum" verurteilt, obwohl man mich wohl kaum für die Entscheidungen des TV-Kanals verantwortlich machen konnte.

Im Grunde genommen wurden hier die Methoden der Journalisten verurteilt; es wird kein Urteil über meine Aussagen oder über die NA abgegeben.

Am 13. März 1998 wurde dieses Urteil vom Pariser Berufungsgericht aufgehoben, das erkannte, daß die Beschuldigung so vage aufgesetzt war, daß jede Verteidigung unmöglich war.


Die CESNUR-Seite über die Neue Akropolis

Der Prozeß in Paris hatte eine unerwartete Folge. Im März 1998 fand ich im Internet ein Dokument, das mich nicht nur als "Abtrünnigen" bezeichnete, das auch die folgenden Aussagen enthielt:
"Abtrünnige hatten eine Schlüsselrolle bei der Brandmarkung der Neuen Akropolis als einer 'faschistischen' Gruppe. Herausragend war dabei Miguel Martinez, ein ehemaliger Führer der Neuen Akropolis in Italien. Am 2. Juli 1997 verloren Martinez und der französische Sender Canal Plus vor einem Pariser Gericht einen Zivilprozeß wegen Verleumdung, weil sie behauptet hatten -- gemäß dem Gericht ohne Beweise --, daß die Neue Akropolis den Nationalsozialismus und das pronazistische französische Vichy-Regime unterstützte."
Meine vorhin zu dem Urteil getroffenen Bemerkungen zeigen eindeutig, daß das Pariser Gericht genau das eben nicht sagte.

Das Problem mit diesem Dokument ist, daß es keine polemische Erwiderung der NA war. Diese Feststellungen erscheinen in einer nach eigenem Anspruch "wissenschaftlichen Studie".

Das Dokument war der Bericht von einem italienischen Rechtsanwalt, Massimo Introvigne, dem Gründer und Leiter von CESNUR (Zentrum für Studien über neue Religionen), eingereicht bei der Jahresversammlung der Amerikanischen Akademie für Religionen in San Francisco am 23. November 1997.


Erbärmliche Gelehrsamkeit oder schlechter Glaube?

Bibliographien sind gewöhnlich am Ende einer Untersuchung zu finden; doch Introvigne entschloß sich offenbar dazu, seinem Text einen wissenschaftlichen Anstrich zu verleihen, indem er Dutzende von Büchern bereits zu Beginn aufführte (und keines dieser Bücher hat irgend etwas mit dem Thema der Studie, der Neuen Akropolis, zu tun).

Das Dokument betrachtete drei Kategorien von Leuten, die eine Sekte verlassen: Überläufer, gewöhnliche Abgänger und Abtrünnige. Diese Begriffe werden in einer höchst wertenden Art erklärt: Gemäß Introvigne ist ein "Überläufer" nicht in der Lage, nach den angeblich hohen Maßstäben der Gruppe, der er angehört, zu leben, wohingegen der Abtrünnige ein "professioneller Feind" [sic] ist, "der den Anspruch erhebt, entronnen zu sein", und der daher die Gruppe so darstellen muß, als sei sie ein Gefängnis.

An dieser Stelle stellt Introvigne die "posttheosophische" Gruppe Neue Akropolis vor.

Ihr Vertrauen auf die griechische Philosophie schließt eine gewisse Kritik an der heutigen Demokratie mit ein. Eine Anzahl früher Schriften aus den 1960er Jahren sind als antidemokratisch interpretiert und in die Nähe des lateinamerikanischen Rechtsextremismus gerückt worden. Diese Texte sind erheblich kontrovers. Gemäß der Neuen Akropolis sind einige davon Fälschungen von Gegnern oder mangelhafte Übersetzungen aus dem ursprünglichen Spanisch. Andere Texte, deren Authentizität nie angezweifelt wurde, verurteilen unmißverständlich den Faschismus und -- neueren Datums -- die Front National in Frankreich.
Obwohl es in meinen Ausführungen keinesfalls um die NA gehen soll, sollen doch ein paar Anmerkungen die Methoden Introvignes verstehen helfen.

Zuallererst führt Introvigne nicht an, welche Schriften kontrovers sind. Diese Tatsache wird wohl jedem Leser, der den Hintergrund nicht kennt, entgehen: Er vermeidet es, genau zu sein, weil auch die Neue Akropolis es vermeidet, genau zu sein. Jedesmal, wenn die Neue Akropolis mit Zitaten in der Presse und in Büchern konfrontiert wurde, hat die Organisation immer sehr vage geantwortet.

Das kontroverseste Dokument -- das Führungshandbuch -- gehört nicht zu der "Anzahl früher Schriften"; es stellt mehr oder weniger die Verfassung der Organisation dar. Vor einer Kommission des belgischen Parlaments beantwortete der Direktor der NA in Belgien, Fernando Fígares, Fragen zu diesem Text wie folgt: "Es gehört nicht der NA, auch wenn es aus unseren Archiven gestohlen wurde". Das war schon eine recht bizarre Erklärung. Doch Sekunden später sagte er, "man könne der Feststellung unseres Gründers, des angeblichen Autors, zustimmen, der sagte, es seien die Notizen eines Studenten in Uruguay im Jahre 1969." Kurz darauf machte Fígares einen weiteren Salto rückwärts, indem er behauptete, das Dokument sei "aus unseren Archiven gestohlen worden", wo "wir natürlich Dokumente von Leuten aufbewahren, die uns kritisiert oder angegriffen haben" (Fernando Fígares, 12. Dezember 1996, Anhörung vor der belgischen Untersuchungskommission über Sekten). Auf einer Pressekonferenz in Lyon, Frankreich, hatte andererseits der Gründer der NA, Livraga, gesagt, das seien tatsächlich seine Worte, aber sie seien im Verlaufe der Übersetzung "verzerrt" worden (diese Version wurde in dem Gemeinschaftswerk von Introvigne und Antoine Faivre, "Pour en finir avec les 'sectes'", angeführt). Introvigne sagt dazu, "erheblicher Streit" umgebe diese Texte; selbst die Führung der Neuen Akropolis scheine unfähig zu sein, sich darauf zu verständigen, ob der Text durch den Führer der Organisation diktiert worden sei, eine Fälschung von "Antisektenbewegungen" sei und in den Unterlagen der NA aufbewahrt werde (wo er gestohlen wurde, da die Fälscher offenbar ihr eigenes Exemplar verloren hatten), oder ob es eine Fehlübersetzung sei (als ob Livragas sehr deutliches und einfaches Spanisch bei der Übersetzung ins Französische so sehr gelitten hätte).

Ein weiteres "kontroverses" Dokument, Das politische Ideal, wurde in den letzten Jahren der 60er Jahre geschrieben, aber es wurde zur rechtlichen Registrierung in Belgien erst 1983 eingereicht. Der bedeutende NA-Führer Javier Escribano schrieb, es sei der Schlüssel dazu, ein "wahrer Anhänger der Akropolis" zu werden. In der Schweizer Zeitschrift Gauche Hebdo(Nr. 30/31, 25. Juli 1996) sagt der Sektenkritiker Claude Cantini:

Im Verlaufe unserer Zusammenkunft in Lausanne am 20. Juni 1996 räumte Monsieur B. [Buisson, Direktor des Schweizer Zweiges der Neuen Akropolis] ein, daß das "Führungshandbuch" zwar nicht gänzlich das Werk des Gründers der Neuen Akropolis, J.-A. Livraga, sei, daß ihm aber sicher Das politische Ideal zugeschrieben werden müsse.
Ohne Das politische Ideal zu erwähnen,, verabschiedete der Schweizer Zweig der NA im Jahre 1997 eine "Resolution", in der es hieß, daß der "Text, der als Führungshandbuch bezeichnet wird [], kein offizielles Dokument der internationalen Organisation Neue Akropolis" sei (in Bilan 1997: Association Nouvelle Acropole Suisse, Seite 10). Nicht falsch, aber eben "nicht offiziell".

Soweit als Introvignes Erwähnung der "griechischen Philosophie" betroffen ist, bezieht sich das Politische Ideal einige Male oberflächlich auf Platons Höhlenmythos; im Führungshandbuch gibt es jedoch keinerlei Bezüge auf die griechische Philosophie.

In keinem Fall erhebt eines dieser Dokumente einen philosophischen Anspruch: es sind beides Leitlinien für die praktische politische Arbeit.

Da Introvigne diese Tatsachen ignoriert, hätte er in der Sache besser still sein sollen.

Es soll auch nicht unerwähnt bleiben, wie Introvigne "gewisse" Dokumente (er sagt nie genau, welche), die eine "beträchtliche Kontroverse" umgibt, mit den offensichtlichen Plattheiten der NA über die Demokratie vergleicht, die natürlich von der NA selbst nie in Frage gestellt wurden. Man entkommt nur schwer dem Empfinden, daß Introvigne die Bedeutung des Materials, über das er spricht, vorsätzlich herunterspielt.

Soweit wir sehen können, bestand die Lösung des unangenehmen Problems mit diesen beiden Texten immer darin, das Thema zu vermeiden. Dies ist im Falle einer Organisation recht verständlich, die ihren guten Ruf bewahren muß und gleichzeitig auch nicht die Grundlehren des eigenen Gründers ablehnen will.

Ein Wissenschaftler könnte die soziale Dynamik hinter solch einem Widerspruch erforschen; er könnte auch die Texte analysieren. Introvigne andererseits käut nur die reichlich lächerliche offizielle Version der Organisation wieder. Wir hoffen, der Grund dafür ist allein Trägheit.

Was aber noch überraschender ist: Introvigne scheint später zu sagen, daß das Urteil des Pariser Gerichts beweise, daß gewisse angebliche NA-Dokumente gefälscht seien. Offensichtlich hat er aber das Urteil nicht gelesen. Dies ist das einzige Gerichtsurteil, das Introvigne in seinem Text erwähnt, und die einzige Anklage gegen die NA bezieht sich auf die "kontroversen" Dokumente der Gruppe. So fällt es schwer, Introvignes Feststellung: "Tatsächlich haben, wie früher erwähnt, Gerichtsurteile bestätigt, daß einige der Beschuldigungen falsch waren", anders zu interpretieren.

Abtrünnige mit Verbindung zu Antisektenbewegungen wie Miguel Martinez rühmen sich gelegentlich dessen, daß ihre Öffentlichkeitsarbeit als entscheidender Faktor für einen Rückgang der Mitgliederzahl der Neuen Akropolis in Frankreich verantwortlich sei.
Introvigne konstruiert seine Sätze sehr vorsichtig -- er weiß, daß ich nie eine solche Behauptung aufgestellt habe (und nicht einmal diesen Gedanken hatte), aber der Leser wird zu dem Glauben verführt, ich hätte es getan. Im übrigen war mein einziger Kommentar, der das Vichy-Regime mit der NA in Verbindung brachte, eine beiläufige Bemerkung über die äußerliche Ähnlichkeit zwischen den beide Male verwendeten Symbolen.

Im Jahre 1997 übergab die Neue Akropolis in Frankreich -- in einer einzigartigen Vertrauensgeste -- ihre Mitgliederliste CESNUR, damit diese Organisation> 


Transfer interrupted!

hführen könnte, die die NA verlassen haben.

Diese Untersuchung, zu der keine unabhängige Dokumentation existiert, sollte per Brief durchgeführt werden (im übrigen widerlegt die Umfrage zumindest die Behauptung der NA, 10.000 Mitglieder in Frankreich zu haben: die zehn Jahre Aktenmaterial, die CESNUR angeblich untersucht hat, beinhalten nur 530 Personen).

Die Untersuchung befaßt sich nicht mit dem entscheidenden Element einer hierarchischen Organisation, mit ihrer "Zwiebelschalenstruktur" geheimer Niveaus: die meisten Leute, die einer solchen Struktur beitreten und sie wieder verlassen, haben offenbar eine angenehme und oberflächliche Vorstellung von ihr. Diese Leute haben kein klares Bild von den eigentlichen Zielen der Organisation oder selbst ihren internen Praktiken.

Die Umfrage geht nur oberflächlich auf die Eindrücke der Exmitglieder ein, nicht auf kontroverse Fakten über die Organisation. Weil die NA einen "faschistischen" Ruf hat, waren die Beschuldigungen immer politischer oder ideologischer Natur, nicht -- wie bei anderen Sekten -- darauf gegründet, wie die einzelnen Mitglieder behandelt werden. Bei Scientology drehen sich Schlüsselfragen vielleicht um das Maß an Druck, der auf die Mitglieder ausgeübt wird, im Falle der NA lauten die Schlüsselfragen aber: Stimmt es, daß die Organisation völlig hierarchisch ist? Verwendet sie Uniformen, die denen der Nazis ähneln? Verwendet sie oben erwähnte "kontroverse" Texte? Hat sie eine interne Organisation, das "Sicherheitscorps", wo während der Zeremonien schwarze Hemden getragen werden? Anders als bei Fragen bei vielen anderen Sekten handelt es sich um einfache Ja-oder-Nein-Fragen, und es sind die einzigen, die die allgemeine Öffentlichkeit interessieren. Introvignes Umfrage stellt keine weiteren Fragen.

Als ehemaliges Mitglied der Neuen Akropolis finde ich es ganz offensichtlich, daß die meisten "Abgänger" einen positiven Eindruck von der Organisation haben. Schließlich war es ja unser Job, Leute zu verführen und ihnen ein Gefühl von Glücklichsein zu vermitteln. Werbefeldzüge sollen wohl kaum einen schlechten Eindruck vermitteln.

Jeder, der zu einem Autoverkäufer geht, sieht sich die Anzeigen an, trifft den Händler persönlich und hat vielleicht einen ausgezeichneten Eindruck von seinem Besuch. Ein Auto zu kaufen oder es im Alltagsleben zu verwenden sind allerdinges zwei Paar Schuhe.

Die Fragen führen in die Irre. Introvigne führt bestimmte Antworten als typisch für die auf, die er "Abtrünnige" nennt. Auch mich bezeichnet er als "Abtrünnigen" (tatsächlich bin ich der einzige "Abtrünnige", den er beim Namen nennt). Doch aus verschiedenen Gründen, auf die ich hier nicht eingehen will, hätte ich seine Fragen ganz anders beantwortet als seine sogenannten "Abtrünnigen".

Er bemerkt, daß die negativsten Antworten von den Personen kommen, die in Berührung mit von ihm so genannten "Antisektenbewegungen" waren, und genau diese Leute qualifiziert er als Abtrünnige ab. Introvigne behauptet, diese Leute seien "beeinflußt" oder "überredet" worden, gegenüber der Neuen Akropolis "kritisch eingestellt" zu sein.

Das ist eine Umkehr dessen, was eigentlich vor sich geht. Ich kenne einen ehemaligen "Akropolitaner", auf den eine "Antisektenbewegung" zuging. Wer von sich aus eine kritische Haltung eingenommen hat, wird natürlich später auf eine Antisektenorganisation zugehen. Eine interessantere Tatsache, die aus Introvignes Umfrage hervorgeht, ist, daß die Gruppe "feindselig" eingestellter Personen hauptsächlich aus Verheirateten und die "zufriedene" Gruppe aus Unverheirateten besteht: die Nähe zu einem vertrauten Menschen (vielleicht einem Freund oder Angehörigen), der nicht zur Organisation gehört, spielt eindeutig eine wichtige Rolle dabei, die Isolation eines Sektenmitgliedes zu zerbrechen und ihn seine Erfahrung widerspiegeln zu lassen. Doch darauf geht Introvigne nicht ein.

Merkwürdigerweise führt er als Zeichen von "feindseliger Einstellung" die Vorstellung auf, die Neue Akropokis sei eine "religiöse Bewegung". Die NA selbst behauptet das nicht für sich; doch Introvigne ist standhafter Unterstützer der religiösen Natur einer jeden Organisation, die behauptet, eine Religion zu sein, wohingegen Sektenkritiker sagen, das ganze Thema sei irrelevant: totalitäre Sekten mögen politisch, therapeutisch oder kommerziell sein und auch religiös.

