hi zusammen,
... bin ich der ansicht, dass die produktivkräfte noch immer nicht
weit
genug entwickelt sind! sie müssten nämlich weltweit in einem
ähnlichen
maß
entfaltet sein, weil ungleichzeitigkeiten in der entfaltung eben
darauf
hinweisen, dass die produktivkräfte eben noch nicht genug
entwickelt
sind.
dialektisch denken schliesst logisches denken nicht
notwendigerweise
aus,
so wie offensichtlich bei Weiß (wo es sich womöglich sogar
gegenseitig
ausschliesst).
Wie weit müssen die Produktivkräfte entwickelt sein, damit eine revolutionäre Situation entsteht? Wenn es stimmt, dass die
Produktivkräfte
noch entwickelt werden müssem, dann hätte der alte Marx eine
Revolution
gar nicht im Sinn haben können; denn unzweifelhaft waren die Kräfte im
19.
Jhd. noch weit weniger entwickelt, als heute. Es gibt doch kein Ende der Produktivkraftentwicklung, es geht nur manchmal schneller, manchmal langsamer, dann gibts wieder regelrechte Sprünge
(elektrotechnische-,
chemische-, fordistische-, IT-"Revolutionen"). Daher rühren auch die "Ungleichzeitigkeiten"; die können erst im Sozialismus ausgebügelt
werden.
Trotzdem ging Marx davon aus, dass eine soziale Revolution zu seinen Lebzeiten machbar ist und zwar, weil es nicht von der Produktivkraftentwicklung abhängig ist! Die rapide Entwicklung hat
den
Kapitalismus erst möglich gemacht. Eine Revolution findet statt,
wenn
sich
genügend Leute dafür finden; die wissen, was sie machen wollen. Die kapiert haben, dass Geld, Eigentum, Staat, Konkurrenz, Nationalismus,... unvernünftig sind und sich die Leut damit gegenseitig nur schaden. Profitieren tut nur das Kapital und das politische Establishment und
die
müssen sich auch strikt an die Gesetze des Kapitalismus halten, wenn
sie
ihren Reichtum und die Macht behalten wollen. Die haben auch wenig Spielraum, wenngleich sie auf der Butterseite der Scheiße leben. Mir scheint, wer auf die weitere Entwicklung der Produktivkräfte
setzt,
wartet auf den Sanktnimmerleinstag. Dann hätten Kummerl die Aufgabe,
für
Rationalisierung, Forschung um jeden Preis, für schnellste Produktivitätssteigerung zu sorgen. Also das, wofür das Kapital
schon
sorgt!
marx war halt hoffnungsvoll, dass die produktivkraftentwicklung zu
seinen
lebzeiten bereits auf dem erforderlichen niveau sein wird - marx ist
NICHT
von einem voluntaristischen akt der herstellung der bedingung zur herstellung der "freien assoziation freier produzentInnen"
ausgegangen,
sondern davon, dass im schoss der bürgerlichen gesellschaft bereits
alle
notwendigen voraussetzungen zu kommunistischen praxis hergestellt sein werden, schätzomativ auch inklusive verbreiteten praxen. die
sowjetunion
hat das mit dem absterben des kapiutalismus und mit den
realsozialismus
als übergang zum kommunismus erfunden, um das peinliche faktum nach
einer
kommunistischen revolution eine protobürgerliche entwicklungsdiktatur zustandegebracht zu haben zu kaschieren. die entwicklung der produktivkräfte hat er schon als bürgerliche aufgabe gesehen und der versuch, die revolution einem bewusstseinsmässig (das
gesellschaftliche
sein bestimmt das bewusstsein) hinterherhinkenden land aufzupfopfen
geht
immer in die hose und verleiht der reaktion die nötige kraft zum gegenschlag. ausserdem ist ja gerade das scheitern der revolution in
der
ddr und in der sowjetunion 1989 ff. der beweis dafür, dass
revolutionärer
voluntarismus illusionärer idealismus ist (auch wenn ich froh über
dieses
intermezzo bin und das qu.e.d. 89ff. war auch nicht zu verachten, als lehre aus der geschichte). man kann nicht andauchen roli, das gesellschaftliche bewusstsein ist
auch
noch nicht sehr weit und wenn das gesellschaftliche sein das
bewusstsein
bestimmt, dann schauts gemessen am bewusstsein mit dem
gesellschaftlichen
sein noch nicht so gut aus, dass wir von revolution träumen könnten. vorläufig feiert das fetischisierte denken triumphe über das kritische
