hi gods, weil wir grad gestern über die unitat geredet haben: im folgenden programmdiskussionsbeitrag von heidi ambrosch kommt sie auch vor.
lie grü Markus
Betreff: Diskussionsbeitrag Parteitag
Heidemarie Ambrosch ambrosch@kpoe.at
Aufruf zur Beteiligung an der programmtischen Diskussion in Vorbereitung des Parteitages
von Heidi Ambrosch
Ausgangspunkt der programmatischen Thesen der Programmkommission bildet die Entscheidung der KPÖ vor mehr als einem Jahrzehnt, der drohenden Gefahr des Zerfalls der Partei, den Weg einer radikalen Erneuerung entgegen zu setzen. Der Kern der Auseinandersetzungen in der Partei dreht sich um diese Entscheidung. Soll dieser Weg weiter beschritten werden oder nicht, ja mehr, sollen Parteitagsbeschlüsse des letzten Jahrzehnts revidiert werden, darunter auch das Frauenprogramm.
So schreibt Genossin Lisl Rizy in einem Grundsatzpapier "Gedankensplitter zur kommunistischen Frauenpolitik: Der Kampf um echte und endgültige Befreiung der Frau ist in erster Linie Klassenkampf und kein Geschlechterkampf." Sie polemisiert gegen die Verbindung von antikapitalistischer und antipatriarchaler Orientierung im Frauenprogramm, ".... dass es keinen die Klassengegensätze überlagernden Geschlechtergegensatz gibt." Genossin Kathrin Niedermoser meint in der KSV-Zeitung Unitat unter dem Zwischentitel "Bürgerliche Frauenrechtlerinnen: Während heute gerade am Frauentag der Ruf nach Schwesterlichkeit laut wird und soziale Unterschiede bzw. Widersprüche mit dem Konstrukt Geschlecht verwischt werden, grenzte sich Clara Zetkin bereits zu Beginn des 20.Jahrhunderts stark gegen die bürgerlichen Frauenrechtlerinnen ab." Wo Niedermoser die bürgerlichen Demonstrantinnen am 8.März in den letzten Jahren ausmacht, weiß ich nicht. In Salzburg selbst war sie beteiligt an einer Kundgebung gegen die radikalen Abtreibungsgegner, in Graz haben unsere Genossinnen im Bündnis gegen das aktuelle Regierungsprogramm demonstriert und in Wien lautete der Aufruf zur Demonstration "gegen Ausbeutung und Krieg". Niedermoser`s Aufsatz zeigt viel mehr, wie der Blick auf die Geschichte manche blind gegenüber aktuelle Entwicklungen macht, statt diesen Blick zu schärfen. Die sozialen und ethnischen Unterschiede unter Frauen sind seit anfang der 80er Jahre Thema in den feministischen Bewegungen.
In beiden Statements wird die aktuelle patriarchale Unterdrückung ausgeblendet, die kapitalistische Ausbeutung auf die Produktionsspähre reduziert und damit der Arbeitsbegriff wieder eingeengt. Nur das "Seite an Seite-kämpfen" zähle, der Kampf gegen Männerprivilegien oder gegen die Gewalt von Männern wird ignoriert oder im Klassenkampf "subsumiert".
So ausgeprägt kommt das im steirischen Diskussionspapier nicht zum Ausdruck. Hier wird im aktionsprogrammatischen Teil vom antipatriarchalen Umbau der Gesellschaft gesprochen, wird auf`s Frauenprogramm Bezug genommen. Doch diese strategischen Orientierungen leiten sich nirgendswo ab. In den entscheidenden Passagen der Kapitalismusanalyse kommt das Patriarchat, kommen Geschlechterverhältnisse nicht vor, erst im Kapitel Sozialismus und Freiheit.
Die Forderung, die wir mit dem Frauenprogramm 1997 mit großer Mehrheit am Parteitag beschlossen haben, "Geschlecht ebenso wie Klasse als soziale Strukturkategorie zu begreifen, die soziale Ungleichheiten und Machtverhältnisse, Privilegien und Diskriminierungen beschreibt und gegenüber der Klassenstruktur Eigenständigkeit besitzt" wird zurückgeworfen und damit der Blick auf weibliche Lebensverhältnisse, auf über die Hälfte der Bevölkerung, verstellt.
Ich behaupte jetzt nicht, dass wir diesen Anspruch in den Thesen ausreichend berücksichtigt haben. Erste Reflexionen zeigen, dass eine neuerliche Überarbeitung notwendig ist. So kritisiert Claudia Volgger in einem Volksstimmebeitrag zu Recht, dass z.B. in der ersten These, die Revolutionierung der Produktivkräfte, insbesondere im Bereich der Biogenetik nur allgemein beschrieben wird, nicht aber der unmittelbare Zugriff auf Funktionen des weiblichen Körpers als Material, als Grund- und Treibstoff. Eine Frau von Attac schreibt mir, warum die wirtschaftliche Basis des fordistischen Kapitalismus - in der These 2 - auf die industrielle Massenfertigung von Produktions- und Konsumgütern beschränkt wird. Was ist mit der Reproduktionsarbeit, der Herstellung der Ware Arbeitskraft? Und so könnte man noch viele Beispiele finden, wo auch in den Thesen einiges zu präzisieren, ergänzen und zu verändern wäre. Aber rückwärts gewandte Positionen zwingen uns 5 Jahre nach dem Beschluss des Frauenprogramms eine überwunden geglaubte Grundsatzdiskussion auf.
Ich ersuche alle Genossinnen, insbesondere jene, die an der Erarbeitung des Frauenprogramms mitgewirkt haben, sich offensiv in diese Diskussion einzubringen.