"Religion" ist etwas, für das es keine objektive Definition gibt oder geben kann: man kann den Definitionsrahmen erweitern oder verkleinern, um ganz nach Belieben darin Gruppen aufzunehmen oder nicht. Tatsächlich beschuldigt Introvigne in seinem Aufsatz Libertà religiosa, sette e diritto di persecuzione (Cristianità, Piacenza, Italien, 1996) das französische Parlament, zu "behaupten, ein Problem zu lösen, das schon seit mindestens hundert Jahren Religionssoziologen und -historiker beschäftigt, nämlich zu definieren, was eine Religion ist" (Seite 99). Die einzige objektive Wirklichkeit dabei ist, daß mit der Anerkennung als Religion bestimmte rechtliche und soziale Folgen einhergehen.

Nehmen wir einmal die katholische Kirche, bei der außer Frage steht, daß es sich um eine "Religion" handelt: sowohl die NA wie auch Scientology stehen beide gleich weit von ihr entfernt -- beide haben "Weltanschauungen" (die NA hat mehr "Theologie" und weniger "Geschäft" als Scientology). Doch die NA wurde in Lateinamerika gegründet, wo weder Katholiken noch Antiklerikale "neue Religionen" mögen; Scientology wurde in den USA geboren, wo es sozial akzeptabel ist, zu irgendeiner "Religion" zu gehören.

Introvigne generalisiert dann die Ergebnisse dieses speziellen Punktes in der Umfrage. Das ist ganz ungerechtfertigt: die NA ist eine Gruppe mittlerer Größe, so kann man sie nicht so einfach mit winzigen Gruppen oder supranationalen Sekten vergleichen. Und vor allem kommt sie nicht aus den USA; so hat sie nie ein "Geschäftsgebaren" an den Tag gelegt. Auch ihre großenteils politischen Merkmale führen einzigartige Elemente ein.

Es läßt sich leicht vorstellen, zu welchen Schlußfolgerungen Introvigne in seiner per Post veranstalteten Umfrage kommt: sie lassen sich leicht in jedem Werk Introvignes ausmachen, das er geschrieben hat, ehe diese Umfrage unternommen wurde, und sie beziehen sich auf eine Vielzahl von Organisationen. Abtrünnige, so behauptet er, sind "in die Antisekten-Unterstruktur sozialisiert" worden; deshalb sind ihre "Schilderungen" unzuverlässig (anders als die Presseerklärungen von Sekten, die in seinen Augen wohl zuverlässig sind). Diese Behauptung führt zu einem merkwürdigen Paradox: die Sozialisierung in Antisektenstrukturen hinein führt zu einem gelegentlichen Austausch von Briefen und zu Telefonanrufen von Personen, die einander als gleichwertig betrachten. Wenn eine derartige Sozialisation das Gedächtnis ehemaliger Sektenanhänger umzustrukturieren in der Lage ist, um wieviel mächtiger muß dann die Sozialisation innerhalb von Sekten sein, wo die Mitglieder Tag für Tag in eine Struktur hinein sozialisiert werden, die auf Autorität aufbaut?


Massimo Introvigne: Wissenschaftler oder politischer Extremist?

Ist "Abtrünniger" nur eine unglückliche Definition, oder ist es ein intellektuelles Äquivalent für eine Beschimpfung? An anderer Stelle zitiert Introvigne in positiver Weise Bryan Wilson (aus dem Italienischen rückübersetzt):
Ein Abtrünniger versucht im allgemeinen, sich selbst zu rechtfertigen. Er versucht, seine Vergangenheit umzubauen, um seine frühere Mitgliedschaft zu entschuldigen und seine engsten Gefährten verantwortlich zu machen. Nicht selten lernt er, eigene "Greuelmärchen" zu fabrizieren, um zu erklären, wie [] er dazu gebracht wurde, sich der Gruppe anzuschließen und dann daran gehindert wurde, eine Organisation zu verlassen, die er nun ablehnt und verurteilt. Abtrünnige, deren Schilderungen in der Presse aufgebauscht werden, versuchen manchmal, ihre Erfahrungen zu Geld zu machen, indem sie ihre Geschichten an Zeitungen verkaufen oder Bücher herausbringen (oft von Ghostwritern geschrieben)(Bryan R. Wilson, The Social Dimensions of Sectarianism, Clarendon Press, Oxford 1990, Seite 19, zitiert in Massimo Introvigne, "Il fantasma della libertà: le controversie sulle 'sette' e i nuovi movimenti religiosi in Europa", in Cristianità, Nr 264, April 1997, Seite 22.)
Ich habe nicht den ganzen Wilson gelesen, daher weiß ich nicht, ob das alles ist, was er über Abtrünnige zu sagen weiß. Es ist jedenfalls alles, was Introvigne zitieren möchte.

Der schlaue Nebel hinter Ausdrücken wie "nicht selten" ändert nur wenig an dem außerordentlich beleidigenden Wesen dieser Definition. Eine Definition, die zumindest nach meiner eigenen Erfahrung auch völlig falsch ist.

Ich bin in den Schriften Ehemaliger auf keinen Groll gegen die "engsten Gefährten" gestoßen. Einer der Hauptgründe hinter der Entscheidung ehemaliger Sektenmitglieder, an die Öffentlichkeit zu gehen, ist vielmehr, ihren Freunden, die noch in den Sekten sind, zu helfen.

Von Steve Hassan bis zu Gunther Träger oder von Thierry Huguénin bis zu Tom Voltz kann ich mir keine angeblichen Abtrünnigen vorstellen, deren Schriften der Karikatur von Wilson/Introvigne ähneln. Die einzigen Zeugnisberichte Ehemaliger, die in dieses Bild passen, sind diejenigen amerikanischer politisch rechter Evangelikaler, die sich -- wie wir in Kürze sehen werden -- unter Introvignes besten Freunden befinden. Verschiedentlich wird in Introvignes Schriften des öfteren Gebrauch von dieser Art von Zeugnisberichten gemacht: der Schatten, den bestimmte idiotische amerikanische Anti-Satanisten werfen (die zum Beispiel behaupten, sie hätten an Hunderten von Menschenopfern teilgenommen), wird absichtlich über vollkommen vernünftige Erfahrungsberichte normaler Ehemaliger ausgedehnt.

Was das Aufbauschen in der Presse angeht, das ja stimmt: Einer der Gründe, warum Ehemalige Bücher schreiben, liegt daran, daß ihnen die Klischees der Medien zum Hals heraus hängen. Doch das ist ein Problem der Journalisten, nicht der "Abtrünnigen".

Verstehen zu wollen, warum man so sehr in einer Gruppe aufging, ist keine "Selbstrechtfertigung". Man hat das Recht, sollte es haben, über die eigenen Erfahrungen nachzudenken und darüber zu schreiben

Selbst ein nur oberflächliches Lesen der Schriften Ehemaliger offenbart ein entscheidendes Merkmal: vermehrte Wachsamkeit. Natürlich begeben sich einige Personen auch von einer fanatischen Gruppe in eine andere (wie bestimmte "Okkultisten", die sich in extremistische christliche Gruppen begeben haben). Im allgemeinen jedoch sind Ehemalige außerhalb von Fanatismus zu finden, sie bewegen sich in Richtung auf ein größeres und tieferes Verständnis menschlicher Beziehungen, von Manipulationsmöglichkeiten und der Wirklichkeit.

Zumindest in meinem Fall kann ich bestätigen, daß ich niemals geglaubt habe, ich "werde daran gehindert, die Organisation zu verlassen". Und ich habe auch keinerlei Profit daraus geschlagen, "meine Geschichte zu verkaufen". Übrigens schreibe ich diese Sätze selbst: Ich habe kein Geld dafür, mir einen Ghostwriter zu leisten. Zwei Journalisten bezahlten mir einen Kaffee und einer eine Pizza, mehr nicht.

Das ganze Thema der "Erinnerung Überlebender" ist natürlich hoch emotional und politisch, da die Leugnung dieser Tatsache, die Vorstellung, sie sei die pure Einbildung einer "Sozialisation" in "Unterstrukturen", an die Wurzeln des Revisionismus des Holocausts geht; und viele der Untersuchungen, die Introvigne anführt, sind auch dazu verwendet worden, die Existenz von Gaskammern in Auschwitz oder sonstwo abzustreiten. Persönlich glaube ich jedoch, daß der politische Gebrauch, in der einen oder anderen Weise, der Frage der Gültigkeit der Erinnerung immer ein Mißbrauch ist: Erinnerungen sollten immer von der Person her beurteilt werden. Und Wilson/ Introvigne vergessen auch die Tatsache, daß viele "Greuelgeschichten", wie sie sie höflich umschreiben, nicht so sehr auf persönlichen Aussagen beruhen; sie sind vielmehr interne Dokumente verschiedener Organisationen.

Übrigens ist Bryan Wilson, der Abtrünnige so sehr anprangert, mit Sicherheit derjenige Autor, den Scientology nach Ron Hubbard selbst am meisten gedruckt hat: Wilsons Artikel, Reden und Aussagen sind in praktisch jeder Scientology-Zeitschrift oder -Internetseite zu finden. Bryan Wilson behauptet, er habe 26 Jahre lang Scientology studiert und dabei nur herausgefunden, daß es dem Buddhismus ähnelt (Siehe beispielsweise "Pioggia di riconoscimenti per Scientology", in Diritti dell'uomo, einer Scientology-Publikation: derselbe Artikel enthält auch Wilsons Zitat über "Abtrünnige", das mit dem Zitat von Introvigne völlig übereinstimmt). Scientology widmet in ihrer Publikation Diritti dell'uomo auch eine ganze Seite der Auflistung der akademischen Leistungen von Bryan Wilson, die im übrigen auch die Ehrenpräsidentschaft der International Society of Sociology of Religions einschließt, deren Mitglied, natürlich rein zufällig, auch Introvigne ist. Diritti dell'uomo führt auch sehr häufig Introvigne an.

Selbstverständlich war ich neben dem Thema dieser grundlosen persönlichen Beleidigungen neugierig auf die Gründe, warum ein selbsternannter "Soziologe" jemanden, den er kaum oder überhaupt nicht kennt, denn eigentlich als "Abtrünnigen" bezeichnet und, wenn auch assoziativ, im schlechtesten Licht darstellt. Das muß kommentiert werden; Introvigne sagt an anderer Stelle:

Kein Akademiker, der diese Bezeichnung verdient -- was immer einige sagen mögen --, übergeht die Aussagen von ehemaligen Mitgliedern; doch keine ernst zu nehmende wissenschaftliche Untersuchung gründet sich allein auf diese. (Massimo Introvigne, "'Sette cattoliche': l'equivoco continua", in Cristianità, Nr. 260, Dezember 1996, Seite 4.)
Er kannte jedoch nicht meine Erfahrung und hätte sich mit mir in Verbindung setzen können, falls er das gewollt hätte. Die Tatsache, daß er das nicht tat, zeigt, daß er nur die eine Seite hören wollte. So setzte er sich der Gefahr aus, faktische Fehler zu machen, als er mich und das Pariser Gerichtsverfahren analysierte.

Wann immer Introvigne ungerechtfertigte Anklagen vorbringen möchte, benutzt er dieselbe Technik, andere, "angesehene" Schreiber zu zitieren. Meine Lieblingsstelle im Zitat Introvignes ist die folgende:

Bereits 1986 ging die angesehene amerikanische Zeitschrift Thought der Jesuits of Fordham-Universität noch weiter; in einem Sonderartikel über die Antisektenbewegung wurde die Frage gestellt, ob man die Antisektenbewegung selbst, festgemacht am Dogma der Trennung von Verhalten und Lehre und der Gehirnwäsche, nicht -- auf der Grundlage der eigenen Kriterien -- als weitere moderne "neue Sekte" betrachten könne und ob viele "Sektengegner" nicht "psychologisch verwirrte" Personen seien, besessen von einer "Angst vor Sekten", die nur eine der Formen der modernen Angst vor Religion ist.(Massimo Introvigne, I nuovi culti: dagli Hare Krishna alla Scientologia, Oscar Mondadori, Mailand, 1990)
Das ist Introvigne, wie er leibt und lebt. Vielleicht kein guter Wissenschaftler, aber mit Sicherheit ein guter Architekt, der genau weiß, wohin er die verschiedenen Elemente seines Gebäudes setzen muß. Er stellt den obigen Satz an das Ende eines Kapitels, wo ein "angesehener" Dritter die Schlußfolgerung stützt. Wie in dem Zitat von Bryan Wilson (mit seinen "im allgemeinen" und "nicht selten") kann man die wüstesten Beleidigungen ausstoßen und doch ruhig und ernsthaft erscheinen, indem man ein paar "man fragt sich, ob" hinzufügt. Der Leser wird die mäßigende Haltung des Beleidigenden schätzen, aber er wird sich nur noch an die Hypothese erinnern, die er tatsächlich liest -- daß Mitglieder einer "Antisektenbewegung" geistesgestört sind.

Meine Neugier führte zu ein paar ziemlich interessanten Entdeckungen, die ich gerne mit dem Leser teilen möchte. Zwischenzeitlich jedoch lade ich ihn dazu ein, wahrzunehmen -- in dem oben zitierten Satz über ernsthafte Gelehrte, die auch ehemaligen Sektenangehörigen zuhören --, daß Introvigne sich selbst eindeutig mit "Akademikern" und "ernst zu nehmenden wissenschaftlichen Untersuchungen" identifiziert; der Ausdruck "was immer einige sagen mögen" zeigt dies: Niemand hat jemals gesagt, daß "Akademiker, die diese Bezeichnung verdienen", nicht beide Seiten anhören, aber viele haben gesagt, daß Introvigne dies nicht tut. Diese Art, sich auszudrücken, die in Introvignes Schriften durchgängig vorkommt, schafft damit eine völlig nichtexistente Abgrenzung zwischen "Sektengegnern", die fanatisch sind, und "Akademikern", die als Gelehrte im Besitz der Wahrheit sind. So werden Sektenkritiker zu Feinden der Wahrheit selbst (und natürlich Sektensympathisanten zu Freunden der Wahrheit). Tatsächlich besteht ein Konflikt zwischen Sektenkritikern und Sekten, und einige Gelehrte neigen eher zu der einen, andere zu der anderen Seite.

Massimo Introvigne gründete CESNUR im Jahre 1988. Diese Organisation hat heute internationale Zweige, aber das Hauptbüro liegt immer noch in Turin in Italien. Selbst die Initialen von CESNUR ergeben nur im Italienischen einen Sinn. Freunde haben bemerkt, daß wenigstens einige der internationalen Persönlichkeiten, die mit CESNUR zu tun haben, Akademiker bona fide sind, die nur eine geringe Vorstellung davon haben, wofür die Organisation eigentlich steht.

In seinen Schriften identifiziert sich Introvigne ständig mit einer Personengruppe, die er "Soziologiegelehrte", "Fachleute", "Universitätsfachleute", "akademische Fachleute" nennt, um nur einige der Eigendefinitionen in einem Artikel zu nennen ("Il fantasma della liberta" in Cristianità, Nr. 264, April 1997). Die Pronomina "ich" und "wir" vermischen sich damit in einer Weise, die nur schwer festzumachen ist.

Was Introvigne genau tut, ist eine kontroverse Angelegenheit. Zeitfragen (Nr. 32, November-Dezember 1996), eine deutsche Publikation, die in enger Verbindung zu der angeblichen Sekte VPM steht ("Antisektenaktivismus gefährdet Demokratie und Menschenrechte -- Wissenschaftler gegen Hexenjagd mit der 'Sektenkeule'"), nennt Introvigne einen "Historiker und Soziologen". Die Website der Anwaltsgruppe Jacobacci e Perani in Turin, Italien, wo Introvigne arbeitet, nennt jedoch keinen Abschluß in Soziologie; es wird gesagt, daß Introvigne ermächtigt wurde, örtlich im Rechtsgeschäft tätig zu sein, offensichtlich eine Anspielung auf den in Italien sogenannten Status des "procuratore legale", direkt unterhalb einem normalen Anwalt.