und
die aufgabe einer kommunistischen bewegung kann nur sein, die zur kritikfähigkeit zu befähigen und sie zu fördern und nicht, peinliche
und
zum scheitern verurteilte praktische experimente wider besseres wissen
zu
machen. ich hab das auch anlässlich des faschismus-seminars erklärt:
auch
der faschismus war revolutionär und er war anscheinend damals den
massen
lieber als der sozialismus, der ja in deutschland bekanntlich 1918 scheiterte. daraus schliesse ich, dass sowohl produktivkräfte als auch gesellschaftliches bewusstsein noch nicht so weit waren. und jetzt ist
es
auch noch nicht so weit - wir leben im ubiquitären kleinbürgertum, es
gibt
ja noch nicht mal ein klassenbewusstsein, jeder bürohengst hält sich
für
nen bourgois, kein hackler will prolet sein und die prekarisierten
halten
sich für ich-AGs, also kleinunternehmerInnen! das gesellschaftliche bewusstsein bestimmt das sein! jeder versuch darauf einen
revolutionären
akt zu setzen ist idealistisch, voluntaristisch, verblendet und
schadet
mehr als er nützt! hals über kopf lässt man nur seinen kopf liegen und
den
sollten doch grade kommunisten oben behalten.
ja, das gesellschaftliche sein bestimmt das bewusstsein. doch der satz besagt doch nur, dass leute üblicherweise gemäß ihrer klassenlage denken und agieren; dass sie sich im allgemeinen an die politischen vorgaben
halten.
mit betonung auf "üblicherweise" und "im allgemeinen". das ist das "falsche bewusstsein". wird verlangt, dass sie faschisten sind, werden sie es; kehrt wieder demokratie ein, haben sie auch damit keine problem. weil sie
immer
aus opportunismus - ihrem jeweiligen staat treu sind. das ist das bewusstsein eines patrioten. bei der herstellung eines solchen bewusstseins denken die leute dabei, aber sehr konform, unlogisch, unreflektiert, inkonsequent, also falsch. der satz übers gesellschaftliche sein wird
von
dir, liebe nora, zu deterministisch ausgelegt. weil dann ist ne
revolution
nie möglich. weil proleten und proletinnen unterm totalen kapitalismus
als
proleten nicht nur üblicherweise, sondern immer nur ein proletenbewusstsein mit allem was dazu gehört, hervorbringen können. aus marx hätte, gemäß seinem gutbürgelichen sein, demnach bloß eine liberaler journalist mit spitzer feder werden können. er wäre nur in die literaturgeschichte eingegangen.
klassenbewusstsein (die klasse für sich!) kann sich doch nur in einer unterbrechung des seinsabhängigen bewusstseins ergeben. und das kann nur eine denkleistung sein, mithin voluntaristisch. es ist das bewusste denken, das über die grenzen hinausweist. im denken löst sich das bewusstsein
vom
sein und geht darüber hinaus. utopien wären etwa sonst nicht möglich.
ein
prolet kann sich in einen kapitalisten hineindenken, ohne einer zu sein; und umso besser, je mehr er über das konstituierende eines kapitalisten
weiß.
umgekehrt natürlich auch. selbstverständlich kann dabei jede menge falsches und blödsinn, aus inkonsequenz, unlogik, etc. gedacht werden. es
passiert
ja permanent. da kommt dann faschismus, etc. raus.
folgt man deiner ansicht bezügl. produktivkraftentwicklung, dann müssten wir heute bei einem höchstmaß an produktifkraft, ein höchstmaß an klassenbewusstsein haben, wovon keine rede sein kann. im gegenteil, das proletariat ist klassenbewusst so tot wie nie zuvor. die these vom zusammenhang zwischen produktivkraftentfaltung und klassenbewusstsein
ist
nicht haltbar. die stärksten revolutionsversuche gabs ja 1917ff. in
einer
zeit wo die produktivkräfte allgemein, bei weitem das heutige ausmaß
nicht
hatten und wegen des weltkrieges sogar rückläufig waren. auch die sowjetunion spricht gegen die these: war nicht die russische revolution ein voluntaristischer akt von einigen entschlossenen berufsrevolutionären und revolutionärinnen? und noch dazu in einem land mit hinterherhinkender produktivkraft, verglichen mit mittel- und
westeuropa?
