Hi DogmatikerInnen,
unten eine interessante Veranstaltung am 26.4. Sergio Bologna ist einer der sozialwissenschaftlich präzise(r) arbeitenden italienischen Theoretiker operaistsicher Prägung. Erstmals bekannt geworden in den 70ern mit Untersuchungen zum "Massenarbeiter" in den norditalienischen Fabriken.
Zu Baiers Aussagen zum Ableben des Papstes: mich wundert die Stellungnahme nicht. Baiers Intention ist, im sozial engagierten katholischen Milieu Gehör zu finden. Nicht erst mit dieser Stellungnahme, sondern in einigen Aktionen und Bündnissen. Diese Bemühungen sind m.E. nicht grundsätzlich verwerflich, nur ist die Weise der argumentativen Anbiederung manchmal ein Skandal. Wie diesmal:
"Zwar sei der Papst (... )"reaktionär" gewesen, so Baier, doch habe ihn diese Haltung zugleich auch zu einem "Kritiker eines geist- und seelenlosen Kapitalismus" werden lassen."
Der Papst predigte und unterstützte konservatives Ressentiment, und verhalf ihm auch über Berufung von Würdenträgern dort zu Gestalt, wo vormals sozial engagierte Kritik am Werk und in Amt und Würden war (Romero). Mit ihm als Papst konnte Opus Dei seine konservative Wende im Klerus voll durchziehen. Dieses Argument würde wirklich kritische ChristInnen viel mehr ansprechen als Baiers Sanktus für die reaktionäre Wende.
"Weiters sei es ihm aus dieser Grundhaltung möglich gewesen, sowohl "Gegner des Kommunismus, wie er ihn in seiner Heimat erlebt hat"zu sein, als auch "Fidel Castro die Hand zu reichen", so Baier."
Dass Castro den Papst empfing, war ein "guter" Schachzug auf dem cubanischen Versuch, die dortige Mischung aus christlichem und anderen Aberglauben vor Hegemonialbestrebungen der Erzkonservativen in Schutz zu nehmen, dies schmälert diese Bestrebungen mitnichten. Davon ausgehend, dass Aussagen ihr Motiv erkennen lassen, ist zu kritisieren, dass Baier sich nicht mit Religions- und Ideologiekritik an kritische ChristInnen zu wenden versucht, sondern entlang ganz einfach herzustellender falscher Gemeinsamkeiten, "wir sind doch alle dagegen dass Kinder verhungern".
"In Osteuropa habe Johannes Paul II. vor allem die Rolle eines "Katalysators" gehabt. Er selbst sei nicht Ursache des Umsturzes gewesen, sondern selbst Teil eines Prozesses, dessen Ursache "in den Fehlern der Regime" lag."
Was für eine Anbiederung! Gerade anlässlich des Todes des prominentesten Aushängeschildes des aktiven katholischen Antikommunismus auf "Regimefehler" zu verweißen, interessiert ja nicht mal unkritische ChristInnen.
Kurto, schreib eine KURZE stellungnahme, wir haben viel anderes zu tun und können bestenfalls andeuten, was in der partei fehlt: religionskritik! Die stellungnahme sollte sich m.E. klar für bündnisse mit kritischen christInnen aussprechen und klar gegen anbiederungsversuche.
lg Markus
_____________________
26. April 2005, 19 Uhr ÖGB - Seminarzentrum Strudlhof
Die Zerstörung der Mittelschichten - Thesen zur neuen Selbstständigkeit Sergio Bologna
Der Arbeitsmarkt ist in Bewegung. Ständig tauchen neue Figuren der Arbeit auf. Das "Normalarbeitsverhältnis", mit unbefristeten Verträgen und fixen Arbeitszeiten, stellt zwar noch für die Mehrheit der Beschäftigten die Realität dar, dennoch sind die "flexiblen" Arbeitsverhältnisse im Ansteigen begriffen: Neue Selbständige, Arbeit auf Werkvertragsbasis, freie DienstnehmerInnen. Italien nimmt hinsichtlich der flexiblen Arbeitsverhältnisse eine Vorreiterrolle ein. Über ein Viertel der italienischen Beschäftigten sind so genannte »selbständig Arbeitende«. Der Mailänder Soziologe, Unternehmer und Berater Sergio Bologna untersucht dieses Phänomen seit vielen Jahren. In den neunziger Jahren stellte er zehn Thesen zur selbständigen Arbeit auf, in denen er die Zeit- und Raumwahrnehmung, die Schwierigkeiten beim Einstieg und beim Weitermachen, die berufliche Identität, die rechtliche, institutionelle und steuerliche Situation der selbständigen Arbeit analysierte. Aufgrund der Krise der New Economy und der steigenden Bedeutung der "Wissensarbeit" hat er nun eine elfte These geschrieben, in der er auf die Krise der italienischen Wirtschaft, die Irrwege der Hartz-Reform, die Bedeutung der Logistik für die Produktion, mögliche Auswege aus der Krise der Beschäftigung und die bewusste Zerstörung der wirtschaftlichen Grundlagen der Mittelschichten eingeht. Diese These wird er am 26. 4. in Wien das erste Mal präsentieren. Im Herbst wird die Übersetzung der "Thesen zur Neuen Selbständigkeit" im Verlag Nausner & Nausner erscheinen.
