hoi.
der spektrum artikel den kurto letztes mal mitgebracht hat ist auch im internet abrauf bar. ich hab ihn der einfachheit halber hier in dieses mail kopiert. ausserdem in unserer linksammlung auf der homepager verlinkt (im "informationsgesellschaft" bereich.)
kurto hat angereget dass wir den artikel demnaechste mal diskutieren. wuerde ich fuer gut finden..
weiters sollten wir diskutieren wie wir am besten mit umstrittenen texten auf der homepage umgehen. ich habe dazu mal die rubrik "umstrittene texte" angelegt und die texte von auinger jeweils mit einer ganz kurzen einleitung versehen der darauf hinweist dass wir mit dem inhalt des artikels gaenzlich einverstanden sind.. (denke bei noramlen artikeln ist das nicht so ganz tragisch, aber die texte von auinger greifen doch viele gruppen direkt an mit denen wir eventuell weiter zusammenarbeiten wollen oder muessen und es sollte fuer unbedarfte leser schon klar sein dass wir nicht allgemein hinter den anschuldigungen auf diese gruppen stehen..)
lg mond.
Im "Spektrum" der Presse erschienener Artikel von André Gorz der Argumentiert dass die änbderungen in der Prodkutionsweise (Stichwort "Freie Software") auch die Gesellschaft verändern werden. Das Thema findet sich, in abstrakterer Form auch bei Hardt und Negri und wurde in konkreterer Form auch in unseren ASF Veranstaltungen Diskutiert. Erstaunlich jedenfalls dass die Presse solche artikel bringt.. In jedem Falle ein lesenswerter Artikle insbesondere im Hinblick auf neue Formen der Vergesellschaftung...
Der neue Reichtum
Von André Gorz (Spectrum) 14.08.2004
Sie ist jetzt in aller Munde: unsere zukünftige "Wissensgesellschaft". Ich aber behaupte: Der Wissenskapitalismus ist nicht nur ein krisenanfälliger Kapitalismus, er ist die Krise des Kapitalismus selbst - eine Krise, die die Gesellschaft in ihren Tiefen erschüttern wird.
1 kg Wissen oder: Unwägbarkeiten in der Warengesellschaft. | (c) Anne Hausner
Die allgemeine Erkenntnis, dass Wissen heute zur wichtigsten Produktivkraft geworden ist, hat einen Wandel in Gang gesetzt, der die Gültigkeit der ökonomischen Schlüsselkategorien - Arbeit, Wert und Kapital - untergräbt und auf die Notwendigkeit hinweist, eine andere Ökonomie zu gründen. Tatsächlich befinden wir uns in einer Zeit des Umbruchs, in der verschiedene Produktionsweisen gleichzeitig existieren. Der um die Verwertung großer Mengen von fixem Sachkapital zentrierte Industriekapitalismus wird immer schneller von einem postmodernen Kapitalismus abgelöst, bei dem die Verwertung von "immateriellem Kapital" im Mittelpunkt steht. Es wird auch als "Humankapital", "Wissenskapital" oder "Intelligenzkapital" bezeichnet.
Nun lässt sich freilich die entscheidende Produktivkraft Wissen nicht auf einen einheitlichen Nenner reduzieren, in Wert- und Zeiteinheiten messen. Die Art und Weise, wie Erwerbstätige dieses Wissen einbringen (in der Managersprache "Motivation" genannt), kann weder vorbestimmt noch anbefohlen werden. Wissen ist keine ordinäre Ware, sein Wert ist unbestimmbar, ja, es lässt sich, sofern es digitalisierbar ist, endlos und kostenlos vermehren, seine Verbreitung steigert seine Fruchtbarkeit. Infolge seiner internen Widersprüche und Inkohärenzen erscheint der Wissens- oder "kognitive" Kapitalismus extrem labil, verwundbar, von kulturellen Konflikten und sozialen Antagonismen geprägt. Aber gerade diese seine Labilität könnte es ihm ermöglichen, sich in eine entgegengesetzte Richtung zu entwickeln. Der Wissenskapitalismus ist nicht nur ein krisenanfälliger Kapitalismus, er ist die Krise des Kapitalismus selbst, die die Gesellschaft in ihren Tiefen erschüttert.