Ein kurzer Eintrag im Antifa Info-Bullettin ("DOSSIER: [Italien] Alfredo Mantovano, neuer Sprecher der 'postfaschistischen' Nationalen Allianz", Anhang 154, 3. 3. 98), in dem Introvignes Apologetik für die NA nebenher erwähnt wird, führte zu einer raschen Erwiderung des Anwalts:

Ihre Erwähnung des Unterzeichners in einer Usenetgruppe ist sowohl verleumderisch als auch ungenau. "Anwalt niederen Grades" ist grundsätzlich dumm. Ich bin Partner in Italiens größter Anwaltskanzlei und auf meinem eigenen Spezialgebiet gut bekannt, wie eine auch nur oberflächliche bibliographische Suche in den USA es Ihnen gezeigt hätte. Zum Glück für mich und meine Familie (und die unersättliche italienische Steuerbehörde) wurde ich letztes Jahr in einer italienischen Zeitschrift als unter den 100 aktivsten Anwälten des Landes angeführt.(in Antifa Info-Bulletin, 15. März 1998)
Italiens "100 aktivste Anwälte" bilden eine Kategorie, zu der man wohl nur kaum einen einfachen "procuratore" zählen kann. Sicher ist er der Verfasser verschiedener Untersuchungen über Handel und Werbung, zwei Themen, die allerdings nur wenig mit neuen Religionen zu tun haben (obwohl sie vielleicht mit Sekten zu tun haben könnten).

Introvigne behauptet in demselben Brief auch, "Fakultätsmitglied des Pontifikalen Atheneum Regina Apostolorum in Rom" zu sein. In einem Brief vom 27. September 1996 (Nr. 2291/96), der an das Dialogzentrum in Berlin gerichtet ist, erklärt Mons. Michael L. Fitzgerald, Sekretär des Pontificium Consilium Pro Dialogo inter Religiones, daß Introvigne "kein Berater irgendeiner Körperschaft" des Vatikans sei und daß er eine Woche im Jahr am Regina Apostolorum Atheneum lehre, einer privaten Einrichtung, die zu den "Legionären Christi" gehört, einer mexikanischen Organisation. Gemäß Mons. Fitzgerald ist diese Einrichtung keine "kirchliche Universität".

Natürlich sind Referenzen weit weniger wichtig als Argumente; außer dann, wenn Referenzen oder angebliche Referenzen als Teil eines Argumentes verwendet werden, was in allem, was Introvigne schreibt, sehr klar der Fall ist.

Was uns schließlich von den Antisektenbewegungen trennt, ist nicht, ob wir "für" oder "gegen" neue religiöse Bewegungen sind. Jede derartige Polarisierung stimmt einfach nicht. Tatsächlich besteht ein scharfer Konflikt zwischen vielen Fachleuten in den Religionswissenschaften, besonders unter Soziologen einerseits, und bestimmten Antisektenbewegungen andererseits, ein Konflikt, den -- das muß betont werden -- die Soziologen nicht gesucht haben. (Massimo Introvigne in Liberà religiosa, sette e diritto di persecuzione, Cristianità, Piacenza 1996, Seite 111)
In diesem Fall sollte man die Referenzen wie alles andere genau untersuchen.

Introvigne gab zwei Erwiderungen auf eine kürzere Form dieser Ausführungen. Und das war alles, was er darüber zu sagen hatte, ob er Soziologe sei oder nicht:

1. "Martinez steht es frei, über meine Referenzen zu denken, wie er will (Schulverbände, Universitäten and Gerichte denken darüber anders)".

2. "Innerhalb der Grenzen der bestehenden Gesetze über Verleumdung und Beleidigung kann er mich als das bezeichnen, was er will".

Auch wenn ich, anders als Introvigne, kein Anwalt bin, glaube ich doch, daß Verleumdung und Beleidigung im Grunde Falschdarstellungen von Leuten zum Inhalt haben; er scheint daher zu bestätigen, daß das, was ich über seine Referenzen gesagt habe, keine Falschdarstellung ist.

Vermutlich hätte ich meinen früheren Titel als Nationaler Kommandeur der internationalen Organisation Neue Akropolis für Ägypten behalten sollen -- das ist doch weitaus pompöser als Dolmetscher (oder "professioneller Feind", wie er mich in seiner Website qualifiziert).

Ich war belustigt, daß es bei der einzigen Diskussion, die ich je mit Introvigne hatte, um seine Definition der Neuen Akropolis als einer "neo-pythagoräischen" Bewegung ging. Ich sagte, sie sei theosophisch. Er blieb in der Öffentlichkeit mit Leidenschaft bei seiner Ansicht.Jetzt sehe ich, daß er die Neue Akropolis als "neo-theosophische" Gruppe bezeichnet. Der arme Pythagoras muß unterwegs wohl auf der Strecke geblieben sein.

Soweit es seine Referenzen betrifft, ist uninteressant, was ich "denke"; was die Website seiner Anwaltsgruppe sagt, ist es nicht. Ich hoffe, er hat nicht vor, diese anzufechten.

CESNUR, die von Introvigne gegründete Organisation, behauptet, einzutreten für: "die Professionalität auf einem Gebiet, wo die Gegenwart von Amateuren bei der Genauigkeit und Klarheit der Diskussion nicht hilfreich war. Wir sind überzeugt, daß die Vernunft der Wahrheit nur durch Professionalität ans Licht kommen, dargestellt und verstanden werden kann". Abstrakt gesprochen hat er recht: viel Stoff, der sich kritisch mit Sekten auseinandersetzt, ist weder genau noch klar.

Doch wie bei der Diskussion über die Neue Akropolis zu sehen war, sind lange verweisende Bibliographien, ein professioneller Jargon und eine klare Sprache nicht genug, die "Vernunft der Wahrheit" zu verdeutlichen

Übrigens stimmt Scientology nicht mit Introvignes eigener Definition von CESNUR überein. In einer kürzlich auf der ganzen Welt verteilten Publikation mit dem Titel "Wiederherstellung und Sicherung der religiösen Freiheit" (offenbar Anfang 1998 herausgegeben), finanziert -- wie auf dem Titelblatt angegeben -- von der "Internationalen Scientologenvereinigung", wird CESNUR nicht als Hort klarer Diskussion angegeben, sondern als "Menschenrechtsorganisation", mit der man im Falle "religiöser Verfolgung" Kontakt aufnehmen könne -- zusammen mit mehreren anderen Vereinen, die von Scientology selbst gegründet wurden, wie dem "Untersuchungskomitee gegen Diskriminierung religiöser und ethnischer Minderheiten" in Deutschland: die Kontaktperson ist hier Lord McNair, seit Jahren schon ein bekannter Unterstützer von Scientology; eine weitere Organisation, an die verfolgte Scientologen sich wenden können, ist das Rutherford Institute -- mehr über dieses später (Amnesty International fehlt auffallend auf der Liste der "Menschenrechtsorganisationen".)

CESNUR umgibt ein gewisses Geheimnis. Die Organisation gibt keine Zeitschrift oder auch nur ein Bulletin heraus; zur Mitgliedschaft kann man nur eingeladen werden; die Organisation vermeidet es offiziell, ehemaligen Sektenanhängern zu helfen. Das bedeutet, daß man ihr nicht auf normalem Weg wie anderen sektenbeobachtenden Organisationen Geld zukommen lassen kann: durch Beiträge von Angehörigen von Sektenmitgliedern und andere Betroffene, die in demokratischer Weise diese Organisation führen würden. Doch Introvigne ist ständig auf Reisen, er hält sich immer in den besten Hotels auf und hat nicht weniger als zwei vollzeitig beschäftigte Sekretärinnen (Cinzia und Monica -- einfache Sekretärinnen haben natürlich nur Vornamen!). Natürlich könnten alle Ausgaben auch großzügig aus Introvignes Tätigkeit als Anwalt bestritten werden. Man kann jedoch vernünftigerweise seine Zweifel daran haben, daß ein Anwalt, dessen ganzer Arbeitstag mit Patenten und Handelsdingen angefüllt ist, in seinen freien Minuten auch noch die Zeit finden kann, Fachmann für etwas anderes zu sein.

Nachdem ich diese Zeilen schrieb, schickte mir Introvigne eine E-mail mit folgendem Inhalt:

Es entgeht vielen Gegnern, daß CESNUR International keine private Gesellschaft ist; 1996 wurde sie durch ein Dekret der Regierung von Piemont als juristische Person anerkannt. Das gibt uns unter anderem ein Anrecht auf öffentliche Gelder. Wir haben diese Unterstützung immer dankbar angenommen.
Glücklicherweise lebe ich in einem anderen Teil Italiens; deshalb werden mit meinen Steuergeldern nicht Introvignes Reisen finanziert. Natürlich bin ich froh, daß ich das zurücknehmen kann, was ich über Introvignes Großzügigkeit gesagt habe. CESNUR wurde jedoch 1988 gegründet, öffentliche Gelder flossen erst ab 1996. Es bleiben bei uns Zweifel über die ersten acht Jahre der Organisation.

Gemäß Zeitfragen, oben angeführt, behauptet CESNUR, "völlig unabhängig von jeglicher religiösen Bewegung, Gruppe oder Gesellschaft" zu sein.

Diese Feststellung überrascht uns, da die Statuten von CESNUR festlegen, daß sowohl der Direktor als auch der Präsident römisch-katholisch sein müssen.

In einer Notiz per E-mail widersprach Introvigne dieser meiner Aussage sehr deutlich:

Es gibt nichts in den Statuten von CESNUR International, auch nicht von CESNUR Italien oder von CESNUR Frankreich, daß der Präsident und der Direktor römisch-katholisch sein sollten. Der Hinweis in der italienischen Ausgabe des Buches von Eileen Barker betraf wieder einmal die Tatsache, daß die Statuten von CESNUR Italien die jeweiligen NAMEN des Präsidenten und des Direktors enthielten, und beide sind katholisch. Im Gegenteil: Die Statuten besagen ganz klar, daß bei der Ernennung der Funktionäre von CESNUR keine Diskriminierung aus religiösen Gründen stattfinden darf.
Wie auch immer; hier ist der genaue Wortlaut der Anmerkungen Introvignes in Eileen Barkers Buch:
Obwohl die Statuten festlegen, daß der Präsident und der Direktor von CESNUR Katholiken sind ("Se presidente e direttore del CESNUR sono -- statutariamente -- cattolici . . ."), sind im wissenschaftlichen Komitee auch Anglikaner, Protestanten und Orthodoxe, und es ist nicht professionellen Beiträgen aus anderen Gebieten und Erfahrungskreisen verschlossen. (Massimo Introvigne, in Eileen Barker, I nuovi movimenti religiosi, Oscar Mondadori, Mailand, 1992)
Keine NAMEN (ich wiederhole Introvignes Großbuchstaben) werden erwähnt. Es fallen mir nur zwei weitere mögliche Erklärungen ein: Die Statuten legen fest, daß der Präsident immer Massimo Introvigne genannt werden muß, oder sie haben katholisch klingende Namen (also nicht Mohammed oder Yitzhak).

Diese katholische Natur von CESNUR gilt für Italien. Zumindest gemäß einer antifreimaurerischen französischen Publikation, Faits & Documents (Nr. 27, 15.5.97, Seite 5, zitiert in "Alleanza massonica?", Sodalitium, dic. 1997, Seite 65), gehört die gesamte Führung des französischen Zweiges von CESNUR angeblich zur rechten Minderheit der Freimaurerei.

Die Führung von Cesnur Frankreich, einer Untersuchungsgruppe zu "neuen religiösen Bewegungen" (bzw. "Sekten"), ein Zweig von Cesnur Italien, das von dem katholischen Soziologen Massimo Introvigne geleitet wird, scheint von der Nationalen Großloge von Frankreich kontrolliert zu werden, wenn man an folgende Persönlichkeiten im Direktorium denkt: Professor Antoine Faivre, Hauptherausgeber des Cahiers Villard de Honnecourt, an den Anwalt Olivier-Louis Séguy und an Professor Roland Edighoffer.
Wir wissen nicht, ob diese Vermutung richtig ist (Introvigne hat es vermieden, in seinen Antworten auf diese Feststellung einzugehen). In der Publikation L'Evenement du jeudi sagt Serge Faubert ("Les cathos au secours des sectes", L'Evenement du jeudi, 13-19. Juni 1996), daß sowohl Séguy als auch sein Kollege Jean-Marc Florand (der letztere überraschenderweise ein militanter Homosexueller) Rechtsextremisten seien und schon seit über zehn Jahren Vorträge für die Front National halten. Florand tritt in Gerichtsverfahren auch regelmäßig als Verteidiger von Jehovas Zeugen auf.

Ob jemand Freimaurer ist oder zu den französischen Nationalisten gehört, interessiert mich nicht; es ist aber angesichts der komplizierten Beziehungen von CESNUR merkwürdig, wie wir bald sehen werden.


CESNUR und die KATHOLISCHE ALLIANZ

Massimo Introvigne behauptet auf den Umschlagseiten seiner Bücher immer, einer der Direktoren einer anderen Vereinigung zu sein, der sogenannten Katholischen Allianz (im folgenden KA). Introvigne ist gegenwärtig einer der fünf "consultori" (im Italienischen ein ungewöhnliches Wort) der KA. Ein weiterer, Alfredo Mantovano, ist gegenwärtig "Sprecher" der Alleanza Nazionale, Italiens rechter Partei, und war kurz ihr "Nationaler Koordinator" -- eine Tätigkeit, die ihn praktisch verantwortlich über die ganze Partei setzte -- unter dem nationalen Sekretär Gianfranco Fini (das ist recht überraschend und offenbart vielleicht etwas von der politischen Schlagkraft der KA, wenn wir uns daran erinnern, daß Mantovano sich Finis Partei erst drei Monate zuvor angeschlossen hatte: siehe "AN, primo atto dell'epurazione", La Stampa, 11. Dezember 1997, Seite 6).

Die KA setzt jedoch niemals nur auf ein Pferd -- Introvigne ist ein angesehenes Mitglied einer anderen rechten Partei, der CCD. Ein weiteres Mitglied der Katholischen Allianz, Vietti, ist zufällig der Fraktionsführer derselben Partei im Parlament.

Natürlich ist an sich nichts verkehrt daran, Mitglied in einer anderen Organisation zu sein, wie kontrovers das auch immer sein mag. Schließlich widersprach Introvigne ja in seiner E-mail-Note: "Die gewöhnlichste Verwirrung über CESNUR ist, nicht in der Lage zu sein, jeweilige persönliche Mitgliedschaften von Direktoren von der Vereinigung als solcher zu trennen".

Das Problem ist jedoch: Ist Introvigne ein Mitglied der KA, oder ist CESNUR selbst eine Gliedorganisation der KA?

Die KA ist eine Organisation, die es schon seit etwa dreißig Jahren gibt, und sie hat nur 200- 300 Mitglieder. Aus Gründen, die später noch klar werden, am äußersten Rand der offiziellen katholischen Kirche angesiedelt, hat sie selten Schlagzeilen gemacht; bis vor kurzem war es eine recht arme Organisation ohne irgendwelchen Einfluß. Das hat sich aus zwei Gründen geändert: der politische Erfolg der Rechten im Jahre 1994, einer Ansammlung von Parteien, die Millionen von Wählerstimmen erhielten, ohne daß eine Führung sie hätte handhaben können, öffnete für die KA, die lange ihre Anhänger als intellektuelle "Elite" emporgebracht hatte, unglaubliche Aussichten.

Der andere Faktor war der plötzliche, weltweite Erfolg von Introvigne als neuerstandenem "Soziologen".

