"Die bestimmen langsam, wann wir schlafen gehen" Beim Kampf gegen den EU-Vertrag verschwimmt die Grenze zwischen Realität und Satire Beim Kampf gegen den EU-Vertrag verschwimmt die Grenze zwischen Realität und Satire. Kabarettisten haben eine gefakte Anti-EU-Initiative gestartet - und werden von den "echten" Gegnern fast noch getoppt.
***
Mehr zum Themaeinfach Einfache Software-Entwicklung bezahlte EinschaltungWien - "Ich hasse die EU!" Auch die laufende Kamera hielt den älteren Herren nicht davon ab, sein Bekenntnis voller Inbrunst abzulegen. Wie dutzende andere hatte der Passant eben ein Manifest gegen den "EU-Wahnsinn" unterschrieben. Denn: "Die bestimmen schön langsam, wann wir schlafen gehen."
Was die empörten Bürger nicht wussten: Die Anti-EU-Initiative, die ihnen ihre Autogramme abluchste, war gefaked. Die Kabarettisten Florian Scheuba, Erwin Steinhauer, Rupert Henning und Thomas Maurer, Protagonisten der höchst originellen Satiresendung "Die 4 da" (Donnerstagabend auf ORF 1), hatten auf der Meidlinger Hauptstraße einfach ein mickriges Standl aufgebaut und darüber den Slogan "Schluss mit dem EU-Wahnsinn. Für mehr Transparenz und Sauberkeit" platziert.
"Die Schengen sind offen"
Konkrete Forderung erhoben die mutmaßlichen Aktivisten keine, was dem Zustrom zu den Unterschriftenlisten aber keinen Abbruch tat. "Wir mussten die Leute nur ein bisserl antupfen", erzählt Erfinder Scheuba, schon setzte das Lamento gegen das "Diktat von Brüssel" ein. "Wir wehren uns", rief eine Frau, eine andere forderte: "Irgendwas muss gemacht werden mit der EU. Ich find das idiotisch, dass wir dabei sind, die Schengen sind offen!"
"Am überraschendsten" war für die Kabarettisten aber, "was der EU alles zugetraut wird". Die 4 da erhöhten nämlich ständig die Dosis, um die Leute zu provozieren (zu sehen auf youtube.com). Sie behaupteten, dass Brüssel eine Frauenquote für Sängerknaben einführen wolle ("Tipp an die EU: Dafür würde sie vielleicht sogar eine Mehrheit finden", berichtet Scheuba).
Dass die Pummerin wegen einer neuen Lärmschutzverordnung zu Silvester nicht mehr schlagen dürfe. Dass Autofahrern statt Licht am Tag nun Licht beim Parken vorgeschrieben werde. Und dass nigerianisches Drogendealen zum Weltkulturerbe erklärt werde. "Erst bei dieser Behauptung", erzählt Scheuba, "begannen die ersten zu zweifeln: ,Das ist doch ein Schmäh!' Das waren aber vielleicht drei von 100."
"Krone" oder Kabarett?
Die Liste der angeblichen Wahnsinnsideen aus Brüssel wird täglich ergänzt: Durch wildgewordene Eurokraten, die ein Rauchverbot in privaten Wohnungen verhängen oder die Kollektivverträge abschaffen wollen. Das kolportiert freilich keine professionelle Spaßguerilla, sondern das populärste Printmedium Österreichs. "Was wir essen sollen, was wir verdienen dürfen, wie wir wohnen werden - der EU-Vertrag, der uns schon bald ungefragt aufs Auge gedrückt werden soll, macht alle österreichischen Staatsbürger zu weitestgehend entmündigten Steuerzah-lern ohne Selbstbestimmungsrecht", schreibt die Kronen-Zeitung in ihrer Ausgabe vom Donnerstag.
Schon seit Wochen fährt das Kleinformat eine Kampagne gegen das neue "Reform(un)werk" der Europäischen Union, das kommende Woche vom österreichischen Nationalrat ratifiziert werden soll. Die Grenze zwischen Artikel und Werbeeinschaltung ist dabei nicht immer klar zu erkennen: Zum wiederholten Male rückte die Krone die Unterschriftenliste der Antivertragsbürgerinitiative "Rettet Österreich" ganzseitig ins Blatt.
Gleich achtmal in einer Ausgabe kündigte die Massenzeitung vergangene Woche die "Rettet Österreich"-Demo für eine Volksabstimmung zum Vertrag an. Einen Unterschied zwischen rechts und links macht die Krone dabei diesmal nicht: Auch die für Samstag angesetzte Kundgebung (Treffpunkt 13 Uhr Westbahnhof) der Plattform Volxabstimmung, die viele sonst gar nicht Krone-affine Organisationen umfasst, freut sich über Unterstützung.
Dabei lässt gerade ein Statement eines linken "Volxabstimmers" selbst die einiges gewohnten Satiriker von "Die 4 da" staunen: "Der Schauspieler Hubsi Kramar hat die EU als ,faschistoides Projekt' bezeichnet", wundert sich Kabarettist Scheuba: "So etwas Absurdes haben wir auf der Meidlinger Hauptstraße nicht gehört." (Gerald John/DER STANDARD, Printausgabe, 4.4.2008)