Die ökonomischen Symptome dieser Krise zeigten sich in der anhaltenden Spekulationsblase und ab 2000 in deren Implosion (2003 begann sich bereits eine neue Blase zu bilden). Diese Implosion deckte auf, wie schwierig es für den Kapitalismus ist, den vom Wesen her nicht messbaren und nicht austauschbaren Wert des "immateriellen Kapitals" in (Geld-)Wert zu verwandeln und als Kapital funktionieren zu lassen. Was ist ein Start-up wert? Was immer man will. Das Grundkapital hat keinerlei Bedeutung. Es kann sich auf einen oder zwei PCs beschränken oder auf die Miete einer Wohnung, in der zwei Freunde zwei Wochen oder zwei Trimester lang an einem Softwareprogramm schreiben. Die Geldäquivalente sowohl der Aktien wie der immateriellen Güter entsprechen nichts Messbarem mehr. Sie spiegeln ein Kräfteverhältnis und nicht ein Äquivalenzverhältnis.
Ebenso zeugt die Bedeutung, die Unternehmensberater von nun an der Fülle von Aktivitäten und dem multilateralen Austausch des Personals beimessen, von dem Umbruch in der Tiefe. Menschen, die sich bei der Zusammenarbeit in einem Projekt frei koordinieren und aneinander angleichen, neigen dazu, einander zu überbieten. Wie eine Freejazz-Gruppe fühlt sich jeder von den anderen dazu aufgefordert, seine Kapazitäten, seine Aufnahmefähigkeit, seine Aufmerksamkeit zu optimieren. Die ökonomische Vernunft ist nicht mehr das, was sie war. Sie fordert von nun an, dass man die gewohnten Ertragskriterien den Kriterien der menschlichen Entfaltung unterwirft, also einer grundlegend anderen Vernunft. - Der Kapitalismus ist damit in der Entwicklung seiner Produktivkräfte an eine Grenze gestoßen: eine Grenze, jenseits welcher er sich selbst überwinden müsste, um sein Potenzial auszunützen. Der potenzielle Akteur dieser Überwindung ist das "Humankapital" selbst, insofern es sich vom Kapital zu emanzipieren sucht. Etwas später werden wir sehen, in welchem Maße sich diese Tendenz schon zeigt.
Eine grundlegende Umkehr findet statt: Nicht der Mensch dient mehr der Produktionsentwicklung, sondern die Produktion dient der menschlichen Entwicklung, also dem Sich-selbst-Produzieren. Der Unterschied zwischen produzieren und sich selbst produzieren beziehungsweise an sich arbeiten verschwindet letztlich. Die Abschaffung des Produktivismus ruft ein neues Verhältnis zur Zeit, zum eigenen Körper, zur Natur hervor. Dieses spiegelt sich in der Entwicklung der "Genuss-" und "Mußefähigkeit".
Hat man einmal gezeigt, dass eine solche Neubestimmung von "Reichtum" der Sinnhorizont ist, den die Krise der Hauptkategorien der politischen Ökonomie und besonders die Krise des Kapital- und Wertbegriffs eröffnet, "gilt es vorrangig, diejenigen Personen und Gruppen herauszufinden", schreibt Patrick Viveret, "die eine wesentliche Rolle bei der Etablierung der Idee spielen beziehungsweise spielen werden, dass die Menschheit in eine neue Ära eingetreten ist und neue begriffliche, kulturelle und ethische Rahmenbedingungen braucht, um diesen großen Wandel zu begleiten".
Ich meine, die Tendenz zeigt sich am offensten in dem Kampf, den die Urheber der sogenannten Freien Software und der Freien Netzwerke im Innersten des Machtdispositivs des Kapitals führen. Mit ihnen widersteht ein Teil derjenigen, die das "Humankapital" auf seinem höchsten technischen Niveau verkörpern, der Privatisierung der Zugangswege zu diesem "Gemeingut der Menschheit", das Wissen in allen seinen Formen darstellt. Es handelt sich dabei um eine gesellschaftliche und kulturelle Dissidenz, die offen eine andere Vorstellung von Wirtschaft und Gesellschaft fordert. Sie hat eine strategische Tragweite aufgrund der Bedeutung, die die Arbeiter des Immateriellen - die Amerikaner nennen sie "knowledge class" - bei dem Wandel der Gesellschaft und ihrer Konflikte einnehmen.