Auch ein nur oberflächlicher Blick auf die Homepage der KA, die sich stolz rühmt, "Kämpfer der KA" hätten drei Organisationen "gegründet" -- CESNUR, IDIS (Institut für Soziallehre und Information) and ISIN (Institut für das Studium der "Insorgenze") --, zeigt deutlich, daß die Verbindung zwischen CESNUR und der KA weiter geht als nur eine "persönliche Mitgliedschaft".

IDIS ist so eng mit der rechten Partei, Alleanza Nazionale, verbunden, daß das Organ dieser Partei -- Secolo d'Italia -- ihm einmal in der Woche eine ganze Seite widmet. Tatsächlich kann man IDIS als die führende rechte Denkfabrik in Italien bezeichnen. Es bezieht seine Vorstellungen großenteils aus zwei Quellen: der Ideologie von Plinio Corrêa de Oliveira (später mehr darüber) und den US-amerikanischen "Neo-Konservativen".

"Insorgenze" in den Initialen von ISIN bezieht sich auf die anti-napoleonischen Aufstände in Italien gegen Ende des 18. Jahrhunderts -- eine Episode, die vollkommen und unverdienterweise aus der Geschichte Italiens gestrichen wurde. Aber natürlich verfolgt das Institut einen hochideologischen Zweck: Es soll einen alternativen historischen Mythos zum säkularen Wiederaufleben von Cavour und Garibaldi, und zur "kommunistischen" Widerstandbewegung, schaffen. Wie auch CESNUR, arbeiten auch für ISIN einige angesehene Gelehrte, die sich nicht immer des weiteren Programms bewußt sind, in das sie eingegliedert wurden.

Die Politik der KA ist kein Geheimnis: Am 26. März 1994 veröffentlichte die KA einen "Appell" für die kommenden politischen Wahlen und forderte die Wähler dazu auf, "aktiv teilzunehmen und die Listen zu wählen, die die deutlichste Opposition zu der 'radikalen Massenpartei' darstellen, d.h. der Front aus Sozialkommunisten und 'Progressiven', die für die Entchristianisierung des italienischen Volkes eintreten".

Diese Kampagne war Teil eines größeren Feldzuges, wohl veröffentlicht in Il Secolo d'Italia, dem Organ der als MSI-Nationale Rechte bekannten Partei (so z.B. am 6. Januar 1994) unter dem Titel "Eine humane und christliche Aktion zur Wiedererschaffung der Identität des italienischen Volkes". Im Manifest dieses Feldzuges sagt Giovanni Cantoni, der Führer der KA, man könne ja Liberté und Fraternité noch hinnehmen, aber ganz eindeutig nicht mehr Egalité.

Mit anderen Worten: Kämpfer der rechten Organisation KA schaffen politisch rechte Gruppen. Natürlich haben sie die Freiheit, dies zu tun, so lange sie sich nicht selbst als Inhaber der Wissenschaft der Soziologie darstellen -- im Gegensatz zu der Welt der "Amateure".

Die KA ist auch unter der sogenannten "äußersten Rechten" tätig, ein Begriff, der in Italien eine sehr komplizierte Welt von kleinen und im Widerstreit stehenden Organisationen abdeckt.

Nur ein Beispiel aus vielen: Am 24. April 1998 sprach Aldo Carletti, Mitglied von CESNUR wie auch der KA, auf einem vom Centro Studi Trans Lineam (siehe Orion, Nr. 163, April 1998, Seite 39) in Varese organisierten Treffen. In Orion, einer Zeitschrift, die viele unterschiedliche Meinungen auf diesem Gebiet widerspiegelt, hat Lucio Tancredi die KA beschuldigt, die "äußerste Rechte" zu infiltrieren und zu versuchen, sie zum Neokonservativismus wie in den USA zu bekehren.

Dahinter steckt, wie wir sehen werden, ein Grund: Das "konterrevolutionäre" Denken, das die katholische Bewegung KA inspirierte, inspirierte auch solche nichtchristlichen Werke wie Julius Evolas Revolte gegen die moderne Welt und René Guénons Die Krise der modernen Welt. Ihre Vorstellungen sind keinesfalls identisch, doch trotz ihrer ganz unterschiedlichen Ansichten über das Christentum gibt es Berührungspunkte in der "spirituellen Politik" aller drei und in ihren Ansichten über die "Dekadenz der modernen Welt".

Introvigne ist keinesfalls der einzige bei CESNUR, zumindest in Italien, der auch mit der KA zu tun hat. Eng verwickelt ist der Führer der KA selbst, Giovanni Cantoni, offiziell der "Nationale Regent" der Organisation.

"Regent" [reggente] ist im Italienischen ein recht ungebräuchlicher Ausdruck; er kann entweder einen Interimsfunktionär oder so etwas wie einen "Herrscher" meinen. Und das ist auch der Grund, warum einige politisch rechten Gruppen den Begriff auch hin und wieder gebrauchen: sie möchten solche demokratischen Ausdrücke wie "Präsident" vermeiden. Natürlich ist die erste Bedeutung die offizielle Erklärung, aber Cantoni übt seine Interimsfunktion schon seit mehreren Jahrzehnten aus. Jedenfalls bestätigte ein Mitglied der KA die Tatsache, daß der Begriff ebenso wie im Deutschen gebraucht wird -- ein Herrscher auf Zeit, der im Namen eines anderen regiert, in diesem Fall (aus ideologischen Gründen, die später klar werden) der Jungfrau Maria.

Giovanni Cantoni ist zusammen mit Introvigne auch Koautor eines Büchleins mit dem Titel Libertà religiosa, 'sette' e 'diritto di persecuzione', einem einzigen Angriff auf die sogenannten "Antisektenbewegungen".

Anders als Massimo Introvigne hat die Katholische Allianz niemals ihre extremistischen Ansichten verheimlicht, was natürlich ihr gutes Recht ist.

Nehmen wir beispielsweise den Text eines Flugblattes der Organisation aus der Mitte der 70er Jahre, das sich auf eine der endlosen und unbedeutenden politischen "Krisen" Italiens bezieht, als das Kabinett zum tausendsten Male umgebildet wurde, gefolgt von Wahlen mit nur geringen Änderungen. Die besagte "Rote Regierung" war typischerweise eine gemäßigte Koalition aus Christdemokraten und Sozialisten mit Unterstützung der extrem vorsichtigen Kommunisten.

Wähle antikommunistisch, aber höre an dieser Stelle nicht auf!
Die rote Andreotti-Berlinguer-Regierung hat "Selbstmord begangen", um an dem historischen Kompromiß [zwischen Katholiken und Kommunisten] teilzuhaben, und der historische Kompromiß ist der Vorläufer einer kommunistischen Herrschaft.

Dieses recht langweilende Machtgerangel führt den Verfasser der Flugschrift dazu, die italienische Lage mit Kambodscha zu vergleichen, und er endet mit dem dramatischen Aufruf zur Tat:

Verzweifle nicht! Hilf dir selbst, dann hilft dir vielleicht Gott!
Wir sahen bereits, wie kontrovers das Thema der Referenzen Introvignes ist. Gerade fünf Jahre, ehe er die Szene dieser Welt als Soziologe und größter Experte zu "neuen religiösen Bewegungen" betrat, erschien sein Lebenslauf auf dem Schutzumschlag seines Buches Pornografia e rivoluzione sessuale (Editrice Libreria S. Lorenzo, Chiavenna, Sondrio, 1983):
Massimo Introvigne wurde am 14. Juli 1955 in Rom geboren. Ehemals Jesuitenschüler, erlangte er seinen Abschluß in Philosophie an der Pontifikalen Gregorianischen Universität in Rom mit einem Text über die Moralphilosophie Wittgensteins. Dann erhielt er den Abschluß in Jura an der Universität von Turin mit einer These über die zeitgenössische Rechtsphilosophie in den Vereinigten Staaten. Ein Teil seines Werkes wird nach Be- und Überarbeitung in den Annalen des Juristischen Instituts von Turin erscheinen. An derselben Universität lehrt und forscht Introvigne gegenwärtig auf dem Gebiet der Rechtsphilosophie.
Er ist als Rechtsberater für Industrievermögen tätig und gehört mehreren Berufsverbänden an. In dieser Rolle schreibt er für mehrere spezialisierte italienische und ausländische Zeitschriften (besonders in den Vereinigten Staaten) und hat an juristischen Konferenzen in Italien und Übersee teilgenommen, wo er Vorträge zu Industrieimmobilien, Lizenzen und unfairem Wettbewerb gehalten hat.
Seit den ersten Hochschuljahren ist er schon ein Kämpfer der Katholischen Allianz, einer bürgerlichen und kulturellen Körperschaft, deren Ziel die Erziehung der Menschen, die Verbreitung von Ideen gemäß den sozialen Grundsätzen der Kirche und das politische und soziale Magisterium der Päpste ist. Er schreibt regelmäßig für Cristianità, das offizielle Organ der Katholischen Allianz, insbesondere über philosophische und soziale Themen; in derselben Zeitschrift hat er auch Untersuchungen angestellt über die katholische Kultur von Piemont und die Heiligen des Turins des 18. Jahrhunderts.
Als Redner ist er in verschiedenen italienischen Städten während der Treffen der "Freunde der Cristianità" aufgetreten, organisiert von der Zeitschrift und der Katholischen Allianz, wie auch in Seminaren und bei Vorträgen, die die Katholische Allianz alleine oder zusammen mit anderen Gruppen und Verbänden organisiert hat.
In Anbetracht seiner späteren Vorstellungen zur Antisektengesetzgebung ist es interessant zu bemerken, daß Introvigne auf der Seite 20 seines Büchleins sagt: "Pornographie -- auch wenn sie mit künstlerischem Anspruch daherkommt -- kann und muß verboten werden auf der Grundlage einer ethischen Beurteilung, die gleichzeitig mit den Grundregeln der Ästhetik übereinstimmt, wie sie der Vernunft entsprechen". Was sollte ein "consociato" [vermutlich ist ein KA-Mitglied gemeint] hier unternehmen?

"Natürlich Richter mit Schriftsätzen und Beschuldigungen anstacheln, während Politiker kontrolliert und verurteilt werden, die in tausenderlei Weise für die Pornographie sind." (Seite 21)

Introvignes Vorstellungen -- und die der KA -- stammen direkt aus dem Schriften des brasilianischen Extremisten Plinio Corrêa de Oliveira; etwas, das er heute gerne in seinen Werken verbergen möchte. Später noch mehr über diese ungewöhnliche Person; hier soll nur interessieren, wie Introvigne sich in diesen frühen Tagen viel eindeutiger ausdrückte. In demselben Buch über Pornographie (Seite 23) sagte Introvigne:

Plinio Corrêa de Oliveira sprach in der dritten italienischen Ausgabe seines Buches Revolution und Konterrevolution von einer "IV. Revolution", die auf die erste protestantische und absolutistische, die zweite (liberale der Zeit der Aufklärung) und die dritte und kommunistische Revolution folgte.
 

Diese "Vierte Revolution" gründet sich angeblich auf Drogen, Pornographie und -- in jenen fernen Tagen -- auf Sekten.

Massimo Introvignes Schuld gegenüber Corrêa de Oliveira erscheint in Dutzenden früher Dokumente. Um die Vorstellungen von Ehrwürden Francesco Faà di Bruno, der 1888 starb, Jahrzehnte bevor Plinio Corrêa de Oliveira geboren wurde, zu beschreiben, findet Introvigne nichts Besseres, als Plinio in einer Weise zu zitieren, als ob er den Priester des 19. Jahrhunderts zitieren würde; nur eine Fußnote verdeutlicht, daß das Zitat von Plinio stammt (und aus einem antifreimaurerischen Text von E. Delassus, der von der Katholischen Allianz veröffentlicht und verbreitet wurde), und nicht von Faà di Bruno:

Vielleicht jedoch liegt das Geheimnis von Francesco Faà di Bruno in seinem klaren Verständnis der Begriffe des "Problems der gegenwärtigen Stunde". Er verstand ganz klar, daß die antichristliche Revolution "eine universale, eine einzige, eine totale, eine beherrschende" ist, daß sie sich "von der Natur der Dinge her auf alle Fähigkeiten der Seele ausdehnt, auf jedes Gebiet der Kultur".(Massimo Introvigne in Cristianità, April 1979)
Massimo Introvigne schloß sich der KA an, als er sehr jung war, nach einer kurzen Periode in der monarchistischen Jugendfront. In seinem Lebenslauf sagt er, er habe "an der Gregorianischen Universität in Rom studiert" (dieser Hinweis ist im allgemeinen aus seinen neueren Schriften gestrichen); tatsächlich tat er das als Seminarist (Sodalitium, Nr. 35, Okt.-Nov. 1993), wo er regelmäßig für die rechte Wochenzeitung Il Borghese schrieb -- unter dem Pseudonym Lo Svizzero, der "Schweizergardist", der den Papst vor der damals sehr in Mode gekommenen Befreiungstheologie bewahrt.

Trotz dieser Verteidigung des Papstes flirtete die ganze Bewegung der KA einschließlich dem jungen Introvigne lange mit Monsignore Lefèbvres Bruderschaft des heiligen Pius X; am EcôneSeminar war er ein hochgeschätzter Redner.

Ein früherer Seminarist schildert seine Erinnerung an den jungen Introvigne sehr anschaulich, wie er in wallender Soutane mit einem Kollegen Priesterthemen erörtert.

Eine Photographie in L'Europeo (Juni 1977) zeigt den jungen Introvigne, nicht im Gewand und bevor er eine Stirnglatze bekam, aber mit demselben intensiven Ausdruck in seinen Augen, wie er so nah wie möglich bei Monsignore Lefèbvre bei einer großen Zusammenkunft katholischer Traditionalisten in der römischen Villa der Familie Pallavicini steht; ein Ereignis, das der Generalvikar für Rom, Kardinal Ugo Poletti, auf den Seiten von L'Osservatore Romano als "Episode" brandmarkt, "die man besser vergessen sollte".

Als Lefèbvre exkommuniziert wurde, schätzte die KA die Lage sehr schnell ein und optierte für eine Unterstützung des Vatikans.

Introvigne wurde der KA-Experte für "Moralphilosophie", womit ein in die Tiefe gehendes Studium der sich ändernden sexuellen Sitten und der Pornographie gemeint ist, seinem bevorzugten Interesse, ehe er sich dem Satanismus zuwandte (das zusammen mit Vampiren wohl das Thema ist, mit dem sich Introvigne am tiefsten beschäftigt).

In jenen frühen Tagen war es Introvignes Hauptanliegen, den Leuten zu verbieten, von ihrer persönlichen Freiheit Gebrauch zu machen und Drogen zu gebrauchen oder pornographisches Material zu lesen. Zum Beispiel erzählt Introvigne in einem Artikel in Cristianità (April 1978) unter dem Titel "Un aspetto della guerra sovversiva: la rivoluzione della droga e la 'filosofia chimica'" dem Leser, daß Drogen der nächste Schritt der Revolution seien, "über den Kommunismus hinaus und nach ihm". Drogen seien Teil der Theorie Mao Tse-Tungs, daß "jedermann ein Ziel des revolutionären Krieges" sei und "in das von Prof. Corrêa de Oliveira in seinem Werk Rivoluzione e Contro-Rivoluzione vorgeschlagene Schema passe." Um "linee di una resistenza e di una contro-rivoluzione" zu errichten, müßten die Gesetze schärfer gefaßt werden:

Aus juristischer Sicht kann man die Falle ausmachen, die in permissiven Gesetzen verborgen ist, und auf die weitere Spitzfindigkeit erwidern, gemäß der ein Drogensüchtiger angeblich niemandem schade und es daher "unfair" sei, ihm die "Freiheit zu verweigern, Drogen zu nehmen", und man kann beweisen, wie diese Aussage nicht nur unmoralisch ist (da in einer Ordnung, die das Naturgesetz respektiert, niemand das Recht hat, einen Versuch gegen das Leben zu unternehmen, egal ob das eigene oder das eines anderen), sondern daß es von den Tatsachen her gesehen auch radikal falsch ist, weil es nicht nur falsch ist zu sagen, wer Drogen mißbrauche, "schädige niemand anderen", sondern weil Drogensüchtige aus kriminalistischer Sicht auch hoch gefährlich sind und viele unterschiedliche Verbrechen begehen.
Was immer man auch von dieser Meinung halten mag, sie wirft ein interessantes Bild auf Introvignes spätere Karriere. Erstens ist die Erklärung des sozialen Phänomens der Drogensucht nicht soziologisch (die Rolle der Konsumgesellschaft bei der Verbreitung der Sucht wird nicht erwähnt), sondern theologisch-politisch (einige reden vielleicht von einer Verschwörungstheorie), dann ist der Zweck seiner Untersuchung kein akademischer, sondern ein "konterrevolutionärer", und zieht als solcher nicht einmal mögliche Einwände in Betracht (so mögen z.B. von Drogensüchtigen verübte Verbrechen begangen werden, weil Drogen illegal sind), und schließlich schlägt Introvigne eine schärfere Gesetzgebung gegen das vor, wovon Liberale glauben, es sei eine "Privatangelegenheit" -- wobei er allerdings auch eine "konterrevolutionäre soziale Restauration" als einzige Lösung des Problems nahelegt.

