In Europa formiert sich eine linke Partei, um »unseren Kontinent« von den USA zu »emanzipieren«.
das steht in der form genau wo?
Als Faustregel für richtige Politikmacherei gilt, daß sowohl verspätetes als auch verfrühtes Handeln fehlerhaft ist, man also stets die Zeit befragen müsse, ob sie schon soweit sei. Daraus entstehen spannende Debatten: »Die Zeit ist reif für eine Partei der Europäischen Linken«, heißt es in einem Aufruf zur Gründung einer solchen,* und das Programm, vom selben Kreis verabschiedet, hält als Beschlußlage fest: »Ja, die Zeit ist gekommen ...« Ankunft und Reife der Zeit könnten sogar schon ein Weilchen übersehen worden sein, denn Wolfgang Gehrcke stellt für seine Partei, die PDS, fest, »wir halten die Zeit für überreif, daß sich die europäische Linke zu neuen Formen vereinigt«, womit er die Sozialistische Partei der Niederlande jedoch nicht überzeugt, zweifelt diese doch, »ob dies schon der rechte Zeitpunkt für eine derartige Parteigründung sei« und fordert mehr Geduld.
tsja. und was sagt uns das? dass verschiedene partein verschiedene einschaetzungen der lage haben? was waere die konsequenz daraus? soll man nie gemeinsam handeln bevor nicht alle 100% die selbe einschaezung teilen, oder was?
Der Gründungsakt der Partei der Europäischen Linken am 9. Mai in Rom wird also einen richtigen Parteivorsitzenden, einen echten Parteivorstand und eine gewisse (die Einzelheiten entnehmen sie bitte der Tagespresse) Zahl von Vollmitgliedsparteien zeitigen, andere werden Beobachterstatus beziehen, wieder andere, zu denen notorisch die DKP gehört, ihre Ausgrenzung beklagen.
Die Vollmitglieder werden aus kürzlich bereitgestellten EU Mitteln eine Förderung von 8,2 Millionen Euro erhalten, wenn oder weil sie sich der europäischen Integration verpflichten, womit schon zu mehr als der Hälfte erklärt ist, warum die Zeit als reif zu gelten hat.
ob die zahl stimmt weiss ich nicht genau.. (dachte immer es sei weniger.. insgesamt 7 mio euro/jahr aber das aufgeteilt auf alle partein.. die kleinen bekommen zwar verhaeltnissmaessig mehr aber doch groessenordnung nur etwa 10k euro pro jahr.. aber vieleicht ist das obige ja eine andere foerderung.. siehe:
http://europa.eu.int/eur-lex/pri/en/oj/dat/2003/l_054/l_05420030228en0692069... http://europa.eu.int/eur-lex/en/com/pdf/2003/com2003_0077en01.pdf http://europa.eu.int/eur-lex/pri/en/oj/dat/2003/l_054/l_05420030228en0692069... )
jedenfalls koennen wir momentan jeden cent fuer politische arbeit brauchen.. dass wir uns da zur "politischen integration" verpflicht sollte einer internationalistischen partei nicht weh tun.. dass wir den ganzen neoliberalen kapitalismusschrott in maastricht bis nizza und der neuen eu verfassung ablehenen werden wir uns desswegen sicher nicht verbieten lassen...
Damit sich niemand vor Bevormundung fürchte, ist jetzt schon verabredet, daß »Offenheit, Respekt, Akzeptanz und Toleranz« das Klima prägen und »moderne, offene und zukunftsweisende Formen der Kooperation« angestrebt werden - also all das, was die PDS so auf ihren letzten Parteitagen zelebriert hat.
naja.. billige polemik.. keine der mitgliespartein ist "perfekt".. auch die kpoe nicht.. wir haben auch einiges an politik stil zu lernen.. also was sagt uns dieser absatz?
