hallo ihr lieben!
ich halte diese diskussion für hochklassig und würde unbedingt empfehlen sie auf unserer homepage zu dokumentieren. am besten als moderiertes diskussionsforum, wo auch artikel von aussen erscheinen können, die wir für qualifiziert halten. ich denke wir diskutieren hier eine echte kernfrage und so wie sich die diskussion anläßt wird sie spannend sein. vielleicht ist eine emaildebatte mal auch eine andere form, ein seminar vorzubereiten, das im wesentlichen eine auginaug gegenüberstellung von politischer ökonomie und revolutionstheorie ist.
da ich schon sehr müde bin möchte ich nur ein paar sätze vorneweg als thesen beitragen.
1) wir befinden uns in der übergangsphase vom kapitalismus zum sozialismus die annahme der sozialismus hätte verloren, geht von einer kurzsichtigkeit aus, die aufgrund der schnelllebigkeit zustande kommt. wie alle übergänge von gesellschaftsformationen wird auch dieser länger als ein jahrhundert dauern, der rückschlag durch die abwicklung der russischen revolution ist bedauerlich, allerdings kein gegenbeweis. viele werden sich auch dran erinnern, dass den sandinisten vorgeworfen wurde, sie hätten in nicaragua zu früh losgeschlagen. den richtigen zeitpunkt für die richtigen taten zu finden ist höchste revolutionäre kunst. beruhigend allerdings ist, dass sich zeigt, dass historische fehleinschätzungen zwar für einzelne aktteurInnen schmerzlich sein können, die gesamtentwicklung allerdings nur mäßig beeinflussen.
2) der kapitalismus strebt weiter nach entfaltung marxsche prognostik ist erstaunlich präzise, die monopolisierung der wirtschaft geht hurtig voran. es ist noch lange kein zenith erreicht, manche branchen, wie die informationstechnologie, sind schon sehr weit, in anderen, wie der landwirtschaft, sind noch elemente des konkurrenzkapitalismus zu bemerken, dier obendrein noch nationalstaatlich aufgeladen ist. gleichzeitig ist zu bemerken, dass die sprudelnden quellen der ausbeutung am versiegen sind. durch den zwang zur akkumulation der profite müssen die letzten lebensbereiche (bildung, public services, medizin) und die lebenden menschen selbst (patente auf gene) "kolonialisiert" werden. es ist zu spüren, dass die "vertrocknenden quellen", die zum profit gezwungen akteurInnen hektisch nach den wasserpfützen streben, in denen noch profite gemacht werden können. auch alle kriegerischen auseinandersetzungen sind unter diesem licht zu betrachten, romantischen friedensvorstellungen ist entschieden entgegenzutreten.
3) nomadisches kapital die technologische entwicklung (eigentlich die produktivkraftentwicklung) ermöglicht es dem kapital und zwingt es geradezu dazu, nomadischen charakter anzunehmen. dabei ght es nicht nur um börsenspekulation sondern auch um branchensprünge oder ganz einfach um die suche nach dem ort mit der höheren profitrate. so hat etwa das familienunternehmen meinl 1991 sein österreichisches unternehmen verkauft und ein ungarisches gegründet, 1997 dieses verkauft und ein rumänisches gegründet und denkt aktuell daran dieses zu verkaufen und wieter nach osten (moldawien, georgien ect.) zu ziehen. die entscheidung ist keine kulturelle, keine machtpolitische, schon gar nicht eine traditionsgeleitete, sondern eine ökonomische. es reicht nicht profite zu machen,(was auch in österreich möglich ist), sondern den größtmöglichen anzustreben.