Introvigne, der Universalexperte

Eigentlich hat Introvigne eine einzigartige Vergangenheit als Experte für alles. 1984 schrieb er ein faszinierendes kleines Buch mit dem Titel Le domande dell'uomo, "Menschheitsfragen", mit den entsprechenden Antworten. Die Kapitelüberschriften zeigen die Weite seines Sachverstandes:

I Die Person

II Erkenntnis

III Wissenschaft

IV Kultur

V Arbeit

VI Kunst

VII Sozialleben

VIII Liebe

IX Gesellschaft und Politik

Dieses maschinengeschriebene Büchlein, auf dem Umschlag St. Georg, wie er den Drachen tötet, zeigt die Armut der Organisation, ehe sie die Goldmine "Neue religiöse Bewegungen" entdeckte, und ist ein "Arbeitsmittel" für Kämpfer der Katholischen Allianz; es belehrt "Jungen und Mädchen im Alter von fünfzehn bis zweiundzwanzig, die erstmals an die Katholische Allianz und ihr Umfeld herantreten".

Das Buch soll nicht vor dem Endverwender "laut vorgelesen werden"; die Übungsleiter sollen es vielmehr vor den Übungsstunden lesen. Das Buch geht Schritt für Schritt darin voran, Auszubildende zu Kämpfern zu machen, ausdrücklich durch Zitieren aus dem Zusammenhang heraus:

Die Art der Sprache, die hier verwendet wird, ist ein Versuch, den tolerierbareren unter den Werken so nahe wie möglich zu kommen, die gegenwärtig bei jungen Menschen Anklang finden; die zitierten Autoren sind oft (wie es z.B. bei Péguy, Bernanos, Simone Weil der Fall ist) Personen, die sich unter der katholischen Jugend eines gewissen Ruhmes erfreuen, und sie werden hier in einer Weise zitiert, die mit der Bedeutung [unseres] Textes zusammenfällt, obwohl man über ihre Denkweise viele Einwände erheben könnte []. Die letzten Kapitel jedoch führen ganz allmählich eindeutigere Hinweise auf die Soziallehre der Kirche ein und eine ausdrückliche Kritik an Liberalismus, Sozialismus und Kommunismus []. Aus politischer und sozialer Sicht jedoch liefern die letzten Seiten dieses Buches bereits einige Schlußfolgerungen, die ein erster Schritt sein können, die Jugendlichen später zu Texten hinzuführen, die für die Katholische Allianz typischer sind. (Massimo Introvigne, "Le domande dell'uomo -- presentazione ai militanti di Alleanza Cattolica", in Le domande dell'Uomo, 1984)
Man kann gut verstehen, wie Introvigne vielleicht eine gewisse Sympathie für Indoktrinationsmethoden der Sekten empfindet. Verständlich hierbei, daß "es nicht ratsam ist, diesen Text vor dem Ende des Seminars dem Zuhörer auszuhändigen". Es ist auch klar, daß die KA den jungen Introvigne als am besten geeignet ansah, die Ideologie der Organisation zu formulieren.

Introvigne hatte, bevor er CESNUR gründete, ganz klare Vorstellungen von den rein ideologischen Absichten hinter seinen Bemühungen, die alle auf die "konterrevolutionären" Ideen von Plinio Corrêa de Oliveira, zurückgingen:

Dr. Massimo Introvigne von der Katholischen Allianz untersuchte die Beziehung zwischen Abtreibungen und der sexuellen Revolution, die als der aggressivste und offenkundigste Aspekt der postkommunistischen Phase des revolutionären Prozesses zu sehen ist, den Prof. Corrêa de Oliveira die Vierte Revolution nennt und den man anhand des Schemas analysieren kann, das derselbe Corrêa de Oliveira in seinem Buch Revolution und Konterrevolution vorschlägt: eine Revolution der Taten, Vorstellungen, Trends. Das durch die sexuelle Revolution aufgeworfene Problem endet nicht mit Taten, da die Epidemie der Pornographie und Abtreibung von wahren untori verbreitet wird [imaginären Figuren in Manzonis Roman I promessi sposi, die der Verbreitung der Pest beschuldigt werden], die diese Schreckensdinge propagieren. Warum tun sie das? Introvigne hat versucht, darauf eine Antwort zu geben, indem er ihre Vorbilder betrachtete: die großen Verleugner der Moral -- Marx, Freud, Nietzsche --, die die Wiederentdeckung von de Sade vorbereiteten; und de Sade führte eine neue Gnosis ein, die den Sex als Werkzeug identifiziert für den Rückweg aus der bösen Endlichkeit der Individualität zum ursprünglich unklaren Einen. Nur eine von der Fortpflanzung losgelöste abtreibungswillige Sexualität kann das Werkzeug für dieses gnostische Vorgehen sein; wohingegen der Gnostiker die Fortpflanzung haßt -- sie wird durch die Abtreibung geleugnet, da Geburt mit Niedergang einhergeht, jedesmal, wenn sie das Drama der Geburt der Individualität erneuert. Die moderne Welt, so Introvigne weiter, organisiert den Konterasketizisms der sexuellen Revolution in Schritten, die wir erkennen können als Pornographie (als gräßliche Initiation für alles), Pornologie (Wissenschaft der pansexuellen Initiation) und Pornokratie, einer Machtergreifung durch die Priester des Sex. (Cristianità, Mai 1980, Seite 4)
Ein Soziologe hätte die veränderten sexuellen Gewohnheiten wahrscheinlich solchen Elementen wie wissenschaftlichen Innovationen zugeschrieben, die zum Gebrauch der Antibabypille führten oder zum Zusammenbruch der auf die Familie gegründeten wirtschaftlichen Unternehmungen; aber Soziologie gehörte ja nun mal nicht zu seinem Universitätsstudium, und er spricht lieber von einer "pornokratischen Machtergreifung" durch gnostische Sexpriester, offenbar eine frühe Verkörperung seines gegenwärtigen Feindes, der "internationalen Antisektenbewegung".

Die Katholische Allianz, obwohl plötzlich "liberal" geworden, soweit es totalitäre Sekten betrifft, hat ihre Meinung zur Unterdrückung persönlicher "Abweichungen" nicht geändert. Cristianità zitiert, nachdem ein Artikel Introvignes im selben Ton erwähnt wurde (in Cristianità&Cedille; Nov.-Dez. 1986), in voller Länge ein Dokument der Glaubenskongregation. Beispielsweise haben Homosexuelle ein Recht auf Arbeit und Wohnung, aber:

Solche Rechte sind nicht absolut. Sie können mit Recht aufgrund eines Verhaltens in der Öffentlichkeit eingeschränkt werden, das objektiv zügellos ist. Manchmal ist das nicht nur legal, sondern auch verbindlich, und es wird nicht nur in Fällen von strafbarem Verhalten notwendig sein, sondern auch im Falle von Personen, die körperlich oder seelisch krank sind. Es ist daher anerkannt, daß der Staat vielleicht die Ausübung von Rechten einschränkt, beispielsweise im Falle von ansteckenden oder geistig kranken Menschen, um das öffentliche Wohl zu schützen [] Es gibt kein Recht auf Homosexualität, und dies darf daher keine Grundlage für rechtliche Ansprüche sein. ("Alcune considerazioni concernenti la risposta a proposte di legge sulla non-discriminazione delle persone omosessuali", Cristianità, Nr. 209- 210, Sept.-Okt. 1992)
Dies ist ein reguläres Dokument des Vatikans, das uns hier nur deshalb interessiert, weil die Katholische Allianz es in voller Länge als Beispiel für die Notwendigkeit einer gewissen Unterdrückung persönlichen Verhaltens zitiert.

In derselben Ausgabe der Zeitschrift ist ein Bild zu sehen, auf dem Introvigne vor einem Grabmal in Ecuador steht:

In der Kathedrale von Quito erwies Doktor Massimo Introvigne im Namen der Katholischen Allianz dem Grab von Gabriel García Moreno seine Ehre, dem 1875 ermordeten Märtyrerpräsidenten von Ecuador, dem Opfer von Sektenhaß, das seine ausdrückliche Hingabe als katholischer Politiker nicht behaupten konnte.
Auch wenn García Morenos Attentäter vielleicht "Sektierer" waren (d.h. Freimaurer), war Introvigne in Ecuador, um auf einer Konferenz über "Neue religiöse Bewegungen in Lateinamerika" gegen das Bestehen von "Sekten" zu sprechen.

Welche persönlichen Beweggründe auch immer hinter diesen Interessen stehen mögen, so hängen Sex und Sekten beide deutlich mit dem zusammen, was der rechte Denker Plinio Corrêa de Oliveira (wie wir sehen werden, der Inspirator der "Soziologie" von Introvigne) die "Vierte Revolution" nennt (die erste war die Renaissance, die zweite die Reformation, die dritte der Kommunismus), Satans Schlußangriff auf die katholische Zivilisation.


Wann Introvigne "Sekten" haßte und "Abtrünnige" mochte

Ende 1985 änderte die Katholische Allianz ihre Ansicht über Sekten radikal. Schon schwieriger auszumachen ist, wann Introvigne dies ebenfalls tat -- aus dem einfachen Grunde, weil Introvigne dieses Thema vor jenem Jahr kaum anfaßte. Wir haben jedoch gesehen, daß die Katholische Allianz und Introvigne praktisch gleichbedeutend sind: Die gegenwärtige Linie der KA zu "Abtrünnigen" und der Gebrauch des Wortes "setta" (Sekte) sind heute identisch mit derjenigen Introvignes, und keine Schrift Introvignes vor 1985 zeigt in irgendeinem Thema, mit dem er sich damals befaßte, auch nur die geringste Abweichung von der Parteilinie. Deshalb glaube ich, wir können heutige Schriften Introvignes zu diesem Thema problemlos mit denen von KA-Autoren vor 1985 vergleichen. Jedenfalls gibt es einen Artikel von Introvigne selbst, der vor der großen Änderung in der Mitte der 80er Jahre geschrieben wurde. Im Jahre 1985 verfaßte er einen seiner ersten Aufsätze über eine Gruppe, die er ganz eindeutig nicht eine "neue religiöse Bewegung" genannt hätte, die Zeugen Jehovas. (I Testimoni di Geova: un profetismo gnostico in Quaderni di Cristianità, Frühjahr 1985, Seite 20 ff.). Der Eingangsabsatz dieses neunzehnseitigen Artikels spricht für sich selbst:
Ein privilegierter Zeuge: Raymond Franz. Literatur über Jehovas Zeugen beinhaltet bereits die oftmals besorgniserregenden Berichte von Personen, die diese Sekte [setta] verlassen haben, um sich der katholischen Kirche anzuschließen, wie Günther Pape, oder einer protestantischen Gruppe, wie William J. Schnell, George Terry, Richard Cotton, John Bevins oder William Cetnar. Das Buch Der Gewissenskonflikt von Raymond Franz, 1983 in den Vereinigten Staaten veröffentlicht, bietet jedoch erstmalig den Erlebnisbericht eines Mitgliedes der leitenden Körperschaft, der, nachdem er diesem Gremium angehörte -- der höchsten Führung der Zeugen Jehovas, als Kommunikationskanal zwischen Gott und seinem Volk angesehen --, die Organisation verließ und eine kritische Haltung gegenüber der Sekte [setta] einnahm.
Das Wort "setta" (wie das ziemlich beleidigende "protestantico") kommt im folgenden Absatz noch zweimal vor und viele Male im weiteren Text. Auf der folgenden Seite (Seite 21) wußte Introvigne etwas Freundliches zu sagen über etwas, das er später zweifellos als "Greuelgeschichte" oder "professionellen Feind" etikettiert hätte:
Deshalb trat Raymond Franz am 22. Mai 1980 von seinem Posten in der leitenden Körperschaft zurück, der er neun Jahre lang angehört hatte, und entdeckte, daß er ein neues Leben beginnen mußte, ohne persönliche Erfahrung oder akademischen Grad, weil er sein ganzes früheres Leben der Vollzeittätigkeit als Jehovas Zeuge gewidmet hatte.
Auf Seite 22 können wir sogar das Folgende lesen:
Die persönlichen Ereignisse im Leben von Raymond Franz haben ein Interesse, das über den Einzelfall des Autors von Der Gewissenskonflikt hinausgeht, weil sie den Sektengeist [spirito di setta] zum Vorschein bringen, der die gesamte Organisation der Zeugen Jehovas durchzieht und sie dazu antreibt, systematisch und heftig gegen jeden Abweichler in ihren Reihen loszuschlagen, ohne die Notwendigkeit zu empfinden, Argumente oder Erklärungen zu liefern. Er hat sicherlich eine parteiliche Sicht; doch auf der Grundlage der Dokumente, die er vorlegt, wird jeder Leser, der etwas von Recht versteht, es schwer finden, nicht zu demselben Schluß zu kommen, "daß die Ankläger das Recht auf ihrer Seite haben und der Beschuldigte überhaupt keine Rechte hat.
Introvigne sagt uns, was es mit dem "Sektengeist" (spirito di setta) auf sich hat:
Im Gegenteil, das Recht und das Gerichtssystem innerhalb der Organisation der Zeugen Jehovas zeigen den Sektengeist in seiner typischsten Ausprägung, der darin besteht, sich zu weigern, den Mitgliedern Erklärungen zu geben und ihnen Entscheidungen aufzuerlegen, die keine vernünftigen Beweggründe haben und für die auch nicht vernünftig argumentiert wird. (Seite 23)
Sektengeist und Totalitarismus gehen Hand in Hand; Introvigne vergleicht die Zeugen Jehovas mit dem Kommunismus und dem Nationalsozialismus:
Gnostischer Totalitarismus -- wie die Organisation, die Raymond Franz als Insider beschreibt, ihn zeigt -- erscheint nicht weniger klar in der Sekte [setta] der Zeugen Jehovas, deren Struktur ein Lehrstück und Vorbild einer totalitären Organisation ist, gegründet auf dem Glauben an ein Tausendjahrreich, und die den Anspruch erhebt, an Zahl zuzunehmen und sich selbst der Welt aufzudrängen, indem sich die Zahl ihrer "Bekehrten" ständig vermehrt. (Seite 38)
Wir sahen bereits, was Introvigne heute über "Abtrünnige" zu sagen hat. Neun Jahre später schrieb Introvigne in der rechten Tageszeitung Il Secolo d'Italia (Massimo Introvigne, "I nuovi movimenti religiosi", Secolo d'Italia, 22. November 1996):
Wegen der völlig abstoßenden Bedeutung, die das Wort "Sekte" [setta] angenommen hat, als Synonym für eine sozial gefährliche Gruppe in den Augen der Öffentlichkeit, haben es wissenschaftliche Untersuchungen zu diesem Thema großenteils fallengelassen und durch den neutraleren Begriff "neue religiöse Bewegung" und "neue Religion" ersetzt.
Introvigne hat natürlich völlig recht über die Gefahren eines losen Gebrauchs des Begriffs: in ihren Tagen vor CESNUR pflegte Cristianità von "la setta comunista" oder sogar von "la setta abortista" zu sprechen.