Ob inhaltliche Unterschiede (oder das. was Ilka Schröder verschiedene Politikstile nennt, also die kämpferische Tradition südeuropäischer Realsozialisten versus die staatsfromme PDS) sich als relevante Probleme erweisen werden, kann ich nicht beurteilen. 8,2 Millionen Euro aus Brüssel sind ein gewichtiges Argument gegen jede Zuspitzung, und Walter Baier, der Vorsitzende der KPO (die kürzlich per Gerichtsurteil um ihre finanzielle Ressource gebracht wurde) meint nun auch: »Differenzen würden nicht länger als Hindernis, sondern als produktiver Faktor betrachtet«, was ihre Vermehrung geradezu zum Gebot der Stunde macht.
wir hier ins laecherliche gezogen stimmt aber: unterschiedliche sichtweisenund herangehensweisen koennen wenn man an die selben probleme herangeht auch chancen bieten. manche probleme lassen sich besser von der einen als von der anderen seite durchschaun oder loesen.. eine solche pluraltiaet kann also tatsaechlich staerke bedeuten..
Helmut Scholz, Leiter des Referats Internationale Politik I - Internationale Verbindungen beim PDS-Vorstand, der noch eine Reihe weiterer wohlklingender Funktionen auf sich vereint und deshalb eine Visitenkarte im Großformat benötigt, macht sich ansonsten ganz klein und hat herausgefunden, daß »keiner von uns im Besitz der Kenntnis des richtigen Weges, der Überzeugung nur einer Wahrheit ist«.
solche aussagen tun religioesen dogmatikern die sich im besitz der absoluten und einzigen wahrheit waehenen... (der past, die katholische kirche und leute wie fellner...) natuerlich besonders weh.. mal schaun was unsere klassiker dazu zu sagen haben....
Friedrich Engels: "Ludwig Feuerbach und der Ausgang der klassischen deutschen Philosophie":
Dann aber grade lag die wahre Bedeutung und der revolutionäre Charakter der Hegelschen Philosphie (auf die, als den Abschluß der ganzen Bewegung seit Kant, wir uns hier beschränken müssen), daß sie der Endgültigkeit aller Ergebnisse des menschlichen Denkens und Handelns ein für allemal den Garaus machte. Die Wahrheit, die es in der Philosophie zu erkennen galt, war bei Hegel nicht mehr eine Sammlung fertiger dogmatischer Sätze, die, einmal gefunden, nur auswendig gelernt sein wollen; die Wahrheit lag nun in dem Prozeß des Erkennens selbst, in der langen geschichtlichen Entwicklung der Wissenschaft, die von niedern zu immer höhern Stufen der Erkenntnis aufsteigt, ohne aber jemals durch Ausfindung einer sogenannten absoluten Wahrheit zu dem Punkt zu gelangen, wo sie nicht mehr weiter kann, wo ihr nichts mehr übrigbleibt, als die Hände in den Schoß zu legen und die gewonnene absolute Wahrheit anzustaunen. Und wie auf dem Gebiet der philosophischen, so auf dem jeder andern Erkenntnis und auf dem des praktischen Handelns. Ebensowenig wie die Erkenntnis kann die Geschichte einen vollendenden Abschluß finden in einem vollkommnen Idealzustand der Menschheit; eine vollkommne Gesellschaft, ein vollkommner "Staat" sind Dinge, die nur in der Phantasie bestehn können; im Gegenteil sind alle nacheinander folgenden geschichtlichen Zustände nur vergängliche Stufen im endlosen Entwicklungsgang der menschlichen Gesellschaft vom Niedern zum Höhern. Jede Stufe ist notwendig, also berechtigt für die Zeit und die Bedingungen, denen sie ihren Ursprung verdankt; aber sie wird hinfällig und unberechtigt gegenüber neuen, höhern Bedingungen, die sich allmählich in ihrem eignen Schoß entwickeln; sie muß einer höhern Stufe Platz machen, die ihrerseits wieder an die Reihe des Verfalls und des Untergangs kommt. Wie die Bourgeoisie durch die große Industrie, die Konkurrenz und den Weltmarkt alle stabilen, altehrwürdigen Institutionen praktisch auflöst, so löst diese dialektische Philosophie alle Vorstellungen von endgültiger absoluter Wahrheit und ihr entsprechenden absoluten Menschheitszuständen auf. Vor ihr besteht nichts Endgültiges, Absolutes, Heiliges; sie weist von allem und an allem die Vergänglichkeit auf, und nichts besteht vor ihr als der ununterbrochne Prozeß des Werdens und Vergehens, des Aufsteigens ohne Ende vom Niedern zum Höhern, dessen bloße Widerspiegelung im denkenden Hirn sie selbst ist.
