liebe Leute,
ein Veranstaltunghinweis. (Da könnts hingehen, ist ausnahmsweise KEINE Gegenstandpunktveranstaltung).
lg, Roland
-----------
Buchvorstellung und Diskussion
Die Geschäfte mit dem armen B.B. Vom geschmähten Kommunisten zum Dichter "deutscher Spitzenklasse" VSA Verlag 2007
von Prof. Dr. Wendula Dahle und Wolfgang Leyerer, Univ. Bremen
Mo, 24.11.08, 19.00 Uhr Universität Wien, Neues Institutsgebäude, HS 2
Das "Ärgernis Brecht" bestand zu seinen Lebzeiten und auch noch nach seinem Tod (1956) darin, daß er als weltweit anerkannter Dichter und überzeugter Antifaschist antikapitalistische Texte verfaßt und sich in dem Unstaat DDR niedergelassen hatte. In der Zeit der Kommunistenverfolgung in der BRD und vor allem nach dem Mauerbau 1961 wurde offiziell und inoffiziell ein "Brecht-Boykott" im westlichen Deutschland betrieben und eigentlich erst im Verlauf der Studentenbewegung ab 1968 mehr oder weniger aufgehoben. Nach dem Untergang der DDR wurde Brecht als "deutscher" Dichter neu entdeckt und anläßlich des 100. Geburtstags 1998 und seines 50. Todestages 2006 als Kulturgut in die "gesamtdeutsche Geschichte", in die "Vaterstadt Augsburg", in die Schuldidaktik eingemeidet. Dafür wurde seine Gesellschaftskritik negiert, umgedeutet oder entschuldigt. Wie geht die Vereinnahmung Brechts in den deutschsprachigen Kulturbetrieb, wo doch die Maßstäbe "Antikommunismus" bzw, "Anti-DDR-Sein" immer noch virulent sind? Was lassen seine heutigen Bewunderer dabei außer Acht oder deuten es um und was steht tatsächlich in den so vereinnahmten Werken?
Es wird anhand zwei kürzerer Brechttexte - der Kalendergeschichte "Die Unwürdige Greisin" und des Kindergedichts "Was ein Kind gesagt bekommt" - seine Kritik an der bürgerlichen Moral herausgearbeitet und diese mit seinen Interpreten konfrontiert, um zu zeigen, was Brecht beispielsweise im heutigen Deutschunterricht gute Dienste leisten soll.
Es geht uns nicht darum, den "armen B.B." vor der derzeitigen nationalistischen Vereinnahmung zu retten oder den Kunstgenuß an seinen Werken zu propagieren, sondern um die Herausarbeitung und Beurteilung seiner Gedanken über "finsteren Zeiten". Brecht hat sich nie mit dem Kapitalismus als besonders guter Voraussetzung seines Lebens oder seiner dichterischen Ambitionen arrangiert; der Kapitalismus war ihm nicht nur Abzug von seinem materiellen Wohlergehen, auf das es ihm sehr wohl ankam, sondern auch der einzige Grund für Ausbeutung und Kriege. Dabei hat es ihn gestört, daß diejenigen, die den Reichtum schaffen und für die Staaten die Kriege führen, nichts davon haben, im Gegenteil, sie opfern sogar ihr Leben. Dabei setzte er - was für einen Dichter deutscher Tradition erstaunlich ist - weder auf Mitleid, noch Psychologisierungen, noch Entschuldigungen. Er forderte die Opfer /Mitmacher zum "Sich verändern" bzw. zum "Lernen" auf, ein ganzes Theaterstück, nämlich "Das Leben des Galilei", dient diesem Credo. Dieser "Idealismus des Lernens" zieht sich durch sein ganzes Werk hindurch und ließ ihn eine eigene Theatertheorie kreieren. Einige Sprüche dazu sind inzwischen bereits Allgemeingut geworden von "lerne das Alphabet,..." bis dahin, daß der Zuschauer selbst einen Schluß ziehen solle oder daß Herr K erbleichte, weil er sich angeblich nicht verändert habe. Dabei wußte Brecht sehr wohl, daß das deutsche Volk bereits zu seinen Lebzeiten vielfach sich "geändert" hatte, von Kaisertreuen zu Demokraten und dann zu Faschisten, zurück zu Demokraten oder Sozialisten à la DDR, Auch er wußte, dass und was in Geschichtsbüchern gelehrt und den Unis gepaukt wurde, trotzdem hielt er am Lernen per se fest; welchen Verlauf nimmt dieser Widerspruch in seinem Werk?