4) unmoralischer profit? dies ist keinesfalls unmoralisch, wie es in der globalisierungskritischen bewegung oft dargestellt wird, sondern ein gesetzmäßiger verlauf der produktivkraftentwicklung. es können also keine antitrustgesetze, keine tobintax und keine wahlergebnisse diese entwicklung aufhalten. dies ist keine zynische haltung, die etwa kämpfe um reale verbesserungen lächerlich machen will sondern eine nüchterne betrachtung, um frustrationen in kämpfen gar nicht erst aufkommen zu lassen. selbstverständlich sind vergesellschaftungen von einzelnen branchen, arbeitnehmerInnenrechte für alle, strenge umweltauflagen, ein schillerndes bildungsangebot für alle im kapitalismus verwirklichbare und erstrebenswerte ziele, allein die allgemeine entwicklung der produktivkräfte kann dadurch nicht aufgehalten werden. es sei auch immer wieder betont: es gibt weder einen friedlichen kapitalismus light noch einen almwiesenkommunismus!
5) partizipation statt repräsentation schwieriger als die ökonomische entwicklung ist die der kommunikations- und lebensformen der menschen einzuschätzen. neben der allgemeinen formulierung "sozialismus oder barbarei", die ein mögliches scheitern aufgrund sozialer fehlentwicklungen miteinschließt, ist dies wohl das feld der größten ratlosigkeit. wie sieht eine überwindung der repräsentativdemokratie aus? wird dies eine partizipation möglichst vieler aufgeklärter individuen oder eine privatisierung der macht an einige wenige? wie nötig aktive menschen darauf eine antwort haben wllen zeigen sich die etwas romantischen vorstellungen von negri und virno, deren theoretischen gehalt man/frau allerdings nicht unterschätzen soll. entscheidend wird wohl die frage sein, wie weit die notwendige integration des kreativpotential von individuen in arbeitsprozessen als profitvoraussetzung diese individueen ihr kretives kritisches potential auch in anderen bereichen entfalten läßt.
6) von der latenz zur potenz zur macht all diese entwicklungen zeigen auch deutlich, dass es keine evolutionäre entwicklung der geschichte gab und geben wird, das heißt, das jede entwicklung durch konkretes handeln von einzelnen und gruppen verschoben werden kann. es ist für alle spürbar, dass es knistert im gebälk des kapitalismus und es ist auch spürbar, dass die bestehenden organisationsformen der gegnerInnen den kapitalismus nur mäßig in frage stellen. ich halte es aktuell für die wichtigste aufgabe von revolutionärInnen aufmerksam zu sein, sich intellektuell fit zu halten, besserwisserei und avantgardistischen hochmut hintanzustellen und viel zu experimentieren. es ist nicht notwendig den richtigen zeitpunkt, den richtigen ort und die richtige revolutionäre klasse herauszufinden oder gar zu konstruieren. revolten werden spontan auftreten, keinesfalls gesichert, dass sie revolutionärem inhalts sind. dann werden kluge köpfe gefragt sein, dann ist der zeitpunkt für revolutionärInnen wie fische im wasser dabei zu sein.
good night and good luck
"Nora Hermann" nausikaa@gmx.at schreibt:
hi zusammen,
danke für die zusammenfassung des artikels, mir hst du's ja
nie
geglaubt.
im gegensatz zu Weiß, der laut deiner darstellung (die wohl
korrekt
seine
inhalte referiert) folgendes glaubt:
"jedoch waehren ab etwa ab 1968 die produktivkraefte
weit
genug
entwickelt gewesen fuer andere verhaeltnisse. das hat im
westen zur
68er
bewegung gefuerht die aber im system absorbiert wurde
und
im osten
verhindert wurde. resultat war letztlich der zusammenbruch
des
realsozialismus.
... bin ich der ansicht, dass die produktivkräfte noch immer
nicht weit
genug entwickelt sind! sie müssten nämlich weltweit in einem
ähnlichen
maß
entfaltet sein, weil ungleichzeitigkeiten in der entfaltung
eben darauf
hinweisen, dass die produktivkräfte eben noch nicht genug
entwickelt
sind.
dialektisch denken schliesst logisches denken nicht
notwendigerweise
aus,
so wie offensichtlich bei Weiß (wo es sich womöglich sogar
gegenseitig
ausschliesst).