Ebenso wie in der neueren Version war der frühe Herr Introvigne nicht getrennt von seiner Organisation tätig. Nicht lange vor Introvignes Angriff auf die "Jehovasekte" widmete die Ausgabe von März-April 1984 der Zeitschrift Cristianità eine ganze Seite einer "auch von der Katholischen Allianz geförderten" Zusammenkunft über "Das Auftreten einer Sekte [settaria] in Sizilien: Jehovismus", abgehalten in Palermo. Natürlich war Introvigne, noch kein Experte auf diesem Gebiet, nicht unter den Rednern. "Abtrünnige" spielten eine führende Rolle bei dem Treffen:

Zeugnisse des Schmerzes so vieler Opfer des Jehovismus und ein Gefühl der Befreiung, weil sie die Jehovisten-Organisation verlassen hatten, wurden von drei ehemaligen Mitgliedern der Sekte [setta] zum Ausdruck gebracht, die ihre eigene Geschichte schilderten und zeigten, daß es immer die Schwächsten sind, die in die Falle psychologischer Beeinflussung fallen, eines neuen Manichäismus und Haßgefühlen gegenüber all jenen, die nicht eingeweiht sind oder es nicht werden können. ("Una presenza settaria in Sicilia: il geovismo", in Cristianità, März-April 1984, Seite 8)
Bei einer weiteren Konferenz (wiederum wird Introvigne nicht unter den Rednern aufgeführt), die im Jahre 1993 stattfand und die "von der Verbreitung der Sekte" handelte, wies die Katholische Allianz darauf hin, wie Jehovas Zeugen ihre Theologie für Zwecke praktischer Ausbeutung benutzen:
Ein interessantes Merkmal der "Praktik" der Zeugen Jehovas ist, wie sie es fertigbringen, ihre Propagandaoperationen zu finanzieren: Auf dem Grundsatz aufgebaut, daß der Anhänger völlig der Gemeinschaft gehört, ist es ihnen gelungen, ein Verlagsunternehmen zu errichten, das mit praktisch unbezahlter Arbeit rechnen kann, was einige offensichtliche Vorteile in bezug auf den Profit hat! ("Un convegno di studi sul geovismo", in Cristianità, April 1983, Seite 12)
Am 25. April 1985 organisierte die KA, wie Cristianità stolz unter der üblichen Überschrift "Der gute Kampf" ausführt (Cristianità, Mai 1985, Nr. 121, Seite 13), ein Treffen in Matera über "Katholische Wahrheit und Jehovistensekte" (Verità cattolica e la setta geovista). Unter den Rednern war Ernesto Zucchini, der später mit CESNUR zu tun hatte, aber auch:
Die Berichte zweier ehemaliger Mitglieder der Sekte [setta]: Dr. Achille Aveta, der vor einigen Jahren Jehovas Zeugen verließ, eine Organisation, der er seit seiner Kindheit angehört hatte, und der die Fälschungen der Lehre und das totalitäre Wesen des Jehovistengebäudes anprangerte, und Dr. Walter Palmieri, dessen Rede die Probleme derer auf dem Weg zurück zur katholischen Wahrheit aufzeigte -- und es gibt viele --, die die Sekte [setta] verlassen.
Nachmittags berührte ein Juraprofessor ein Thema, das Introvigne nur wenige Jahre später als Tabu empfinden würde: die rechtlichen Aspekte der Regeln der Zeugen Jehovas.

In der Cristianità-Ausgabe von Juni-Juli 1985 geht es um ein weiteres Treffen der KA, diesmal über Satanskulte ("Il demoniaco luogo teologico, fenomeno sociale, categoria storica", in Turin, 11. Juni 1985; obwohl Introvigne in Turin lebt, wird er nicht in dem Artikel erwähnt).

Der Journalist Gianluigi Marianini stellte die Ergebnisse seiner Untersuchungen über die besorgniserregende Gegenwart von Satanisten in Turin vor [] und zeigte, wie eine zunehmende Zahl von Personen aus offensichtlich harmlosen Astrologenkreisen durch Magie und Spiritismus in Satanssekten [sette sataniche] geführt werden.
Jeder, der Introvignes Schriften liest, wird alle Merkmale der "Antisektenbewegung" in einem Absatz -- "sensationslüsterne Journalisten", "Verwirrung zwischen unterschiedlichen Arten neuer Religionen" und den "Mißbrauch des Begriffes Sekte" -- erkennen.

Introvigne, offenbar immer noch kein "Experte" in diesen Dingen, sprach auf keinem dieser Treffen.

Nur ein paar Jahre später konnte sich Introvigne stolz rühmen, daß er eines der wenigen Nichtmitglieder sei, das regelmäßig zu schwarzen Messen in Turin eingeladen werde (Maria Grazia Cutuli, "Il diavolo è fra noi", Epoca, 28.9.93).

Vielleicht zu recht verteidigte der Gelehrte Introvigne in den vergangenen Jahren die katholische pfingstlich-charismatische Gruppe Erneuerung im Geiste gegen den Vorwurf, eine Sekte zu sein (Cristianità, Nr. 269, Sept. 1997, Seite 9); doch in derselben Ausgabe dieser Zeitschrift hält der Gläubige Introvigne die Einführungsrede bei einem Kongreß derselben Organisation unter dem Titel "Wenn der Sohn des Menschen zurückkehrt, wird Er immer noch Glauben in der Welt finden?"

Damals, 1977, lagen die Dinge ganz anders, als die Maiausgabe von Cristianità dieser Gruppe einen Artikel widmete. Der Autor war natürlich noch nicht Introvigne, sondern Pellegrino Costa.

Die Anführungszeichen im Titel sagen alles: "'Katholische' Pfingstbewegung -- auf dem Weg zur 'Tribalisierung' der Kirche?" ("Tribalisierung" war ein indirekter Hinweis auf Plinio Corrêa de Oliveiras Vorstellung, die Kirche in Lateinamerika werde durch progressive Missionare "tribalisiert"). In typischer Weise beginnt der Aufsatz mit den Worten:

In der dritten italienischen Ausgabe des Essays Revolution und Konterrevolutionidentifiziert der Autor, Plinio Corrêa de Oliveira, die "katholische" Pfingstbewegung als eines der Symptome der Vierten Revolution innerhalb der Kirche.
Katholische Pfingstler werden mit einer langen Liste alter Ketzer verglichen und in die Nähe des US-Drogenkultes der 60er Jahre gerückt. Am Schluß sind sie dann teuflisch:
Dies ist, in Kürze, die Lehre der Pfingstler: die Vernunft der Kirche und ihre Leitung zurückzuweisen bedeutet jedoch, der Einbildung und satanischer Täuschung zum Opfer zu fallen, die es immer gibt. Thomas von Aquin lehrt, daß der Teufel auf die Vorstellungskraft und die äußeren Sinne eines Menschen einwirken kann, daß er dank der Auszeichnung seines engelhaften Wesens Wunder wirken und spürbare Zärtlichkeit und Süße einflößen kann, um unvorsichtige Seelen in die ewige Verdammnis zu führen. Die Pfingstbewegung mit ihren irrationalen Manifestationen und abergläubischen Riten begünstigt diese Einwirkung des Teufels auf ihre Anhänger ganz sicher. (Seite 7)
Ganz offensichtlich fand irgendwann zwischen 1985 und 1988 eine gewaltige Änderung im Denken Introvignes statt, als er bereits dieselben Verschwörungstheorien über die "Antisektenbewegung" zum Ausdruck brachte, an die er heute noch glaubt.

Als Introvignes Freunde zum "Deprogrammieren" kamen

Introvigne versucht oft, seinen Hauptpunkt zu beweisen -- daß keine rechtlichen Schritte gegen Sekten unternommen werden sollten --, indem er anführt, daß die italienischen Gerichte entschieden, daß das Gesetz gegen plagio, ungefähr "unpassender Einfluß", nicht angewandt werden könne, weil der Begriff zu allgemein sei. Tatsächlich bezieht sich einer von Introvignes Lieblings-witzen auf einen Druckfehler in dem Bericht des französischen Parlamentes über Sekten, wo statt plagio "piaggio" stand:
Der rechtliche Teil des Berichtes erwähnt, "daß es in Italien das Verbrechen des 'piaggio'" [sic], oder der Gehirnwäsche gebe. "Piaggio" ist eine bekannte italienische Motorradmarke. Das Verbrechen des plagio -- ähnlich der Gehirnwäsche -- wurde während des faschistischen Regimes geschaffen und wurde vor vielen Jahren -- 1981 -- durch das Verfassungsgericht aus dem Strafgesetzbuch entfernt, weil es nicht der italienischen Verfassung entspreche. (G. Cantoni, M. Introvigne, Libertà religiosa, 'sette' e 'diritto di persecuzione', ed. Cristianità, Piacenza, 1996, Seite 124)
Doch Introvigne läßt klugerweise die Geschichte aus, wie italienische Gerichte zu dieser Entscheidung kamen. Der Leser sollte beachten, daß diese Aussage Introvignes in einem Buch erscheint, dessen Koautor der "Regent" der KA ist und das von Cristianità veröffentlicht wurde; in Piacenza, einer sehr kleinen Stadt in Norditalien, in dem zufällig auch das Hauptbüro der KA liegt. Dieser Standort ist kein Zufall.

In den 1960er Jahren verfielen zwei junge Brüder in Piacenza der Anziehungskraft von Aldo Braibanti, einem selbsternannten Homosexuellen, Marxisten und Atheisten in einer Person.

Agostino Sanfratello, der ältere Bruder, wurde ein militanter Linker, wurde aber dann zum Militär einberufen Diese Lösung aus Braibantis Einfluß ließ ihn wahrscheinlich zu seinen eigenen Vorstellungen zurückkehren.

Giovanni, der andere Bruder, begann andererseits, mit Braibanti zusammenzuleben. Die besorgten Eltern stöberten zusammen mit Agostino den Ort auf, wo die beiden lebten. Sie packten Giovanni, setzten ihn in einen Sportwagen und sperrten ihn in einer psychiatrischen Klinik ein (2. November 1964).

Gerichtsunterlagen beziehen sich auf die Aussage eines der Kidnapper:

Es gelang uns, Giovanni die Stufen nach unten zu tragen Während der Fahrt bewegte sich Giovanni ständig und sagte: 'Vier gegen einen!' []. Braibanti bekam einen Nervenzusammenbruch und rief:'Giovanni, geh nicht!' Ich hielt Braibanti fest, und zu einem gewissen Zeitpunkt verlor er seine Brille. (Zitiert in Moravia, Eco, et. al., Sotto il nome di plagio, Bompiani, Mailand, 1969, Seite 45)
Das war, mit anderen Worten, eine klassische Deprogrammierung, wie Introvigne viele Jahre später kritisch über Deprogrammierungen schrieb:
'Deprogrammierer' kidnappen das Mitglied einer neuen Sekte im allgemeinen auf Anweisung der Eltern eines Mitglieds (und auf ihre Kosten: eine 'Deprogrammierung' kostet heute zwischen zwanzig und vierzig Millionen Lire), halten ihn an einem isolierten Ort fest und wenden eine Reihe von Methoden an -- von Lockmitteln über Drohungen manchmal bis zu physischer Gewalt --, bis die Person nachgibt und seiner Sektenzugehörigkeit abschwört. (Massimo Introvigne, I nuovi culti: dagli Hare Krishna alla Scientologia, Oscar Mondadori, Mailand, 1990, Seite 194)
Der Deprogrammierung folgte ein Gerichtsverfahren gegen Braibanti, beschuldigt des plagio, verurteilt durch ein Gericht aus Katholiken und Antikommunisten, sicherlich voller Vorurteile. Der Prozeß im Jahre 1968 war ein Moment großer Mobilisierung von Intellektuellen gegen das Gesetz.

Das Faszinierende an dem Fall ist, daß Agostino Sanfratello im Kielwasser des Prozesses die Katholische Allianz gründete -- eben jene Bewegung, deren Führer zu sein Introvigne so stolz ist, wurde im Anschluß an eine Deprogrammierungsepisode gegründet. Tatsächlich war das fast die einzige Deprogrammierung der italienischen Geschichte.

Während des Prozesses gegen Braibanti waren die Fronten sehr klar: auf der einen Seite konservative, antikommunistische Katholiken, auf der anderen Seite die sehr "weltlichen Humanisten". Introvigne bezieht Stellung für die Deprogrammierung.

Obwohl Sanfratello, der später aus der Organisation ausschied, für kurze Zeit Seminarist bei Lefèbvre war, befinden sich die nationalen Büros immer noch in Piacenza.


1600 offizielle Bindeglieder zwischen KA und CESNUR

Bei dem CESNUR-Kongreß in Foggia, Italien, am 6. März 1993 traten sieben Redner auf. Außer Kardinal Arinze und dem örtlichen Erzbischof waren alle anderen selbsternannte Mitglieder (eigentlich ist "Kämpfer" der am häufigsten verwendete Begriff) der KA -- Introvigne, Pater Ernesto Zucchini, Dr. Ermanno Pavesi, Pater Pietro Cantoni (ein ehemaliger Lefèbvre-Priester, der rechtzeitig die Seiten wechselte, um einer Exkommunikation zu entgehen) und sein Bruder Giovanni Cantoni, "Nationaler Regent" der KA.

Die Liste entstammt der Ausgabe der Cristianità von März-April 1993, einer fast monatlich erscheinenden Zeitschrift, die sich damals immer noch als "offizielle Zeitschrift" der KA bezeichnete.

An dieser Ausgabe ist nichts ungewöhnlich: fast dieselbe Zahl von Verweisen auf CESNUR und/oder Introvigne findet sich in jeder Ausgabe dieser Zeitschrift. So können wir diese Ausgabe als Muster nehmen und sehen, auf welche Verbindungen zwischen den beiden Organisationen hingewiesen wird.

Die Ausgabe enthält:

1. Zwei Seiten, jeder Absatz untergliedert durch den wütend dreinblickenden schwarzen Adler, das Symbol der KA, unterzeichnet von Introvigne und gewidmet einer Besprechung des Buches "Nuova religiosità e nuova evangelizzazione. Lettera pastorale".

2. Zwei unsignierte Seiten, diesmal jeder Abschnitt untergliedert durch das CESNUR-Symbol -- ein Mann, der mit zum Himmel erhobenen Armen auf einem Buch steht --, über den gerade erwähnten CESNUR-Kongreß. Übrigens dankte Giovanni Cantoni Mons. Giuseppe Casale, Erzbischof von Foggia, daß er "das Apostolat der KA auf dem Gebiet der Neuen Religionen erwähnt hatte". Es fällt schwer, nicht zu vermuten, daß dieses Apostolat in der Gründung von CESNUR bestand. Monsignore Casale war zu der Zeit Galionsfigur von CESNUR; später schied er stillschweigend aus.

3. Zwei weitere Seiten widmen sich einem Kongreß über "Freimaurertum, Katholiken und Kultur", abgehalten in Lecce und "organisiert von der Katholischen Allianz". Die Redner waren Alfredo Mantovano (oben erwähnt), "Direktor der Katholischen Allianz" in Puglia, Massimo Introvigne, Giovanni Cantoni, Elia Sgromo, "Direktor der Katholischen Allianz in Kalabrien", dessen Papier jedoch von Giancarlo Cerrelli verlesen wurde, "auch zur Katholischen Allianz gehörend".

Jede Ausgabe von Cristianità enthält mehrere Seiten mit dem bedeutsamen Titel "La buona battaglia" [Der gute Kampf]. Wir können uns willkürlich die Ausgabe von November-Dezember 1995 herausgreifen.

