hallo,
bitte um Kritik.
lg, Roland
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Die FPÖ klärt – ungewollt – über den Lohn auf.
Die FPÖ will mit ihrem Slogan „Einkommen zum Auskommen“ nicht einfach eine schlichte Wahrheit über den Lohn verkünden.
Hat Strache, neben der Imitierung des Che-Kults, nun gar angefangen, Marx zu lesen? Wohl kaum! Doch auf dem ersten Blick hat es den Anschein, als ob die FPÖ eine richtige Erkenntnis über die Einkommensform Lohn gewonnen habe, da sie nämlich „Einkommen zum Auskommen“ plakatiert. Mit dieser intellektuellen Meisterleistung hat die FPÖ in aller Kürze schon alles Wesentliche über den Lohn gesagt. Genau das soll der Lohn leisten – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Mehr als das bloße Auskommen darf es einerseits nicht sein, weil dann keiner mehr zum Arbeitengehen gezwungen wäre. Weniger als das bloße Auskommen darf es aber andererseits auch nicht sein, weil dann das Abliefern der Arbeitsleistung nicht mehr gewährleistet wäre. Wenn jemand z. B. seine Miete nicht mehr bezahlen kann und unter der Brücke landet, so ist er für kein Unternehmen mehr akzeptabel. Mit dem Wunsch nach einem „Einkommen zum Auskommen“ ist das Ideal des Lohns formuliert – und das ist nichts Angenehmes für diejenigen, die vom Lohn leben müssen!
Was die FPÖ da als Auskunft über diese Form von Einkommen erteilt, soll nicht als die Wahrheit über den Lohn und die sich daraus ergebenden Brutalitäten und das damit besiegelte Schicksal der ihm unterworfenen Lohnabhängigen verstanden werden; im Gegenteil, es ist als Angebot ans lohnarbeitende Wahlvolk gedacht: Dabei ist der Lohn von vornherein für nichts anderes vorgesehen, als das notwendige Einkommen, eben das bloße Auskommen, zu gewährleisten. Dass der Lohn Dauerthema ist, verweist darauf, dass der Begriff des „Auskommens“ sehr dehnbar ist und einige Ansprüche an die Überlebenskünste derer stellt, die von Lohn leben müssen. Die FPÖ bekundet unbewusst, dass es, mitten im größten Reichtum, überhaupt keine Selbstverständlichkeit ist, dass die Leute vom Lohn leben können!
Wenn der vom Kapital gezahlte Lohn nicht zum Leben reicht, dann sorgt der Sozialstaat mittels Lohnumverteilung innerhalb der Arbeiterklasse dafür, dass das gezahlte Einkommen zum Auskommen doch reicht. Und das fordert erst Recht sämtliche Spar- und Einteilungskünste der Leute heraus, sodass diese den ganzen Tag an wenig anderes mehr denken können. Auch wenn man so wenig verdient und so viele Stunden arbeiten muss, dass man tagtäglich nur eine Sorge wälzt, nämlich wie man das nötige Geld zum Leben zusammenbekommt, ist das für die FPÖ und Co. kein Einwand gegen das mangelnde Auskommen. Schaffen müssen es die Leute; jede überwindbare Anstrengung ist noch kein Einwand gegen diesen täglichen Balanceakt, solange sie es irgendwie doch schaffen. Dass die Leute überhaupt jeden Tag zur Arbeit bzw. zur Arbeitslosigkeit – auch das allzeit Bereitsein für die Arbeit ist eine Sorte von Fulltimejob - antreten können, dafür ist der Lohn da. Wie sie das schaffen, ist deren „individuelles“ Problem.
Wie hoch das Einkommen sein soll, damit es zum Auskommen taugt, ist einem ständigen Ringen - das man früher noch so nannte, was es ist, nämlich Klassenkampf - ausgesetzt. Die FPÖ, durchaus kein Feind der Unternehmerklasse, d. h. ein Klassenkämpfer von oben, vermeidet daher die Forderung nach Mindestlohn, und die Nennung einer Untergrenze, und wählt lieber die elastische Formulierung „zum Auskommen“, womit dem p.t. Publikum überhaupt nichts anderes versprochen wird als die gleiche Scheiße, mit der es sich heute schon herumärgern muss. Ein wahrhaft genialer Slogan! Verspricht nix, tut aber sehr besorgt.
