Quäl dich nicht.
Kurz vor der Wahl ist regelmäßig ein erstaunliches Phänomen zu bemerken. Ansonsten vernünftige Menschen beginnen sich zu quälen, herauszufinden welche Partei es wohl diesmal am klügsten zu wählen gilt. Selbst mögliche Koalitionsvarianten werden mitbedacht, um taktisch zu wählen.
Dabei wird völlig außer Acht gelassen, dass die Entscheidungscodes weitgehend fremd bestimmt sind: von der Kanzlerfrage bis zur verlorenen Stimme soll alles berücksichtigt werden, wenn man/frau gut vorbereitet die Wahlkabine betritt.
Meine soziale Umgebung ist mehrheitlich der sogenannten Mittelschicht zuzuordnen, Sozialökonomisch am unteren Rand dieser und überdurchschnittlich gebildet. Manche von ihnen überlegen intensiv, ob sie Grüne, LIF oder vielleicht doch diesmal, vielleicht noch ein letztes mal, SPÖ zu wählen und wenn als eigene Interessen vertreten bloß das gemeint ist, für das eigene Klientel einen kleinen Vorteil zu erringen, erscheint dies beinahe vernünftig.
Die Mittelschicht, deren Leben nicht gänzlich unerträglich ist, weil ihre linksliberalen Tageszeitungen von pakistanischen KolporteurInnen um drei Uhr morgens zugestellt werden, von KolporteurInnen, die kaum aufmüpfig werden, da sie von sozialdemokratischen GewerkschafterInnen nicht vertreten und von freiheitlichen Hetzern bedroht werden.
Wer also bloß die Verbesserung der eigenen Lage und die der seinen/ihren im Auge hat, kann getrost grün wählen oder LIF, oder vielleicht SPÖ wählen. Aber bitte sich nicht quälen mit endlosen Abwägungen und auch mich nicht!
Ich bin vor beinahe vier Jahren aus der KPÖ ausgetreten, da es konkrete unüberbrückbare Differenzen gab, die auch heute noch bestehen. Doch ich zögere keine Sekunde, auch diesmal wieder KPÖ zu wählen, nicht weil sie meine Interessen so blendend vertritt oder weil ich mir von ihnen einen parlamentarischen Umschwung erwarte, sondern weil es die einzige Möglichkeit ist, bei der Wahl meinen Wunsch nach einer grundsätzlichen Änderung der Gesellschaftsordnung zu manifestieren.
Würde die KPÖ nicht kandidieren, fiele es mir nicht schwer, nicht zu wählen, auch nicht die linke, deren autoritärer Gestus und die Zusammenarbeit mit antisemitischen, islamistischen Gruppen sie disqualifiziert. Mit KPÖ-Forderungen wie der Grundsicherung für alle, offene Grenzen und Gratis-Öffis stimme ich überein, mein Wahlmotiv ist allerdings abstrakter.
Für diejenigen die trotzdem noch ein ganz pragmatisches Argument benötigen, nur so viel: bei der letzten Wahl erzielte die KPÖ 1,01% der Stimmen, was sie erstmals seit den 60ern in die Lage versetzt hat, ihre Wahlkampfkosten von 140.000 Euro rückerstattet zu bekommen, da die Hürde dafür genau 1% ist. Geld, das die KPÖ sehr häufig für die Unterstützung von Alternativmedien, Anwaltskosten für AktivistInnen und ähnliches ausgibt.
Quäl dich nicht, wähl KPÖ und gebt deinE ZeitungskolporteurIn beim nächsten Zusammentreffen 10 Euro, nicht als Almosen, sondern als Lohnbestandteil, der ihm vorenthalten wird und der unsere Zeitungsabo so günstig macht..
Auf Antworten freu ich mich immer kurto