ja, das ist genau das problem des bewusstseins! in russland gab's tatsächlich die intellektuellen (also die avantgarde) mit dem nötigen bewusstsein und eine proletarische elite von arbeitern, aber die produktivkräfte waren genau nicht genug entwickelt, es gab wenig hochentwickelte arbeitsteilung an sehr wenig orten - das hat die oktoberrevolution zu einer avantgardistischen revolution gemacht, die dann in der aufgabe der nachholenden bürgerlichen entwicklung versumpft ist - die mag ja sogar geglückt sein, mit dem resultat dass die massen 1990 einen politischen ausdruck dieser materiellen verhältnisse wollten - eine bürgerliche demokratie nämlich - die aufgabe, den staat absterben zu lassen und kommunistisch zu werden (wie stalin das für einen zukünftigen st. nimmerleinstag prognostiziert hatte) ist dann nicht mehr zustande gekommen.
die revolutionären konzepte die derzeit existieren orientieren sich an rezepten, die bereits veraltet sind, weil sie keine globale perspektive beinhalten. die negrische "multitude" ist keine lösung, weil nur ein diffuses subjekt gefeiert wird, das ebenfalls sich selbst feiert, aber punkto ideen genauso auf nostalgische rezepte verfällt. ausserdem ist weit und breit nichts von globaler verantwortung in den "revolutionären" konzepten zu entdecken - ich halte einen kommunitaristischen ansatz für nur insofern zielführend als er nationale modelle optimiert - nix dagegen aber das ist höchstens reformistisch.
in zeiten der internationalen vernetzung sind lokale "revolutionen" höchstens revolten und ihre ansprüche auch selten über das wohl der betreffenden nation hinausweisend (ukraine, libanon) - im grunde alles bloss einforderungen bürgerlicher versprechungen, die endlich verwirklicht werden sollten. dem schliesse ich mich auch voll und ganz an: solange für die menschheit insgesamt nicht die bürgerlichen versprechen eingelöst sind, sehe ich keine möglichkeit, dass die kommunistischen versprechen überhaupt verstanden werden, geschweige denn gewünscht.
in europa hat das kleinbürgertum - auch mittelschichten genannt, die grossartige funktion eine puffers, sowohl ökonomisch, als auch politisch, als auch intellektuell, um die wahrheit der verhältnisse nicht zu sich kommen zu lassen und das proletarische klassenbewusstsein (das ja eigentlich auch gar nicht auf die arbeiterInnen allein beschränkt sein und bleiben muss) im dornröschenschlaf zu halten. es lebe die ideologische arbeitsteilung.
die entwicklung der produktivkräfte als bürgerliche aufgabe? was heißt
das
genau? die produktivkräfte werden doch von den proleten entwickelt;
unter
dem diktat des kapitals und zwecks profiterzielung! warum hätten sie damals am beginn des kapitalismus das bürgertum dafür brauchen sollen, wenns genug sozialisten und sozialistinnen gegeben hätte?
das ist ein irrtum: die vorgaben macht das bürgertum und kauft sich dafür die entsprechende arbeitsleistung, von sich aus kommen leute, die nicht im besitz von produktionsmitteln sind, auch nicht auf die idee, diese - womöglich gegen ihr interesse, ihre arbeitskraft auch weiterhin verkaufen zu können - zu optimieren. sozialistInnen verhandeln im arbeitskampf meistens über die bedingungen und möglichkeiten ihrer reproduktion, im übrigen hat ja auch erst das kapitalverhältnis die klassen als solche erzeugt. nicht die socken überm schuh anziehen!
die einführung des
kapitalismus war ein staatlicher gewaltakt. die mussten erst das kapital (ursprünglich) akkumuliern, dann konzentrieren. das dabei angehäufte kapital ist notwendig, um die produktivkräfte fortlaufend zu "revolutionieren".