Peter Glotz befasst sich mit dieser Frage in einem Buch mit dem beredten Titel "Die beschleunigte Gesellschaft - Kulturkämpfe im digitalen Kapitalismus". Er skizziert darin eine neuartige Klassenanalyse, ausgehend von amerikanischen Steuerstatistiken und sozioprofessionellen Einteilungen. Die Fakten zeigen auf, dass die Macht und das Vermögen noch nie in so wenigen Händen konzentriert waren. Knapp 0,5 Prozent der US-amerikanischen Bevölkerung, 840.000 Familien, besitzen 56 Prozent des Sachvermögens und 37 Prozent der finanziellen Aktiva;
unter dieser Schicht von Superreichen befindet sich sodann die der neuen Wissensarbeiter, das sind 3,8 Millionen Personen oder vier Prozent der Erwerbsbevölkerung. Sie führen die digitale High-Tech-Wirtschaft. Zu dieser Elite des Wissenssektors ("know-ledge elite") muss man noch die 16 Prozent von in intellektuellen Berufen Beschäftigten hinzufügen. Alle Wissensarbeiter zusammen repräsentieren so 20 Prozent der Erwerbsbevölkerung (und teilen sich die Hälfte des Bruttosozialprodukts).
Man muss sich jedoch hüten, daraus zu schließen, dass besagte 20 Prozent die Gesamtheit der Arbeiter des Immateriellen darstellen oder, was aufs Gleiche hinausläuft, dass alle Arbeiter des Immateriellen sich unter den 20 Prozent der Reichsten befinden. Die Polarisierung der Bevölkerung ließ ein neues postindustrielles Proletariat entstehen, das Peter Glotz auf ungefähr ein Drittel der Bevölkerung schätzt - und dieses Proletariat "umfasst im Unterschied zu dem der Industriegesellschaften einen großen Teil von Dissidenten, die als Hochschulabgänger dem ,digitalen Kapitalismus' und seinem Kult des ,Immer schneller, immer mehr' gegenüber kritisch eingestellt sind".
Nach einer Umfrage des "Wall Street Journal" müssen neuerdings mehr als 35 Prozent Hochschulabsolventen eine Arbeit annehmen, die keinen Hochschulabschluss verlangt. - "Das eigentliche Neue aber", so Glotz, "ist der freiwillige Zuzug: Es gibt eine wachsende Zahl von Menschen, die sich der Nanosekunden-Kultur verweigern. Je weitgehender der digitale Kapitalismus unsere Wirklichkeit bestimmen wird, desto größer wird die Zahl freiwilliger Um- oder Absteiger. Der Kampf zwischen den beiden Lagern der Zweidrittelgesellschaft wird sich im Kern nicht um technokratische und ökonomische Einzelkonzepte drehen, sondern um die gefühlsbeladene Grundsatzfrage der Lebensführung. Die ganze Sozialethik des modernen Kapitalismus steht zur Debatte."
Ich zitiere Peter Glotz etwas ausführlicher, weil ich bei diesem scharfen Beobachter unserer Zeit die Idee des "postindustriellen Neoproletariats" wiederfinde, das ich 1980 - in "Abschied vom Proletariat" - für den Hauptakteur eines künftigen kulturellen, antiproduktivistischen und antistaatlichen Umbruchs hielt.
Neu ist seitdem, dass mit der Entwicklung des Web und der Bewegung der sogenannten Freien Software dieses Neoproletariat zum geometrischen Punkt wurde, auf den und von dem alle radikalen Anfechtungen des globalisierten und finanzialisierten Kapitalismus zugehen beziehungsweise ausgehen.
Die Freie Software ist in der Tat zugleich das Mittel, mit dem sich Netzwerke einrichten lassen, und das Mittel der Kommunikation, Verbreitung, Vergesellschaftung und Produktion von Wissen, Ideen und Aktionen. Sie ist ein Produktions- und Tauschmittel, das der Befehlsgewalt des Kapitals sowie den Waren- und Geldbeziehungen entzogen ist. Sie erlaubt nicht nur die kollektive Aneignung und die kostenlose Zugänglichkeit, sie fordert diese geradezu, da ihre Effektivität und ihr Eigenwert umso größer sind, je größer die Anzahl ihrer Benutzer ist. Die virtu-ell universelle Gemeinschaft der User-Produzenten von Freier Software und Freien Netzwerken führt so gesellschaftliche Verhältnisse ein, die eine praktische Negation der Kapitalverhältnisse bedeuten.
Stefan Merten - Initiator der Oekonux- Gruppe, welche "eine andere Ökonomie und Gesellschaft, jenseits von Arbeit, Geld und Tausch", erforscht - hebt hervor, dass viele Freie-Software-Entwickler einzig durch den Wunsch nach persönlicher Entfaltung motiviert sind. Auch für Hacker wie Linus Torvalds, einen der wichtigsten Wegbereiter der Freien Software, sind weder Geld noch Arbeit Ausgangspunkt. Die Aktivität des Hackers basiert auf einer Ethik der freiwilligen Zusammenarbeit, bei der jeder sich an den anderen durch die Qualität und den Gebrauchswert seiner Eingaben in den "gemeinsamen Topf" misst und jeder sich freiwillig mit den anderen koordiniert. Nichts wird in Hinblick auf Vermarktung produziert. Der Tauschwert kommt nie in Betracht, was zählt ist der Gebrauchswert, der seinem Wesen nach unmessbar ist. Im Unterschied zum "digitalen Adel" lehnt die Hackergemeinschaft jedes produktivistische Prinzip ab. Sie überlässt den ersten Platz der Vergnügung und der individuellen Kreativität.