oder: Friedrich Engels: "Die Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft",
Die Anschauungsweise der Utopisten hat die sozialistischen Vorstellungen des 19. Jahrhunderts lange beherrscht und beherrscht sie zum Teil noch. Ihr huldigten noch bis vor ganz kurzer Zeit alle französischen und englischen Sozialisten, ihr gehört auch der frühere deutsche Kommunismus mit Einschluß Weitlings an. Der Sozialismus ist ihnen allen der Ausdruck der absoluten Wahrheit, Vernunft und Gerechtigkeit und braucht nur entdeckt zu werden, um durch eigne Kraft die Welt zu erobern; da die absolute Wahrheit unabhängig ist von Zeit, Raum und menschlicher geschichtlicher Entwicklung, so ist es bloßer Zufall, wann und wo sie entdeckt wird. Dabei ist dann die absolute Wahrheit, Vernunft und Gerechtigkeit wieder bei jedem Schulstifter verschieden; und da bei jedem die besondre Art der absoluten Wahrheit, Vernunft und Gerechtigkeit wieder bedingt ist durch seinen subjektiven Verstand, seine Lebensbedingungen, sein Maß von Kenntnissen und Denkschulung, so ist in diesem Konflikt absoluter Wahrheiten keine andre Lösung möglich, als daß sie sich aneinander abschleißen.
Die Verunsicherung ist gespielt, sie dient der knallharten Definition von gewünschter und zu verhindernder Pluralität. Hoch im Kurs steht zum Beispiel eine gepflegte Debatte über den Überbau der Großmacht: »Wie immer wir insgesamt zu dem gegenwärtig diskutierten Verfassungsvertrag stehen mögen ...«, heißt es im Programmentwurf der Partei der Europäischen Linken (PEL), eine Formulierung, die die ganze Meisterschaft in der Kreation von Formelkompromissen beweist.
fakt ist aber dass die ablehnung dieses verfassungsentwurfes allen mitgliespartein der EL gemein ist. inzwischen auch der PDS...
Die Kontroverse ist ja wirklich insofern substanzlos, als auch die den EU-Verfassungsentwurf ablehnende Strömung nicht das Projekt der europäischen Großmacht kritisiert, mit dem die USA herausgefordert, Rußlands Einfluß in Osteuropa liquidiert, Deutschlands (und Frankreichs) Hegemonie über die schwächeren EU-Staaten ausgebaut werden soll, sondern von diesen Zwecken abstrahiert, um zum Bild eines eigentlich guten (EU-)Europa zu gelangen, das durch Verbesserungen nur noch schöner wird. An Verbesserungsvorschlägen mangelt es wahrlich nicht, sie wirken wie abgeschrieben aus der Zeit, als die PDS das wiedervereinigte Deutschland zu einem Hort fur Wohlstand, Frieden und Geselligkeit machen wollte, wenn nur der Paragraph, nach dem der Anschluß geregelt würde, ein alternativer sei.
tsja. ich denke tatsaechlich dass ein wirklich linkes europa eine enorme chance fuer die welt waere..... eine linke USA oder ein linkes asien natuerlich ebenfalls.. zusammen mit den erfreulichen entwicklungen in lateinamerika waere das eine echte chance die neoliberale hegemonie zu durchbrechen.. der weg ist natuerlich schwierig. ob es schwieriger ist die sozialistischen staaten von amerika oder von europa zu etablieren laesst sich schwer sagen.. denke wir haben aber momentan etwas bessere karten. klar ist aber: jede/r muss zuerst im eigenen wirkungsbereich kaempfen. und der wirkunsbereich ist damit fuer uns momentan europa.. (auf noch kleinerer ebene zu kaempfen - also vorort ist natuerlich auch wichtig.. aber 70% aller gesetze werden auf europaischer eben beschlossen.. d.h. dass wir auch europaweit aktiv sein muessen..
naja und der rest des artikles geht langweilig weiter in dem er halt fehler einzelner mitgliedspartein hier oder dort kritisiert..
aber politik heisst immer auch sich die haende schmutzig machen... wer lieber in den sphaeren der absoluten wahrheit und unschuld schwaelgen will kann ja in die kirche gehen...
lg mond.