"Der gute Kampf" ist in mehrere Abschnitte aufgeteilt, es geht um Themen wie dem Kampf gegen Abtreibung, Kommunismus, Einwanderung aus der Dritten Welt usw. Es ist nicht eine Auflistung der Tätigkeiten anderer Organisationen, die die KA gutheißt; es ist eine Aufführung der eigenen Tätigkeiten der KA. Auf jeder Seite befindet sich eine Zeichnung, die ein Ideal der KA darzustellen scheint: ein junger Mann, den man von seiner Kleidung und seinem trübsinnigen Ausdruck her für einen Zeugen Jehovas halten könnte; er hält eine Fahne mit einem schwarzen Adler und den Worten "Katholische Allianz" in mittelalterlicher Schrift hoch.

Der längste Abschnitt in "Der gute Kampf" ist immer den "Neuen religiösen Bewegungen" gewidmet.

Wer bereits überzeugt ist, daß an der "persönlichen Verbindung" Introvignes zur KA etwas ungewöhnlich ist, der kann die folgende Liste der Tätigkeiten überspringen, die unter dieser Überschrift in der Ausgabe der Cristianità von November-Dezember 1995 enthalten ist. Wer es nicht ist, mag hier weiterlesen.

a) Eine Zusammenkunft in Mailand über den Millennarismus, organisiert vom Herausgeber "Gribaudi Editore und von der Katholischen Allianz", mit einer Rede von "Dr. Massimo Introvigne von der Katholischen Allianz".

b) Eine Ansprache in einer Gemeinde in der Nähe von Ravenna über neue Sekten, organisiert in "Zusammenarbeit mit CESNUR". Der Redner: "Massimo Martinucci von der Katholischen Allianz".

c) Vier Reden in Crotone von "Valter Maccantelli von der Katholischen Allianz".

d) Eine Rede über das Mormonentum von "Dr. Massimo Introvigne von der Katholischen Allianz" im weit entfernten Kanada; die Katholische Allianz behauptet, dies gehöre zu ihrer Tätigkeit.

e) Eine Rede über die Sonnentempler in Quebec von "Dr. Massimo Introvigne von der Katholischen Allianz".

f) Ein TV-Interview über Sekten von "Dr. Massimo Introvigne von der Katholischen Allianz".

g) Eine weitere Rede von "Valter Maccantelli von der Katholischen Allianz" nahe Ravenna.

h) Ein Seminar über "Neue Religionen", geleitet von "Valter Maccantelli von der Katholischen Allianz".

i) Noch eine Rede in der umtriebigen Gemeinde nahe Ravenna von "Stefano Crapella von der Katholischen Allianz".

k) Eine Rede in Washington von "Dr. Massimo Introvigne von der Katholischen Allianz".

l) Eine Rede in Mailand über Magie von "Valter Maccantelli von der Katholischen Allianz".

m) Eine Rede in Treviso von "Valter Maccantelli von der Katholischen Allianz".

n) Eine Rede von Pater Ernesto Zucchini (der so etwas wie ein offizieller Kaplan der KA ist) und "Valter Maccantelli von der Katholischen Allianz", diesmal am anderen Ende Italiens.

o) Eine Rede, "organisiert von der Katholischen Allianz", über "Neue Religionen". Die Redner sind Luca Calò, "Mitglied der organisierenden Vereinigung", und Pater Pietro Cantoni, von dem wir bereits hörten und der der andere offizielle Kaplan ist.

p) Eine Rede über Neue Religionen von "Prof. Alberto Maira von der Katholischen Allianz".

r) Eine Rede über New Age, gehalten von "Valter Maccantelli von der Katholischen Allianz".

Die anderen Stichworte über Freimaurerei sind ähnlich:

a) Eine Rede in Crotone, organisiert von der Diözese "in Zusammenarbeit mit der Katholischen Allianz". Der Redner? Richtig geraten: "Valter Maccantelli von der Katholischen Allianz".

b) Noch eine Rede in der genannten Gemeinde nahe Ravenna, organisiert "in Zusammenarbeit mit CESNUR" und gehalten von "PierLuigi Zoccatelli von der Katholischen Allianz". Zoccatelli schreibt auch für die CESNUR-Website. Seine Spezialität ist übrigens Hubbards Mentor, Aleister Crowley.

c) Schließlich eine Rede nahe Verona von "Valter Maccantelli von der Katholischen Allianz".

Beginnend mit der Ausgabe von Juni 1998, gab es einen faszinierenden Zusatz, wo "Der gute Kampf" eine neue Überschrift bereitstellt, "Vampire". Es werden die Tätigkeiten von "Massimo Introvigne" aufgeführt, "von der Katholischen Allianz, Direktor von CESNUR, dem Studienzentrum für Neue Religionen, und Präsident der italienischen Sektion der Transsylvanischen Gesellschaft für Dracula". Besonders interessant ist der Titel einer seiner Reden: "Ein niemals endender Durst: vor und nach Dracula".

Der eben genannte PierLuigi Zoccatelli ist auch Direktor der Zeitschrift Regina Libani Informazioni, "Bulletin der Kommission Regina Libani der Katholischen Allianz für Informationen über die Lage im Libanon, dem Mittleren Osten und der islamischen Welt", die verschiedene extremistische christliche libanesische und antiislamische Organisationen unterstützt.

Ich habe nicht vor, hier einseitig zu werden; deshalb muß ich eine paar Worte fallen lassen, um zwei übliche Vorstellungen in Italien über PierLuigi Zoccatelli zu zerstreuen, der so etwas wie Introvignes rechte Hand ist (überraschend, daß er auch noch die Stimme seines Herrn imitiert).

Das Gerücht, er sei praktizierender Satanist, stimmt nicht; es ist auf einen Irrtum zurückzuführen: Vor ein paar Jahren pflasterte PierLuigi die Straßen von Verona mit Plakaten, aufgemacht im typischen Stil italienischer Todesanzeigen, die einfach ankündigten: "Rosemarys Baby ist geboren"; tatsächlich eine Ankündigung für ein Konzert von PierLuigis Lieblings-Rockgruppe, "Crowleyite Temple of Psychick Youth". Leider glaubten die örtlichen Medien, diese Plakate kündigten die Gründung einer neuen Gruppe von Satanisten in Verona an.

Er ist auch kein Verwandter von Palmarino Zoccatelli, Kämpfer einer anderen TFP-Zweigorganisation, die gegenwärtig unter Beobachtung eines Richters aus Verona steht, weil sie für "rassistische Ideen eintritt".

Eine letzte Anmerkung. Jede Ausgabe von Cristianità enthält auf der zweiten Seite eine Bücherliste mit dem Titel "Die Schlacht der Vorstellungen". Ja, "la battaglia delle idee". Von 58 für Ideenkämpfer vorgeschlagenen Büchern sind zwanzig von Introvigne geschrieben oder herausgegeben.

In Anbetracht der Tatsache, daß CESNUR vor zehn Jahren gegründet wurde und Cristianitàungefähr achtmal im Jahr erscheint, bedeutet dies, daß etwa achtzig Ausgaben von Cristianità mehr oder weniger dasselbe Maß an Belegen für eine Verbindung zwischen CESNUR und der KA enthalten.

Diese einzelne Ausgabe enthielt mehr als 20 ganz offizielle Verbindungen zwischen beiden Organisationen; und 20 x 80 = 1600. Obwohl Mathematik kaum die richtige Methode ist, solche Dinge zu behandeln, mag man sich mit gutem Recht vorstellen, daß dies 1600 weitere ganz offizielle Verbindungen als nur die "persönlichen Verbindungen" sind, die Introvigne zugibt.


Katholische Allianz und "Tradition, Familie und Besitz"

Um zu verstehen, warum Introvigne und die KA etwa gegen Ende 1985 eine 180-Grad-Kehrtwendung bei Sektenthemen machten und warum der erstere plötzlich seine Berufung als "Soziologe" und "Fachmann für Neue religiöse Bewegungen" verspürte, bedarf es einer ausführlichen Erklärung.

Was ist "der gute Kampf" von Allianz-CESNUR? Was sind die Vorstellungen, für die die jungen Männer in Krawatte und Anzug ihre Fahnen schwenken?

Die Selbstbeschreibung der KA auf der eigenen Homepage ist eine elegante Kombination von sanfter (und komplizierter) Sprache und unnachgiebigen Inhalten.

Sie fordert eine "positive und apologetische, und damit auch polemische, Propagierung und Verankerung der Soziallehre der Kirche, die Anwendung des ewigen natürlichen und christlichen Moralsystems auf sich wandelnde historische Umstände. Ihre Aktion liegt auf dem Felde der christlichen Einrichtung der zeitlichen Ordnung, sie ist bewogen von politischer Wohltätigkeit".

Nun ist Introvigne entweder ein schlechtes Mitglied der KA (was das offizielle Organ aber bestimmt nicht sagt), oder CESNUR besteht, um "politische Wohltätigkeit" zu üben und, wie die Website weiter sagt, "eine Zivilisation [aufzubauen], die wahrhaft christlich genannt werden kann, da sie die göttlichen Rechte achtet und bewußt innerhalb der Grenzen lebt, die durch die Lehre und die Moralgesetze der Kirche aufgestellt sind".

Die Hoffnung auf eine geschichtliche Verankerung einer solchen Zivilisation wird durch die Verheißung der Jungfrau Maria in Fatima gestützt: "Am Ende wird mein unbeflecktes Herz siegen".

Die Sprache ist stark, aber das ist auch der Inhalt: Wir reden nicht davon, daß einzelne innerhalb des Rahmens leben, der durch die christliche "Lehre und Moralgesetze" festgelegt ist. Wir reden von einer ganzen Gesellschaft, die vom kanonischen Recht regiert wird. Und das scheint ein Traum für die nahe Zukunft zu sein; dank der Hilfe der Jungfrau Maria, eine neue "Zivilisation" zu errichten.

In der Zwischenzeit wartet die KA darauf, die Gesellschaft in den "Rahmen" einer neuen Zivilisation zu setzen und schenkt besondere Beachtung dem Kampf gegen "jene Kräfte, die auf die Umkehr der Zehn Gebote und die Verankerung lehrmäßiger und moralischer Lügen abzielen -- mit besonderem Verweis auf den historischen Prozeß, der von der Krise der Renaissance und der protestantischen Reformation bis zum Sozialkommunismus und darüber hinausgeht, d.h. die Revolution, die anstelle Gottes und seines Gesetzes inthronisiert werden möchte".

Mit anderen Worten, die Feinde der KA (und CESNUR) reichen von Michelangelo bis Luther, Marx und "darüber hinaus".

Was immer man auch von der Ideologie der Katholischen Allianz halten mag, sie ist keinesfalls eine Sekte. Sie hat keine charismatische Führung, und ihren 200-300 Mitglieder steht es frei, eigene Untersuchungen und persönliche Karrieren zu verfolgen. Die eigenen Meinungen innerhalb der Gruppe variieren -- natürlich innerhalb eines festgesetzten Rahmens. Keine hochgesteckten Forderungen an Geld oder Zeit werden an die Mitglieder erhoben, und wer die Organisation verläßt, gerät in keiner Weise in eine Opferrolle. Auch wenn ihrer Führung der Vergleich wohl nicht gefällt, ist sie der Freimaurerei nicht unähnlich -- etwas heimlichtuerisch, aber im Grunde genommen ein Zusammenschluß freier, mit der Sache einverstandener erwachsener Menschen.

Die KA wurde im Gefolge des Deprogrammierungsfalles Sanfratello-Braibanti gegründet. Doch der Grund, warum sie so wuchs, war weit wichtiger: das dramatische Leiden vieler Katholiken, deren ganzes Weltbild durch das 2. Vatikanische Konzil erschüttert wurde.

Zumindest seit der Gegenreformation war die katholische Erklärung der Wirklichkeit recht eindeutig: Alle Nachkommen Adams waren der Erbsünde verfallen, ob dies nun unvermeidlich zur Verdammnis führte oder nicht; nur das Opfer Jesu am Kreuz eröffnete die Möglichkeit der Erlösung durch von rechtmäßig ordinierten Priestern richtig gespendete Sakramente. Liberale Kritiker werden wahrscheinlich nur die reaktionären politischen Vorstellungen der Organisation wahrnehmen, doch der theologische und sakramentale Aspekt war wahrscheinlich noch bedeutsamer: die Ökumene und die Reform der Liturgie, oft von eben jenen Autoritäten rücksichtslos durchgedrückt, von denen Traditionalisten erwarteten, daß sie doch eigentlich das Erbe der Kirche bewahren sollten, erschütterten die Grundlagen des Lebenssinns vieler Menschen, die sich in einer ähnlichen Situation wiederfanden wie die amerikanischen Ureinwohner, als die Büffel von ihren Prärien verschwanden.

Wenn die Welt zusammenbricht, sind eine Erklärung und ein Hoffnungsstrahl notwendig, um den völligen seelischen Zusammenbruch zu verhindern. "Konterrevolutionäre" Theorien wie der Geistertanz der amerikanischen Ureinwohner oder die Erwartung des Messias bei den Juden nach dem Verlust der politischen Unabhängigkeit sorgten für beides.

"Konterrevolutionäre" Theorien, die bis auf die Französische Revolution zurückgehen, liefern eine Erklärung der Welt in ihrer fortschreitenden Dekadenz und Auflösung, die zu einer noch dramatischeren Krise führen. Die göttliche Ordnung der Welt wird immer mehr zu globaler Verwirrung und zum Zusammenbruch -- und dann folgt das Nichts: Ein Goldenes Zeitalter in ferner Vergangenheit, wo Mensch, Natur und Gott (oder die Götter -- konterrevolutionäres Denken ist oft "neuheidnisch") in Harmonie miteinander lebten, wie ein großes Sinfonieorchester, findet sein Gegenstück in der einsamen Verzweiflung von Internet-Fans, die sich ihren Weg durch alles oder nichts klicken.

Das heißt, daß jede "revolutionäre" Bewegung als Feind anzusehen ist, was natürlich eine attraktivere Vorstellung für die Mittelklasse ist als für Fabrikarbeiter. Es wäre jedoch verkehrt, dies nur als einen Spiegel von Klasseninteressen zu sehen: Echte politische Interessen brauchen Optimismus und Flexibilität, und nur wenige mächtige Geschäftsleute in Europa vergeuden ihre Zeit damit, pessimistische und extremistische Konterrevolutionäre zu finanzieren; reaktionäre Interessen und reaktionärer Idealismus sind keinesfalls gleichbedeutend. Tatsächlich lassen sich ähnliche Haltungen wie der Gegensatz von "Ordnung" und "Chaos" in ganz unterschiedlichen Umgebungen finden, von der optimistischen Freimaurerei und den noch romantischeren Aspekten des Kommunismus bis hin zu Jehovas Zeugen.

Ganz anders sieht die Sache jedoch in Lateinamerika aus, wo der alte "Landadel" schon seit Jahrhunderten die religiöse Vollmacht für sein Recht beansprucht, die Arbeit von Menschen auszubeuten, die, wie sie glauben, von Gott erschaffen wurden, um ihnen untertan zu sein. In diesem abgelegenen Winkel der Erde gehen reaktionäre Interessen und reaktionärer Idealismus Hand in Hand. Und die KA-Ideologie -- oder Introvignes Ideologie -- kommt direkt aus Lateinamerika.


"Doktor Plinio" und sein "konterrevolutionäres Magisterium"

Obwohl die Website der KA dies nicht erwähnt, sind ihre Ideen keineswegs originell. Sie gründen sich auf das "konterrevolutionäre Magisterium" von Plinio Corrêa de Oliveira, einem brasilianischen Professor, der eine Organisation gründete, die den Anspruch erhebt, die "wahre" Rechte zu sein, genannt "Tradizione Famiglia e Proprietà" [Tradition, Familie und Besitz] (T.F.P), gegründet im Zusammenhang mit dem Kampf der Landbesitzer gegen Agrarreformen, doch auch mit dem anspruchsvolleren Ziel, die "Revolution" zu zerstören und eine universale christliche Monarchie zu errichten.