Man findet also in der Ethik und Ästhetik der Hacker, oder genauer gesagt der Freien Softwarebewegung, die praktische Umsetzung einer ihrer bürgerlichen Form entkleideten Auffassung von "Reichtum": Arbeit wird in persönlicher Tätigkeit aufgehoben; die Produktion dient der Entfaltung der Hauptproduktivkraft Mensch. Freie Software ist unökonomisch, nein, mehr noch: antiökonomisch - und gerade deswegen überlegen. Mit anderen Worten: Sie ist jenseits der Waren- und Tauschlogik angesiedelt und widersetzt sich radikal deren Herrschaft. - Die Herausbildung der Freien Produktionsweise Freier Software ist kein Zufall und auch nicht eine kapitalistische Anomalie. Sie musste sich notwendig herausbilden - insofern der Mensch nicht nur, wie bisher, die Hauptproduktivkraft an sich ist, welche für entfremdete Zwecke als "Arbeit" verwendet wird, sondern in der Wissensökonomie sich selbst als Hauptproduktivkraft erfährt und der Tatsache bewusst werden kann, dass sich seine Selbstentfaltung zur entscheidenden Grundlage des Reichtums und der Reichtumsschöpfung entwickelt. Die Freie Produktionsweise erscheint somit gleichzeitig als Resultat und Ende kapitalistischer Entwicklung.
Wissensverhältnisse und Wissensproduktion zeigen den Ausweg aus den Warenverhältnissen und der Warengesellschaft, sobald sie sich außerhalb des Verwertungszwangs frei entfalten können. Die Entwickler Freier Software und Freier Netze erleben die konkrete Möglichkeit dieses Auswegs und stoßen zugleich auf die Grenzen, die die waltenden Mächte ihrer Tätigkeit aufzuzwingen bemüht sind. Es ist ein Kampf um das Ganze der Gesellschaft. In diesem Kampf stehen die Teilnehmer der Freien Softwarebewegung immer mit einem Bein im Lager des Gegners. Sie sind fortwährend dem Zugriff kommerzieller Software-Betreiber ausgesetzt, unterliegen selbst in ihrem Leben dem Sebstverwertungszwang, denn ganz jenseits von Geld-, Waren- und Tauschbeziehungen können sie ja nicht leben, obwohl sie dieses Jenseits in ihrer Arbeit als konkret möglich erfahren. Wie viele andere "Intelligenzler" empfinden sie ihre Lage als eine ständige Zerreißprobe und den Verwertungszwang als eine unerträgliche Beschränkung ihres Potenzials.
Ihnen stellt sich die Frage, wie sich die Prinzipien der Freien Produktionsweise auf andere gesellschaftliche Tätigkeitsbereiche ausdehnen ließen, wie sich also "Arbeit" in einen allseitigen kommunikativen Verständigungsprozess aufheben ließe, dessen Abwicklung alle Beteiligten als ihr gemeinsames Vermögen erfahren und dessen Ergebnisse kein Eigentum zulassen.
Der Wissenskapitalismus erzeugt in sich und aus sich heraus die Perspektive seiner möglichen Aufhebung. In seinem Innersten keimt ein "kommunistischer Kern", eine "real existierende anarcho-kommunistische Ökonomie des Gebens" - wie das Richard Barbrook nannte -, die dem Kapital die strategisch sensiblen Bereiche der Ausrichtung und Zugänglichkeit von Wissen streitig macht. Es handelt sich nicht um reine Vision. Es handelt sich um eine Praxis, die auf höchstem Niveau von Menschen entwickelt wird, ohne deren kreativen Kommunismus der Kapitalismus nicht mehr auskommen könnte. "Keimformen des Neuen entwickeln sich immer schon im Alten", schreibt Stefan Meretz. "Sie werden stärker, werden zu einer nicht mehr zu übersehenden Funktion im alten System, übernehmen dann die bestimmende Rolle und transformieren schließlich das Gesamtsystem in ein Neues, in dem sich alles nun nach der neuen dominanten Funktion ausrichtet. Der beschriebene Prozessablauf ist typisch für dialektische Entwicklungsprozesse. Ohne Frage ist es notwendig, dass sich die Freie Softwarebewegung als solche und als Keimform ei- ner freien Vergesellschaftung nur behauptet, wenn sie den Schritt vom ,an sich' zum ,für sich' auch geht - und dafür gibt es keine Garantie."