Be linked, think networks! - Umrisse einer Zukunft der selbständigen Beschäftigung Dr. Harald Katzmair
Der Neoliberalismus war und ist ein Phänomen das nur ganz spezifische Bereiche der österreichischen Gesellschaften durchdringt. Er steht jedoch für die Ausweitung jener gesellschaftlichen Zonen, in denen die Spielregeln des freien Marktes gelten sollen. Auch wenn dies nach wie vor für wenige Märkte zutrifft - die meisten Märkte waren und bleiben monopolistisch oder oligopolistisch strukturiert - so tritt die Trennlinie immer deutlicher zutage, zwischen jenen geschützten gesellschaftlichen Blöcken, in denen durch Branchenzugehörigkeit, Besitz, sozialer Stand oder Klientilismus die Regeln des freien Marktes außer Kraft gesetzt sind und jenen Bereichen, in denen sich unselbständige Arbeitskräfte und (neue) selbständige Klein- und Kleinstunternehmer in einem kräfteaufreibenden Kampf um Jobs und Aufträge verbrauchen. Neben ArbeiterInnen im Niedriglohnsegmenten, trifft dies vor allem auch auf die Generation von exzellent ausgebildeten unter 35-Jährigen Mittelstandskindern zu, weil sie - im Unterschied zu ihren bürgerlichen AlterskollegInnen - in der Regel nicht über jene sozialen Beziehungen verfügen, die sie in gesicherte Positionen mit vorgezeichneten Karrierewegen bringen. Der Vortrag widmet sich möglichen Auswegen aus dieser Situation. Seine Grundhypothese lautet: Ohne der Einführung neuer Modelle der Grundssicherung auch für selbständig Beschäftigte und ohne dem Aufbau einer neuen stabilisierenden gesellschaftlichen Infrastruktur in Form von sozialen Netzwerken und Communities wird die Taktfrequenz des freien Marktes den neo-liberalisierten Teil der "Middle Class" in die Erschöpfung und Depression treiben. Die Gewerkschaften und andere NPO´s wie politische Parteien, Kirchen und NGO´s können und müssen beim Aufbau dieser gesellschaftlichen Netzwerke und Communities eine wesentliche Rolle als Social Provider spielen.
Sergio Bologna, geb. 1937 in Triest, lebt in Mailand, wo er u. a. als Berater im Bereich Logistik und Güterverkehr für verschiedene öffentliche und private Organisationen tätig ist. Von 1966 bis 1983 lehrte er Geschichte der Arbeiterbewegung und der Industriegesellschaft an den Universitäten von Trento, Mailand, Padua und Bremen. Von 1973 bis 1980 leitete er die von ihm gegründete Zeitschrift "Primo Maggio", darüber hinaus arbeitete er mit den Zeitschriften "Quaderni Piacentini" und "Sapere" zusammen. Er ist Autor zahlreicher Publikationen, die die Geschichte und Theorie der Arbeit betreffen, prägte u. a. in den 60er Jahren den Begriff des Massenarbeiters, zusammen mit M. Cacciari veröffentlichte er 1972 eine Studie zur "Zusammensetzung der Arbeiterklasse und Organisationsfrage", die 1973 auf Deutsch erschien. In den letzten Jahren erschienen mehrere seiner Arbeiten in den deutschen Zeitschriften "1999" und "Sozial.Geschichte". 1997 wurde der Sammelband "Il lavoro autonomo di seconda generazione. Scenari del postfordismo in Italia" (Fetrinelli) veröffentlicht, den S. Bologna zusammen mit A. Fumagalli herausgab. In diesem Band sind die "Zehn Thesen zur Definition eines Statuts der selbständigen Arbeit" sowie ein Aufsatz zur "Anthropologie der selbständigen Arbeit" enthalten.
Harald Katzmair, geb. 1969, Geschäftsführer und Wissenschaftlicher Leiter der FAS.research - Network Analysis for Science and Business. 1987 bis 1992 Studium der Soziologie und Philosophie an der Universität Wien. 1992 bis 2000 Forschungsassistent am Institut für Volkswirtschaftslehre auf der Wirtschaftsuniversität Wien, sowie Vertragsassistent am Institut für Soziologie an der Universität Wien. Seit 1992 laufend Lehrtätigkeit an diversen Universitäten (Wirtschaftsuniversität Wien, Universität Wien, Donau Universität Krems, Universitätslehrgang für Wissenschaftskommunikation) . Fokus seiner Arbeit sind Soziale Netzwerkanalyse, Komplexitätstheorie und Ornithologie. Homepage: www.fas.at http://www.fas.at ; E-mail: office@fas.at mailto:office@fas.at
Termin und Ort: 26. April 2005, 19 Uhr ÖGB - Seminarzentrum Strudlhof Strudlhofgasse 10 1090 Wien
Um Anmeldung wird gebeten. Nähere Infos: Margarita Skalla E-Mail: margarita.skalla@oegb.at mailto:margarita.skalla@oegb.at Tel.: 01/534 44/444 Fax: 01/534 44/597
...................................................................... DR. HARALD KATZMAIR (Head of Research and Business) FAS.research - Network Analysis for Science and Business Müllnergasse 3/1, A-1090 Wien tel 0043 1 319 26 55 - 20 fax 0043 1 319 26 57 mailto: office@fas.at mailto:office@fas.at http://www.fas.at/
"You can't find a new land with an old map"