Wie weit müssen die Produktivkräfte entwickelt sein, damit eine revolutionäre Situation entsteht? Wenn es stimmt, dass die
Produktivkräfte
noch entwickelt werden müssem, dann hätte der alte Marx eine
Revolution
gar nicht im Sinn haben können; denn unzweifelhaft waren die Kräfte im
Jhd. noch weit weniger entwickelt, als heute. Es gibt doch kein Ende
der
Produktivkraftentwicklung, es geht nur manchmal schneller,
manchmal
langsamer, dann gibts wieder regelrechte Sprünge
(elektrotechnische-,
chemische-, fordistische-, IT-"Revolutionen"). Daher
rühren auch die
"Ungleichzeitigkeiten"; die können erst im Sozialismus
ausgebügelt werden.
Trotzdem ging Marx davon aus, dass eine soziale Revolution zu
seinen
Lebzeiten machbar ist und zwar, weil es nicht von der Produktivkraftentwicklung abhängig ist! Die rapide Entwicklung hat
den
Kapitalismus erst möglich gemacht. Eine Revolution findet statt,
wenn sich
genügend Leute dafür finden; die wissen, was sie machen wollen.
Die
kapiert haben, dass Geld, Eigentum, Staat, Konkurrenz, Nationalismus,... unvernünftig sind und sich die Leut damit gegenseitig nur schaden. Profitieren tut nur das Kapital und das politische Establishment
und
die
müssen sich auch strikt an die Gesetze des Kapitalismus halten,
wenn
sie
ihren Reichtum und die Macht behalten wollen. Die haben auch wenig Spielraum, wenngleich sie auf der Butterseite der Scheiße leben. Mir scheint, wer auf die weitere Entwicklung der Produktivkräfte
setzt,
wartet auf den Sanktnimmerleinstag. Dann hätten Kummerl die
Aufgabe,
für
Rationalisierung, Forschung um jeden Preis, für schnellste Produktivitätssteigerung zu sorgen. Also das, wofür das Kapital
schon
sorgt!
marx war halt hoffnungsvoll, dass die produktivkraftentwicklung zu
seinen
lebzeiten bereits auf dem erforderlichen niveau sein wird - marx ist NICHT von einem voluntaristischen akt der herstellung der bedingung zur herstellung der "freien assoziation freier produzentInnen" ausgegangen, sondern davon, dass im schoss der bürgerlichen gesellschaft bereits
alle
notwendigen voraussetzungen zu kommunistischen praxis hergestellt sein werden, schätzomativ auch inklusive verbreiteten praxen. die
sowjetunion
hat das mit dem absterben des kapiutalismus und mit den
realsozialismus
als übergang zum kommunismus erfunden, um das peinliche faktum nach
einer
kommunistischen revolution eine protobürgerliche entwicklungsdiktatur zustandegebracht zu haben zu kaschieren. die entwicklung der produktivkräfte hat er schon als bürgerliche aufgabe gesehen und der versuch, die revolution einem bewusstseinsmässig (das
gesellschaftliche
sein bestimmt das bewusstsein) hinterherhinkenden land aufzupfopfen
geht
immer in die hose und verleiht der reaktion die nötige kraft zum gegenschlag. ausserdem ist ja gerade das scheitern der revolution in
der
ddr und in der sowjetunion 1989 ff. der beweis dafür, dass
revolutionärer
voluntarismus illusionärer idealismus ist (auch wenn ich froh über
dieses
intermezzo bin und das qu.e.d. 89ff. war auch nicht zu verachten, als lehre aus der geschichte). man kann nicht andauchen roli, das gesellschaftliche bewusstsein ist
auch
noch nicht sehr weit und wenn das gesellschaftliche sein das
bewusstsein
bestimmt, dann schauts gemessen am bewusstsein mit dem
gesellschaftlichen
sein noch nicht so gut aus, dass wir von revolution träumen könnten. vorläufig feiert das fetischisierte denken triumphe über das kritische und die aufgabe einer kommunistischen bewegung kann nur sein, die zur kritikfähigkeit zu befähigen und sie zu fördern und nicht, peinliche
und
zum scheitern verurteilte praktische experimente wider besseres wissen
zu
machen. ich hab das auch anlässlich des faschismus-seminars erklärt:
auch
der faschismus war revolutionär und er war anscheinend damals den
massen
lieber als der sozialismus, der ja in deutschland bekanntlich 1918 scheiterte. daraus schliesse ich, dass sowohl produktivkräfte als auch gesellschaftliches bewusstsein noch nicht so weit waren. und jetzt ist
es
auch noch nicht so weit - wir leben im ubiquitären kleinbürgertum, es gibt ja noch nicht mal ein klassenbewusstsein, jeder bürohengst hält sich
für
nen bourgois, kein hackler will prolet sein und die prekarisierten
halten
sich für ich-AGs, also kleinunternehmerInnen! das gesellschaftliche bewusstsein bestimmt das sein! jeder versuch darauf einen
revolutionären
akt zu setzen ist idealistisch, voluntaristisch, verblendet und
schadet
mehr als er nützt! hals über kopf lässt man nur seinen kopf liegen und den sollten doch grade kommunisten oben behalten.