In Costas-Gavras Film über das Kidnapping eines US-Diplomaten in Montevideo kidnappen die Tupamaros auch den brasilianischen Konsul, der sich in seinem Heimatland der Folter schuldig gemacht hat: eine der Anklagen in seiner TFP-Zugehörigkeit.

Vor einiger Zeit (Juni 1997) zeigte ein Runder Tisch in Rom, wie TFP, CESNUR und KA zusammenarbeiten. Massimo Introvigne und Giovanni Cantoni (sowohl der "Rektor" von IDIS als auch der "Regent" der KA) stellten das Buch Libertà religiosa e legislazione anti-sette vor, bei dem sie beide Koautoren waren, sowie Besitz (Francesco Pappalardo -- selbst Mitglied der KA -- "Sette, il grande equivoco", in Il Secolo d'Italia, 29. Juni 1997, zitiert in Sodalitium, Dez. 1997, Seite 68).

"Doktor Plinio" (Das "Doktor" meint einen Dr.theol.) hat wie so viele dieser Figuren eine Erklärung für alles; so können wir seine Theorie vermutlich als eine Form der "Soziologie" bezeichnen. Daher erhält Introvigne mit Sicherheit seine Soziologie (und wirklich sagt der KA-Ableger IDIS auf seiner Internetseite, daß Meister Plinio "der Autor soziologischer und historischer Untersuchungen" ist).

Die folgenden Zitate, die das Weltbild unseres Autoren beschreiben, stammen alle aus dem Geleitwort zu Revolution und Konterrevolution. Genauer gesagt, sie sind nicht direkt Dr. Plinios Buch entnommen, sondern einem Artikel, der in Cristianità ("La devozione mariana e l'apostolato contro-rivoluzionario", in Cristianità, Nov.-Dez. 1995, Seite 9 ff.) veröffentlicht wurde. Mit anderen Worten, es sind Gedanken, die Introvigne zu teilen sicher stolz wäre.

Gott erschuf den Menschen und setzte ihn in eine glückliche, hierarchische Welt, wo die meisten gehorchen und einige befehlen.

Wenn jemand jedoch in irgendeiner Weise den Untugenden Stolz und Unreinheit nachgibt, wird in ihm eine Unvereinbarkeit verschiedener Aspekte der Kirche und der Ordnung des Weltalls aufkommen. Diese Unvereinbarkeit beginnt vielleicht z.B. mit einer Abneigung gegen das hierarchische Wesen der Kirche, dann breitet sie sich aus und betrifft die Hierarchie der weltlichen Gesellschaft, dann schließlich die hierarchische Ordnung der Familie []. Der unreine Mensch tendiert generell zum Liberalismus: er ärgert sich über das Bestehen einer Ordnung, über Übergänge, über ein Gesetz, das den Überfluß seiner Sinne im Zaum hält []. Das Ergebnis von Stolz und Liberalismus ist der Wunsch nach völliger Gleichheit und Freiheit, die die Grundlage für den Kommunismus bilden.
Der Kampf zwischen Revolution und Konterrevolution ist dem Grunde nach ein religiöser Kampf []. Es ist leicht, die Rolle zu sehen, die die Jungfrau Maria im Kampf zwischen Revolution und Konterrevolution spielt []. Maria ist die universelle Mittlerin, der Kanal, durch den alle Gnade fließt. Daher ist ihre Hilfe unverzichtbar, wenn die Revolution verhindert werden soll, oder für den Triumph der Konterrevolution über die Revolution []. Die Hingabe an Maria ist das sine qua non für das Niederschlagen der Revolution und den Triumph der Konterrevolution.
Die Revolution ist nicht nur das Ergebnis bloßer menschlicher Bosheit. Diese ist es vielmehr, die die Tore für den Teufel öffnet, wenn sie sich aufregt, erzürnt und führen läßt []. Die Rolle, die der Teufel bei der explosionsartigen Ausweitung und dem Fortschritt der Revolution spielt, ist gewaltig gewesen.
Der Marienkult in T.F.P. dreht sich großenteils um die Statue der Jungfrau von Fatima, die angeblich in New Orleans Tränen absonderte, bevor sie zu Dr. Plinio gebracht wurde, die die Organisation "Heilige Statue" nennt und von der Plinio behauptete, daß sie ihm wertvolle Informationen über die Weltlage zu geben pflegte. (Tradizione Famiglia e Proprietà: associazione cattolica o setta millenarista?, Rimini 1996, Seite 31).
Die Prophezeiungen von Fatima sind für katholische Millennarier natürlich von entscheidender Bedeutung, da sie genau das Bild von Abtrünnigkeit und bevorstehender Katastrophe liefern, dem die Rätsel des "Dritten Geheimnisses" folgen, die solche Personen bereits sehen.

Zurück zu Plinios "Soziologie": Die politische Lage liegt völlig in der Hand Mariens:

Damit die Hölle in Aufruhr gerät, er verwirrt ist, in seinen Bau zurückkehrt und von der menschlichen Bildfläche verschwindet, braucht es nur, daß Sie einen Befehl dazu gibt. Andererseits, wenn Sie die Menschheit zu züchtigen wünscht, braucht Sie nur dem Teufel einen gewissen Handlungsspielraum lassen, damit er tätig vorangehen kann.
Maria regiert die Welt in politischer Hinsicht. Plinio ergeht sich offensichtlich in recht unglücklichen Kindheitserinnerungen, wenn er erklärt:
Stellen wir uns doch einmal den Direktor eines Institutes mit sehr rebellischen Studenten vor, bei denen er mit eiserner Faust durchgreift. Nachdem er sie zur Ordnung zurückgebracht hat, zieht er sich zurück und sagt zu seiner Mutter: "Ich weiß, daß du das Institut anders leiten würdest als ich. Du hast das Herz einer Mutter. Jetzt, wo ich die Studenten zurechtgewiesen habe, möchte ich gerne, daß du sie mit Sanftmut leitest []". Die Rolle der Jungfrau Maria als Himmelskönigin ist ähnlich.
Es wirft ein interessantes Licht auf Scientology, das CESNUR als "Menschenrechtsorganisation" aufführt, wenn Meister Plinio nun sagt:
Wenn die Kirche über Sie singt: "Du allein hast die Ketzereien des ganzen Universums ausgelöscht", dann wird damit gesagt, daß ihre Rolle bei dieser Auslöschung in gewisser Weise einzigartig war. Das bedeutet, daß Sie den Lauf der Geschichte leitet, weil die Leitfigur der Auslöschung aller Ketzerei die Leitfigur des Triumphes der Orthodoxie ist.
Man sollte im Sinn behalten, daß dies alles nicht bloße Theologie ist; zumindest in Introvignes Weltbild ist es "Soziologie", der Versuch zu erklären, warum Brasilien voll von rebellischen Bauern ist. Zumindest augenblicklich:
Diese und andere Erwägungen, die den Lehren der Kirche entnommen sind, öffnen die Perspektive auf Mariens Königreich, d.h. auf ein historisches Zeitalter des Glaubens und der Tugend, das durch einen spektakulären Sieg der Jungfrau Maria über die Revolution eingesetzt wird. Zu dieser Zeit wird der Teufel vertrieben werden und kehrt in seinen höllischen Bau zurück, während die Jungfrau durch die Einrichtungen, die sie sich dazu erwählt hat, über die Menschheit herrschen wird.
Jetzt beginnt man, durch einige der obskureren Aussagen zu blicken, die Introvigne trifft, wenn er über den Millennarismus schreibt. Die Einrichtungen, die die Jungfrau sich aussuchen wird, um über die Menschheit zu herrschen, werden ganz eindeutig keine demokratischen sein.

Während dieses kommenden Zeitalters, das sehr dem der Zeugen Jehovas ähnelt, werden größere Heilige aufstehen als in jedem anderen Zeitalter.

Doch dem Königreich werden die "bagarre" vorangehen, grob übersetzt "die Drangsale".

Buchstäblich jede Zusammenkunft mit Dr. Plinio dreht sich um die "bagarre". Wenn er über die kommenden Katastrophen spricht, werden seine Worte generell vom tosenden Beifall der Anwesenden übertönt. Alle Kämpfer stehen auf und rufen dreimal so laut wie möglich: "Tradition-Familie-Besitz-Bagarre". Dieser dreifache Slogan mündet oft in einen dreifachen Ruf: "Plinio!!"(Tradizione Famiglia e Proprietà: associazione cattolica o setta millenarista?, Rimini 1996, Seite 33)
T.F.P.-Kämpfer halten ständig Ausschau nach den Zeichen der "bagarre":
In Paris werden oft die Wettervorhersagen aus der täglichen Le Monde ausgeschnitten und abgeheftet. Jede scheinbare Unregelmäßigkeit beim Wetter, so glaubt man, ist ein Zeichen für das unmittelbar bevorstehende Kommen der "bagarre". Auf diesem besonderen Gebiet hat die TFP ihre Fachleute. Ein heftiger Sturm, der nicht vorhergesagt war, ein Schneefall in Paris im Februar 1979, der zufällig mit einer "TFP-Kampagne" für die Parlamentswahlen zusammenfiel, wurden als Zeichen der Annahme und Gnade der Jungfrau Maria für die TFP-Aktion ausgelegt. Recht häufig sagt ein Kämpfer zu seinem Mitstreiter: "Hast du das Wetter bemerkt?" "Nach der Radiomeldung kommt diese Störung aus dem Osten". Diese mehr als vielsagende Antwort beschwört gleichzeitig sowohl geheime wie auch teuflische Kräfte und das unmittelbare Bevorstehen der "bagarre" herauf. (Tradizione Famiglia e Proprietà: associazione cattolica o setta millenarista?, Rimini 1996, Seiten 34-35)
Die Erwartung der "bagarre" verführt T.F.P.-Kämpfer oft dazu, völlig angekleidet zu schlafen (obwohl die offizielle Erklärung die ist, daß ein kommunistischer Angriff erwartet wird).

Dr. Plinios Lehren über die "bagarre" werden wie folgt zusammengefaßt:

Pflanzen werden bluten, es wird ein Kampf zwischen Engeln und Dämonen stattfinden und die TFP-Kämpfer, umgeben und unterstützt von Engeln, werden zu einem Instrument der Bekehrung oder Verdammnis. Dann werden sie öffentliche Feldzüge durchführen, um Übeltäter anzuprangern. Dann werden sich die Guten, nachdem sie sich bekehrt haben, um die TFP versammeln. (Tradizione Famiglia e Proprietà: associazione cattolica o setta millenarista?, Rimini 1996, Seite 35)
Eine der Vorhersagen Plinios hat sich ganz eindeutig nicht erfüllt: er hatte behauptet, er würde selbst der Jungfrau Maria eine Krone aufsetzen, die augenblicklich die TFP in Brasilien besitzt (Tradizione Famiglia e Proprietà: associazione cattolica o setta millenarista?, Rimini 1996, Seite 61).

Eine interessante Konsequenz aus diesem künftigen Königreich wird sein, daß keine Priester mehr benötigt werden; zumindest gemäß ehemaligen TFP-Anhängern ist das die wahre Bedeutung der folgenden Aussage Plinios:

Das Königreich Mariens wird daher eine Zeit sein, in der die Einheit der Seelen mit der Jungfrau eine Intensität erreichen wird, wie sie noch die in der Geschichte da war; natürlich mit Ausnahmen einzelner. Welche Form wird diese Einheit annehmen? Ich kenne keinen vollkommeneren Weg der Schaffung dieser Einheit, als die heilige Sklaverei für die Jungfrau, wie sie vom heiligen Louis Grignion de Montfort [mehr über ihn später] in seinem Traktat über die wahre Hingabe an Maria gelehrt wird. ("La devozione mariana e l'apostolato contro-rivoluzionario", in Cristianità, Nov.- Dez. 1995, Seite 15.)
Heilige Sklaverei (schiavitù santa) beinhaltet die "vollständige Hingabe an die Jungfrau als ein Sklave":
Diese Hingabe ist von bewundernswert radikaler Natur. Sie schließt nicht nur den materiellen Besitz eines Menschen ein, sondern auch die Verdienste seiner guten Taten, sein Leben, seinen Körper und seine Seele. Es gibt keine Grenze, da der Sklave per definitionem nichts besitzt. Im Gegenzug zu dieser Hingabe wirkt die Jungfrau in wunderbarer Weise im Inneren ihres Sklaven, indem sie eine unaussprechliche Einheit mit ihm errichtet. ("La devozione mariana e l'apostolato contro-rivoluzionario", in Cristianità, Nov.- Dez. 1995, Seite 15.)
Da die Jungfrau Maria natürlich keine juristische Person ist, werden die Gelübde für diese Sklaverei an ihrer Statt gegenüber der TFP geleistet. Doch dies meint nur in bestimmten Fällen totalen Gehorsam gegenüber der TFP-Führung: die Praxis, zumindest bei der KA, ist nur eine pittoreske und heimlichtuerische Zeremonie, die nicht mehr fordert als beispielsweise eine Initiation bei den Freimaurern.

Die Heiligen in Plinios Königreich werden natürlich TFP-Mitglieder selbst sein -- anstatt gewöhnliche Katholiken:

Die Früchte dieser Einheit kann man an den Endzeitaposteln sehen [ ]. Die außergewöhnlichen Männer, die für das Königreich Mariens gegen den Teufel kämpfen und bis zum Ende der Zeit glorreich den Kampf gegen den Teufel, die Welt und das Fleisch anführen, werden von dem heiligen Louis [Grignion de Montfort] als herrliche Vorbilder beschrieben, die diejenigen, die in diesen dunklen Tagen in den Reihen der Konterrevolution kämpfen, in die vollkommene Sklaverei für die Jungfrau einladen. ("La devozione mariana e l'apostolato contro-rivoluzionario", in Cristianità, Nov.- Dez. 1995, Seite 15.)
Dr. Plinio muß ein interessanter Charakter gewesen sein:
Sehr oft redet Dr. Plinio, nachdem er über seine Jugend gesprochen hat, über seine Kindheit und holt sehr präzise Erinnerungen aus der Zeit herauf, als er drei oder vier Jahre alt war. Er sagt, daß am Tage seiner Taufe die Kirchenglocken von selbst zu läuten begannen, ohne daß es dafür eine natürliche Erklärung gab. Er war sehr schnell in der Lage, seine Eltern zu beurteilen: sein Vater, Dr. Joâo Paulo Corrêa de Oliveira, ein ungläubiger Liberaler; seine Mutter eine Frau, die in allem vollkommen war. Er erkannte sehr früh den tiefen Unterschied zwischen sich selbst, seinen Cousinen und seinen Freunden, und er schleuderte ihnen Beleidigungen entgegen und beschuldigte sie, nicht konterrevolutionär zu sein. Während einer Reise nach Frankreich, als er so vier oder fünf Jahre alt war, ging er in das Marionettentheater im Jardin de Luxembourg in Paris. Getroffen vom Antiklerikalismus der Marionetten sprang er auf seinen Stuhl, erhob anklagend seinen Finger und griff die Puppen an und verteidigte die katholische Religion. Sobald er eigenständig denken konnte, weihte er sich der Jungfrau Maria und der Konterrevolution. Bald darauf, als er ein Buch über Karl den Großen gesehen hatte, brachte er seine Eltern dazu, daß sie es ihm kauften, und entdeckte so sein erstes Vorbild. (Tradizione Famiglia e Proprietà: associazione cattolica o setta millenarista?, Rimini 1996, Seiten 56-57)
Man kann gut verstehen, warum die Kämpfer, die kamen, um seinen Segen zu empfangen, sich vor Plinio auf den Boden werfen mußten, mit der Stirn auf den Boden, und dann den Lehnstuhl küßten, in dem Plinio gewöhnlich saß (ibid, Seiten 63-64).



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