Denn dieses von ihr geforderte Auskommen ist in Wirklichkeit ein Armutszeugnis in jeder Hinsicht, weil mit dem abgesicherten Auskommen auch die Funktionstüchtigkeit der Armut gesichert wird - und genau diese proletarische Armut, die gleichzeitig die Quelle des kapitalistischen Reichtums ist, möchte die FPÖ, wie alle anderen Parteien auch, garantieren. Im Gleichklang mit allen Anderen ist der FPÖ klar, dass eine Aufhebung der eigentümlichen Trennung der Arbeiter von den Produktionsmitteln nicht in Frage kommt. Aufs Privateigentum lassen demokratische Politiker und Kapitalisten nichts kommen. Warum auch? Sie profitieren ja davon. Aber auch diejenigen, die das Privateigentum für Andere schaffen, die Arbeiter, sehen das ganz genauso.
Damit ist eines klargestellt: Arm, d. h. lohnabhängig, sollen, ja müssen die Leute bleiben, aber vor die Hunde dürfen sie nicht gleich gehen, weil sie dann für die produktiven Diensten nicht mehr brauchbar sind. Und die Gewährleistung der funktionellen Armut ist ja der ganze Zweck, warum ein Lohn überhaupt bezahlt wird. Damit, dass die Leute ihr ganzes Leben lang fleißig fürs Kapital hackeln können, ist das „Anforderungsprofil“ an Proletarier noch nicht erledigt. Sie sollen zweitens auch, wenn verlangt, Kanonenfutter für den Staat sein. Und als drittes sollen sie Kinder zeugen bzw. gebären, d. h. zukünftige, frische Arbeiter, Eltern und Kanonenfutter. Das – und nur das – soll der Lohn leisten, was er tatsächlich macht. Mit der Lohnarbeit erhalten und verewigen Staat und Kapital ihre Arbeiter, Soldaten und Eltern als Klasse. Auch Arbeitsvieh gehört zumindest so gefüttert, dass es die optimale Leistung erbringt.
Die FPÖ weiß, dass die meisten Leute ihr Einkommen aus nichts anderem, als aus entlohnter Arbeit beziehen. Lohn wird überhaupt nur gezahlt, wenn sich jemand von der damit eingekauften Arbeit Profit verspricht. Damit das passiert, müssen zwei Bedingungen erfüllt sein: Der Einkäufer, der Kapitalist, muss über Geld für den Kauf von Produktionsmittel und Arbeitskraft verfügen. Der Verkäufer, der Arbeiter, darf über nichts als seiner ganz persönlichen Arbeitskraft verfügen. Will er an Geld rankommen, bleibt ihm nichts anderes übrig, als sich dem Kapitalisten als lebender Arbeitskraftbehälter zur Verfügung zu stellen, d. h. für diesen zu arbeiten und dafür Lohn kassieren. Dieses Verhältnis sorgt dafür, dass der Lohn beim Kapitalisten als Kostenverursacher wirkt und daher möglichst gering zu halten ist. Wird „zuviel“ Lohn vom Profit abgezogen, gibt’s bald weder das Eine, noch das Andere, weswegen der Lohn immer so gering wie möglich sein muss, damit der Profit sich „lohnt“ und der Lohnarbeitsplatz damit erhalten bleibt. Damit sorgt das Einkommen aus Gewinn dafür, dass das Auskommen der Lohnabhängigen immer auf dem am bloßen Auskommen orientierten Minimum bleibt. Karl Marx hat es auf den Punkt gebracht: „Der Arbeiter selbst produziert daher beständig den objektiven Reichtum als Kapital, ihm fremde, ihn beherrschende und ausbeutende Macht, und der Kapitalist produziert ebenso beständig die Arbeitskraft als subjektive, von ihren eigenen Vergegenständlichungs- und Verwirklichungsmitteln getrennte, abstrakte, in der bloßen Leiblichkeit des Arbeiters existierende Reichtumsquelle, kurz den Arbeiter als Lohnarbeiter. Diese beständige Reproduktion oder Verewigung des Arbeiters ist das sine qua non der kapitalistischen Produktion.“ (Karl Marx, MEW 23, 596.)
Nicht nur der FPÖ, sondern jedem aufgeklärten mündigen Bürger sind diese Verhältnisse irgendwie geläufig. Sie kommen ihnen aber qua normativer Kraft des Faktischen ganz selbstverständlich – und gar nicht merkwürdig vor. Niemand verfällt auf die Frage, warum man sich „bloß“ mit dem Auskommen zufrieden geben soll? Was ist von einer Wirtschaftsordnung zu halten, in der das eingestandenermaßen äußerst bescheidene Auskommen der Masse vom Bereicherungsinteresse einiger Weniger abhängig ist?
Solche Fragen müssen sich einem von Haus aus verbieten, damit man den FPÖ-Spruch als Angebot und nicht als die übliche Frechheit der Parteigänger der Ausbeutung ansieht und Strache & Co. nicht mit nassen Fetzen davonjagt.