Was war 1968? Da wurde einigen erstmal klar, dass es mit Vollbeschäftigung, "Wirtschaftswunder", Ausbau des Sozialstaats inkl.
relativ
hohen
Lohnzuwächsen endgültig vorbei ist.
eigentlich nicht! das war erst ca. 1972 /73 soweit - aber man sollte schon sehen, dass in deutschland (in österreich war ja kaum was los), die
ideen
aus berkeley und san francisco sowie aus der US-amerikanischen anti- vietnamkriegsbewegung herüberschwappten und eigentlich importware
waren.
die texte der 68 waren allesamt nicht auf ihrem eigenen mist
gewachsen,
sondern aus china, kuba, vietnam, frankreich, oder von aus deutschland
in
die USA vertriebenen jüdischen Intellektuellen, deren einige ganz
tapfer
wiederkamen. all diese texte wurden auch hauptsächlich in berkeley gelesen. also die produktivkräfte waren in berkeley sowohl materiell
als
auch intellektuell 1968 auf einem spitzenniveau - aber wo noch? revolution muss man selber machen, sie lässt sich nicht exportieren, importieren oder herbeiwünschen. und sie lässt sich auch nicht befehlen - nicht einmal
von
kommunisten.
lg n
"aufgabe fuer heute waere es eine bewegung zu schaffen
die in
aehnlicher weise auch den kapitalismus hinwegfegen
kann..."
ist als bauernfängerei gedacht, damit leute, die lesen
dürfen,
was sie
gerne hören wollen, den Weiß für einen neuen stern am
theoriehimmel
halten. seine anderen thesen sind auch nicht mehr sehr neu,
oder was
denkst du, wie ich dir das schon vor drei jahren erzählen
konnte?
man macht sich immer beliebt, wenn man den massen die
melodie
vorspielt,
die sie hören wollen. das ist das gegenteil von: "den
verhältnissen ihre
eigene melodie vorspielen, bis sie zu tanzen beginnen"
(marx). das
zweite
meint kritik, das erste ist eine aufforderung zur
voluntaristischen
massenautosuggestion.
ich darf dich an den berühmten ersten satz aus dem XVIII.
Brumaire
(anlässlich der Weißschen forderung doch bitte, bitte 1968 zu
wiederholen)
erinnern: "Hegel hat einmal gesagt, dass sich die
Geschichte wiederhole.
Er hat vergessen dazuzusagen: einmal als Tragödie und dann
als
Farce."
also 68 war schon ne tragödie, was käme, laut marx wohl beim
zweiten
versuch heraus? (ich üb schon mal: bruhahaha!)
mond, es steht einem kommunisten schlecht zu gesicht, lieber
nach
propheten zu suchen, statt selber kritik zu treiben. aber
falls
dir
propheten lieber sind: es gibt eine menge historischer und
aktueller
propheten in den diversen religionen des weltmarktes, fast
alle
mit
gütesiegel - millionen gläubige können nicht irren, oder?
lass dir vom Weiß nichts weismachen.
Vollkommen richtig
lg Roland
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