Der Bundesvorstand hat sich entschieden, dem Parteitag ein ganz neues Papier vorzulegen, das sich auf Kernfragen des konkreten Politik-machens verständigt. Allerdings geht auch Politik-machen nicht ohne Fragen der Identität zu klären, d.h. auch solche werden behandelt. Wir wollen uns dabei auf jene konzentrieren, in denen sich Konsens aus bisherigen Debatten abzeichnet. Die strittigen Dissenzpunkte sollen festgehalten und weiter diskutiert werden.
Außer Streit muss m.E. am Parteitag gestellt werden, dass es kein Zurück hinter das Frauenprogramm geben kann.
Zentraler Ausgangspunkt für das Frauenprogramm ist die Erkenntnis, dass eine Kapitalismusanalyse ohne Berücksichtigung der Geschlechterverhältnisse nur die Hälfte der Wahrheit ist. Dass es keine Vision einer anderen Welt geben kann, die nicht auch die Abschaffung patriarchaler Unterdrückung zum Ausgangspunkt hat. Dass daher eine wirksame Strategie nur in der Verbindung einer antikapitalistischen und einer antipatriarchalen Orientierung bestehen kann. "Zur Regel muss werden, die unterschiedlichen Produktionsweisen in der Geschichte immer auch als Geschlechterverhältnisse zu untersuchen. Keine lässt sich begreifen ohne Beantwortung der Frage, wie die Produktion des Lebens im Gesamt der Produktionsverhältnisse geregelt ist und in welchem Verhältnis sie zur Produktion der Lebensmittel steht, kurz wie sie die Reproduktion der Gesamtgesellschaft bedingt." fordert zu Recht die deutsche marxistische Feministin Frigga Haug. (Historisch-kritisches Wörterbuch des Marxismus, Stichwort Geschlechterverhältnisse)
Die ökonomische Basis des Kapitalismus in Bezug auf die Arbeit zu erfassen, verlangt den Blick auf alle gesamtgesellschaftlich notwendige Arbeit in Produktion und Reproduktion zu richten, die zu 2/3 von Frauen geleistet wird.
Eigentumsverhältnisse zu erfassen, heißt auch wahrzunehmen, dass laut UNO weltweit nur 10% der Einkommen Frauen erhalten, ihr Anteil am Besitz weniger als ein Prozent ausmacht.
Und Machtverhältnisse zu beschreiben, verlangt den Blick auf die Führungsetagen in den mächtigen Wirtschafts- und politischen Organisationen zu richten. Weniger als 5% Frauen finden sich europaweit in diesen, weltweit ist der Anteil wahrscheinlich noch geringer.
Neoliberaler Umbau bedeutet eine Verschärfung der Geschlechterwidersprüche, charakterisiert durch eine weitere Abwälzung notwendiger Arbeit auf Frauen, das auseinander gehen der Lohnschere, insgesamt geringerer Einkommen. Zugleich sind auf dieser Basis Frauen überproportional von allen Massenbelastungen betroffen. Neoliberalismus bedeutet eine Stärkung fundamentalistischer reaktionärer Ideologien auch im christlichen Abendland, ein neuer Kreuzzug gegen die Abtreibung und für das Mutterkreuz ist auf der Tagesordnung. Die Militarisierung der Gesellschaft verstärkt die Gewalt gegen Frauen. Kaum mehr eine Frau ist in den diversen Diskussionsrunden am Bildschirm zu sehen, diese Themen kommen nicht vor.
Die Einengung des Arbeitsbegriffes, die Ignoranz gegenüber den weiblichen Lebenszusammenhängen verstellt den Blick auf die Möglichkeiten der Veränderungen und die Frage nach ihren Subjekten.
Aber nicht abstrakte Kategorien verändern, sondern jene, die sich heute bewegen, die in Spanien, Italien oder Griechenland an einen Generalstreik gegen den Krieg denken, die Kriegsschiffe am Auslaufen verhindern. Die Treffen des Weltsozialforums in Porto Alegre oder in Florenz beim Europäischen Sozial Forum sind gekennzeichnet von einer neuen Verbindung zwischen Organisationen der ArbeiterInnenschaft und der Vielfalt sozialer Bewegungen, darunter der feministischen. Gemeinsam ist ihnen die Losung kein Blut für Öl und eine andere Welt ist möglich.
"Es ist das Verdienst feministischer Theoretikerinnen, die soziale Kategorie Geschlecht begründet zu haben, und zwar zu Zeiten, da ein verflachtes Marxismus-Verständnis meinte, die Geschlechterverhältnisse mit Wörtern wie Haupt- und Nebenwiderspruch beschreiben zu können. Feministinnen haben den Blick auf den Sexismus als ein System von Vorurteilen, Herabwürdigungen und Benachteiligungen geschärft und als Strukturmerkmal kapitalistischer wie nichtkapitalistischer Gesellschaften beschrieben." heißt es in den Thesen.
Die feministischen Bewegungen setzen sich seit mehr als einem Jahrzehnt mit den neoliberalen Veränderungen in allen Lebensbereichen kritisch auseinander. Sie haben Analysen, Forderungen und Aktionsorientierungen entwickelt, an den Kommunistinnen beteiligt waren und aus denen wir lernen konnten. Diese unsere gemeinsame Aufgabe muss fortgesetzt werden, auch im Sinne des kommunistischen Manifests:
"KommunistInnen unterstützen überall jede revolutionäre Bewegung gegen die bestehenden gesellschaftlichen und politischen Zustände."