Der real existierende Anarchokommunismus des "Freien" ist eine Praxis und kein Programm. Die Praxis ist das Programm. Das Ziel liegt nicht jenseits des Tuns. Nach eben diesem Prinzip verhalten sich auch die anderen Komponenten der "Bewegung gegen die Vermarktung der Welt": Sie wollen die Welt verändern, ohne die Macht zu übernehmen, und zwar dadurch, dass sie die Macht der machthabenden Institutionen und Kräfte substanzlos machen und delegitimieren; dadurch, dass sie dem weltweiten Einfluss des Kapitals immer größer werdende Autonomieräume entziehen. Es ist, als ob die Freie Softwarebewegung und andere Bewegungen wie "Reclaim the Steet", "Ya Basta!", "People's Global Action", "Un autre monde est possible", "Via campensina" oder die "Zapatistische Befreiungsarmee" (die kaum je geschossen hat, aber ein Dutzend andere Bewegungen um eine Charta versammeln konnte) - es ist, als ob diese Bewegungen Komponenten ein und derselben Bewegung wären, die sich ständig differenziert und neu zusammensetzt und deren gemeinsame Matrix die Freien Netzwerke wären: nicht-hierarchische, horizontale, dezentrale Netze, die sich auf dem Prinzip der "Konsensdemokratie" errichten, nach der jeder Vorschlag erwogen, diskutiert und durch Beiträge von allen bereichert und ausgearbeitet wird.
Es wird keine Revolution geben, die das System von außen und von oben her gewaltsam stürzt. Die Negation des Systems breitet sich in seinem Innern über alternative Praktiken aus, die es selbst hervorruft und von denen diejenigen am heftigsten und gefährlichsten werden, auf die es nicht verzichten kann.
"Der Kapitalismus kann nur funktionieren", schreibt Pascal Jollivet, "wenn es Tätigkeitsfelder gibt, in denen sich menschliches Verhalten von der kapitalistischen Logik befreit. Das Paradox liegt im Innersten unserer Zeit. Das Dilemma, mit dem die Unternehmen in der neuen digitalen Wirtschaft konfrontiert werden, besteht darin, dass der kapitalistische Erfolg nur möglich ist, wenn der Kommunismus bei einem Großteil der Forscher fortbesteht."
Der "Kommunismus der Forscher" oder der Anarchokommunismus der Freien Netzwerke stellen selbstverständlich nur dann Muster einer anderen möglichen Welt dar, wenn sie sich im gesellschaftlichen Körper ausbreiten und dessen Neukomponierung beschleunigen. Eine weltweite Transformation erscheint nur dann möglich, wenn sie ein bestimmter Koalitionstyp voranträgt. Revolutionen werden gemacht, wenn sie je gemacht werden, von einem Bündnis der am schärfsten Unterdrückten mit denen, die sich ihrer eigenen Entfremdung und der Entfremdung der anderen am meisten bewusst sind. Dieses Bündnis zeichnet sich in der vielgestaltigen Bewegung für eine "andere Welt", eine andere Globalisierung ab. Seine verschiedenen Komponenten belebt eine Fülle von mit ihnen verbundenen Akademikern, Ökonomen, Schriftstellern, Künstlern. Sie radikalisieren sich im Verkehr mit oppositionellen Gewerkschaftern, postindustriellen Neoproletariern, kulturellen Minderheiten, landlosen Bauern, Arbeitslosen.
"Je weitgehender der digitale Kapitalismus unsere Wirklichkeit bestimmen wird, desto größer wird die Zahl freiwilliger Um- oder Absteiger. Aus dem dritten Drittel wird eine neue (jedenfalls neu komponierte) Weltanschauung aufsteigen", sagt Peter Glotz. In seinen Augen ist der Gegenstand des Konflikts wesentlich kultureller Art. Aber der kulturelle Konflikt deckt sich in Wirklichkeit mit zutiefst politischen Gegenständen. Das Experimentieren mit anderen Lebensweisen und anderen gesellschaftlichen Beziehungen in den Spalten einer Gesellschaft, die in Auflösung begriffen ist, untergräbt und delegitimiert die Kontrolle, die das Kapital über den Geist und den Körper der Menschen ausübt. Die Zwänge und Werte der kapitalistischen Gesellschaft hören auf, als natürlich wahrgenommen zu werden, und befreien die Mächte der Imagination und des Begehrens. [*]