hallo mond,
Wie weit müssen die Produktivkräfte entwickelt sein, damit eine revolutionäre Situation entsteht? Wenn es stimmt, dass die
Produktivkräfte
noch entwickelt werden müssem, dann hätte der alte Marx eine
Revolution
gar
nicht im Sinn haben können; denn unzweifelhaft waren die Kräfte im 19.
Jhd.
noch weit weniger entwickelt, als heute.
das ist aber eine fragestellung. die die weiss behandelt hat war, ob sie weit genug sind, dass nach einer revolution eine sozialistische/kommunistische ordnung moeglich ist.
eher umgekehrt, würde ich sagen: nämlich so, dass die bedingungen und verhältnisse sich so darstellen, dass die bestehenden verhältnisse eine bereits global verwirklichbare kommunistische/sozialistische menschliche verkehrsform nur noch verhindern bzw. ihr im weg stehen und eine revolution bloss noch diese hindernisse beseitigt um dem allgemeinen tun vollkommen freie entfaltungsmöglichkeiten zu schaffen.
und ich bin der ansicht, dass das die wesentliche erkenntnisproblematik für handlungsanleitende praxis sein muss! die gesamte weltgesellschaft muss diese aufgabe (der entwicklung freier menschlicher verkehrsformen) bereits selbst im begriffe sein zu unternehmen und nicht dazu von irgendeinem revolutionären oben extra dazu motiviert bzw. gezwungen werden. das liefe schief!
die blutige durchsetzung des kapitalverhältnisses weltweit (auch in der SU und in China übrigens) setzt(e) m. e. nämlich bereits die welt davon in kenntnis, wie ihr weiteres procedere sein würde: nämlich blutig und dem menschlichen leben generell abträglich. wenn der sozialismus sich ebenfalls so durchsetzen müsste, wäre er von vornherein keiner - durch blut vergiessen und schlachten führen kommt man nicht zur menschlichen verkehrsform sondern zur unmenschlichen. das nur als kleine philosophische reflexion über durchsetzungsmöglichkeiten.
ansonsten vielen dank für die recherche der passenden zitate
lg nora
weiss meint:
Der große Dialektiker Marx hat jene frühen Erkenntnisse, die dem
behaupteten sozialistischen Charakter des Ostens und dem ML widersprachen, nie als unreif widerrufen. Die kommunistische Perspektive blieb immer der Horizont seiner theoretischen Arbeit. Allerdings führten ihn seine ökonomischen Forschungen der 50er Jahre zur Erkenntnis, daß eine allgemeinmenschliche Emanzipation, also eine erfolgreiche sozialistisch-kommunistische Umwälzung an solche materielle und
geistige
Voraussetzungen gebunden ist, die erst noch mit der weiteren internationalen kapitalistischen Entwicklung entstehe nwerden. Auch dort, wo wie 1917 das Proletariats tatsächlich im Sturmangriff eine schwache Bourgeoisie wegzufegen vermochte, war das kein Beleg für die Reife
einer
Gesellschaft für eine sozialistische Umwälzung und für den sozialistischen Charakter der revolutionären Subjekte selbst
Trotzdem ging Marx davon aus, dass eine soziale Revolution zu seinen Lebzeiten machbar ist und zwar, weil es nicht von der Produktivkraftentwicklung abhängig ist!
Diese geschichtliche Lage beherrschte auch die Stifter des
Sozialismus. Dem unreifen Stand der kapitalistischen Produktion, der unreifen Klassenlage entsprachen unreife Theorien. Die Lösung der gesellschaftlichen Aufgaben, die in den unentwickelten ökonomischen Verhältnissen noch verborgen lag, sollte aus dem Kopfe erzeugt werden. Die Gesellschaft bot nur Mißstände; sie zu beseitigen war Aufgabe der denkenden Vernunft. Es handelte sich darum, ein neues vollkommneres System der gesellschaftlichen Ordnung zu erfinden und dies der Gesellschaft
von
außen her, durch Propaganda, womöglich durch das Beispiel von Musterexperimenten aufzuoktroyieren. Diese neuen sozialen Systeme
waren
von vornherein zur Utopie verdammt, je weiter sie in ihren
Einzelheiten
ausgearbeitet wurden, desto mehr mußten sie in reine Phantasterei verlaufen.
-- ME20 Seite 241, Friedrich Engels - Herrn Eugen Dühring's Umwälzung der Wissenschaft Dritter Abschnitt Sozialismus
lg mond.