franz schaefer schaefer@mond.at schreibt:
zusammenfassend: ich bin in den meisten punkten die du in deiner mail aufgefuehrt hast grundsaetzlich deiner meinung... blos sie waren nicht zum thema: grosse strukturen oder kleine strukturen politische strurkturen als bessere voraussetzung fuer den kampf gegen den kapitalismus.
EinE MarxistIn stellt sich eben nicht nur die oberflächliche Frage nach einer Form (Größe), sondern nach einem Charakter (Inhalt). Um genau dies darzulegen, habe ich etwas weiter ausgeholt (wo Du meinst, es hätte nichts mit dem Thema zu tun...) - wenn da jetzt freilich der Kontext nicht ersichtlich ist, wird's schwierig. Der Charakter der EU ist jener eines imperialistischen Bündnisses - es ist grundfalsch, hier irgendeinen angeblichen "Integrationsprozess" auf Basis eines (klein-)bürgerlichen Kosmopolitismus (so anti-nationalistisch dies sein mag) gleichzusetzen mit der Herausbildung der Nationalstaaten in Europa. Die EU wird nicht der übergeordnete transnationale Staat mit derselben bürgerlich-demokratischen Maske werden, wie es die Nationalstaaten heute sind - daran hat die Bourgeoisie (konkret: das bestimmende deutsche Finanzkapital) ja auch kein Interesse - sie also keine analoge "größere Struktur". Die EU ist die Form, die sich das westeuropäische transnationale Monopolkapital (transnational heißt: transnational agierend, nicht charakterlich transnational) gibt für die Ziele der supranationalen Unterstützung seiner Verwertungsbedingungen, der Absicherung neokolonialer Mechanismen zur Ausbeutung der rückständigen Lander und der Unterdrückung jeglicher emanzipatorischen Bestrebung in den einzelnen Staaten sowie als Machtmechanismus zwischenimperialistischer Konkurrenzbedingungen. Solange sie zu alledem dient, wird die EU bestehen - wenn sie diesen Anforderungen nicht mehr entspricht, wird es sie nicht mehr geben. Genau deshalb ist sie weder transformier- noch instrumentalisierbar. Jede Analogie (wie Du fälschlich glaubst aus Marx und Engels amputieren zu können) mit dem Deutschen Reich, das die zersplitterten Kleinstaaten tatsächlich zusammengefasst hat und eine zweckmäßige (auch als emanzipatorischer Gegen- und Ansatzpunkt) reale Zentralisation, die den Gegebenheiten entspricht, darstellt, ist eine Fehleinschätzung. Aber vielleicht ist das auch einfach zu konkret, ich versuch's nochmal abstrakt. Inhalt und Form sind zwei zentrale Kategorien materialistischer Dialektik. "Inhalt" bezeichnet die Gesamtheit der inneren Elemente, Eigenschaften, Prozesse eines Gegenstandes oder einer Erscheinung. Unter "Form" ist eben die Struktur, die Organisation, die äußere Gestalt, die sichbaren Oberflächenerscheinungen von Gegenständen, Prozessen etc zu verstehen. Und der "Schmäh" ist: Inhalt und Form bilden eine dialektische Einheit. Sie stehen als zwei objektive Wesensmerkmale aller Gegenstände und Prozesse in einem dialektischen Wechselverhältnis zueinander. Und materialistisch betrachtet ist klar, dass hinter der Form der Gegenstände immer innere Prozesse stattfinden. Die Form ist aber nicht nur eine Widerspiegelung als äußere Gestalt, sondern eine Organisation der Gegenstände, die eine bestimmte Art der Wechselwirkung ihrer inneren Prozesse untereinander und mit den äußeren Bedingungen gewährleistet. Die Form steht dem Inhalt also nicht beziehungslos gegenüber und kann auch nicht mit einem beliebigen Inhalt ausgefüllt werden, sondern wird wesentlich vom Inhalt bestimmt. Innerhalb dieser dialektischen Einheit sind Inhalt und Form nun auch Gegensätze: Der Inhalt ist das bestimmende bewegliche Element dieser Einheit und die Form ist relativ stabil. Die Dynamik dieser gegensätzlichen Einheit bedingt eine Entwicklung, die an einem bestimmten Punkt zur Zuspitzung der Widersprüche zwischen dem sich rasch entwickelnden Inhalt und der mehr oder minder stabilen Form führt. Schlussendlich wird die alte Form zerstört, der neue Inhalt schafft sich eine neue Form. Erst ausgehend von der Entwicklung des Inhalts entwickelt sich immer die Form (und auch die Einheit von Form und Inhalt weiter). Wie kannst Du also behaupten, hier könne es nur um die "Größe von Strukturen" gehen und alles andere täte nichts "zum Thema"? Du darfst das eine nicht ohne das andere Denken, weil's ja gerade in bedingender Beziehung steht. Marxistisch denken heißt totalitär denken. ;-) Du selbst verlangst konkrete Anwendung marxistischer Wissenschaftlichkeit, reduzierst im gleichen sorglosen Atemzug Deine "Analyse" jedoch auf abstrahierte Äußerlichkeiten auf Basis einer recht selektivistischen Marx-"Rezeption". Hier ist die Marx-Rezeption "unmarxistisch" und folgerichtig sind es auch Herangehensweise, Fragestellung und - nona - Beantwortung der konkreten "EU-Frage".
Ciao, Tibor