auch nicht richtig. das kapitalverhältnis hat sich die bestehenden staatlichen institutionen nach seinen bedürfnissen geformt, der staat ludwig des XIV. ist, obwohl er bereits zum zentralstaat transformiert wurde, in keinster weise mit dem staat napoleons III. ident. und die entwicklung kapitalistischer strukturen ist je nach betrachtetem land ungeheuer unterschiedlich, einfach deshalb, weil die historischen bedingungen unter denen das kapitalverhältnis sich durchzusetzen begann unterschiedlich sind. frankreich, italien, england, deutschland, schweden sind spezifische ausformungen und nicht untereinander austauschbar.
diese entwicklung hätten ja auch genügend sozialisten, ohne kapital,
etc.
machen können, nach vernunftkriterien.
hätten das sozialisten gemacht, wären sie die kapitalisten geworden, die tätigkeit, die jemand in der gesellschaft ausübt, definiert seine gesellschaftliche haltung, position und funktion kannst du nicht auseinanderlegen - sonst hast du lauter schizophrene. das war ja auch der grund warum die SU im grunde ein bürgerlicher staat war und die nomenklatura nach der wende sich selbst zum neuen grossbürgertum transformierte.
der grad der gesellschaftlichen arbeitsteilung bestimmt die fähigkeit bestimmte verhältnisse und strukturen zu denken - oder eben nicht zu denken (die alten griechen hatten alle mathematischen und physikalischen erkenntnisse, um die erste dampfmaschine zu bauen - sie taten es nicht, weil ihre gesellschaftlichen verhältnisse dem denkkonzept einer massenhaften warenproduktion mit hilfe von maschinen nicht förderlich waren).
selbst für eine beginnende
produktivkraftentwicklung brauchts kein kapital.
manche meinen doch. stapelfeld geht davon aus, dass der handelskapitalismus des 13. jh. (hanse, fugger, genua, valencia) das notwendige startkapital für die beginnende manufakturproduktion erwirtschaftet hat - ohne das eine, keine möglichkeit für das andere. im 15. jh. war das kapitalverhältnis bereits weit entwickwelt, daher die intellektuellen erkenntnismöglichkeiten der renaissance, die wiederum die produktivkräftentwicklung vorantrieben. ausbeutung (im kapitalistischen sinn) gab's damals schon lange, aber noch keine sozialisten. savonarole war genausowenig einer wie francesco d'assisi.
wer das glaubt, wird nie
einen grund für die abschaffung des kapitalismus finden.
aber ja, gründe für die aufhebung des kapitalverhältnisses gibt es mehr als bloss einen - das ist doch hier nicht der punkt! ich dachte hier geht's darum, ob es schon hinreichende bedingungen dazu gibt. und die müssten mannigfaltig und multivariabel sein: eine variable REICHT NICHT HIN für einen erfolg. das elend der welt ist zwar ein grund, aber kein auslöser für eine erfolgreiche aufhebung der klassenverhältnisse - elend gibt's seit jahrtausenden, elend unterm kapitalverhältnis seit jahrhunderten - trotzdem hat sich nicht die revolutionäre transformation ergeben sondern die ungeheure und permanente optimierung der produktivkräfte sub auspicie capitalis.
stimmt, marx hat
das auch mal vertreten. und noch schlimmere geschichtsphilosphie. M. w. ist beim späten marx davon nix mehr geblieben.
ich bin kein grosser fan von einer unterteilung von frühem und spätem marx - nur weil er sich weiterentwickelt hat, ist er noch kein anderer mensch geworden. wesentliche momente seiner ideen ziehen sich durch seine gesamte lebensarbeit, wie denn auch nicht!?
roli, ich denke nicht deterministisch, aber mit dem kopf durch die wand rennen wollen, ist noch keine revolution. vor dem scheitern klug zu sein ist der gesundheit zuträglicher als nachher.
nicht mal napoleon konnte die französiche revolution voluntaristisch durchsetzen, die welt hat halt warten müssen, bis alle staaten bürgerlich wurden - das ist bei manchen bis heute nicht der fall und in russland hat's eine kommunistische revolution gegeben um 1990 im bürgerlichen (neo) liberalismus anzukommen. napoleon aber hat das früher wollen und 1812 kräftig auf die finger gekriegt! wie wär's mit revolutionärer geduld und das tun, was geht? gehen kann nämlich eine praxis der kritik, die das bewusstsein entwickelt und ohne eine solche praxis des bewusstseins gibt's nur eine reflexgesteuerte praxis und die kommt leider wenig weit. (siehe z.b. was die kpö so treibt).
lg nora