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Gruß, R
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GegenStandpunkt & Diskussion
Wie funktioniert der Kapitalismus?
Gast-Referent: Prof. Dr. Egbert Dozekal, Frankfurt/Main
14.12.09 um 19:00 an der Uni Wien, Hauptgebäude, Hörsaal 28
Zu Beginn der Finanzkrise versicherten Politiker und Wirtschaftsführer unisono, dass von dem Crash der Finanzwerte für die "Realwirtschaft" nichts zu befürchten sei; die sei kerngesund und robust. Seit Herbst letzten Jahres ist sie da: die Krise auch des Teils der Wirtschaft, in der es um die Produktion und den Handel von Gütern und Dienstleistungen geht. Und dieselben Politiker und Wirtschaftsführer erklären jetzt bei jeder sich bietenden Gelegenheit, dass es sich dabei um die "größte Krise seit der Großen Depression der 30er Jahre des vergangenen Jahrhunderts" handelt, viel schlimmer als die diversen periodischen "Rezessionen" seit dem 2. Weltkrieg.
Boom und Krise wechseln einander ab: Das gehört zu den allgemein bekannten Erfahrungstatsachen im System der Marktwirtschaft. Auf einen mehrjährigen Aufschwung des kapitalistischen Geschäftslebens folgt eine Phase, in der die Gesamtabrechnung über den Umsatz von "Gütern und Dienstleistungen" über etliche Monate und Quartale hinweg statt einem Plus ein Minus verzeichnet: ein Abschwung, der Unternehmen in größerer Zahl zusammenbrechen lässt, das Heer der Arbeitslosen drastisch vergrößert und aufzehrt, was sich inzwischen an Lebensstandard bei der lohnabhängigen Bevölkerung angesammelt hat. Dabei ist es gar nicht so, dass in den marktwirtschaftlichen Produktionsstätten und Handelshäusern der Mangel ausgebrochen, der Nachschub ausgeblieben oder wegen fehlenden Personals die Arbeit eingestellt worden wäre. Im Gegenteil: In der Krise gibt es von allem – Produktionsmittel, Fertigwaren, Arbeitskräfte – mehr als genug. Was immer wieder ins Stocken gerät, ist nichts weiter als der Absatz: Zuviel Ware ist im Angebot, als dass sie sich noch zu gewinnbringenden oder auch nur kostendeckenden Preisen verkaufen ließe. Und das ist im menschenwürdigsten aller Produktionssysteme kein erfreulicher Überschuss, sondern für die Macher ein Problem und fürs Fußvolk ein Schaden: Nichts geht mehr voran, weil der Markt, nach dem dieses Wirtschaftssystem sich gerne nennt, den Dienst versagt, für den die Geschäftswelt ihn in Anspruch nimmt und auf den für sie alles ankommt, nämlich die Verwandlung ihrer "Güter und Dienstleistungen" in nachzählbaren Reichtum der abstrakten Art: in Geld.
Dass es dazu kommt, ist insofern erstaunlich, als die Unternehmen der Marktwirtschaft gar nichts anderes tun, als für den Markt zu produzieren und Handel zu treiben; sie unternehmen alles, um dabei Erfolg zu haben; und wenn ihr Geschäftsgang in die Krise gerät, dann haben sie genau das in den Boom-Jahren zuvor auch offensichtlich geschafft. Zwar waren auch da schon nie alle aktiven Marktteilnehmer erfolgreich; die Konkurrenz, die die Firmen einander machen, bringt immer auch Verlierer hervor. Das heißt aber andererseits: Die Rezession trifft die Erfolgreichen, die die Auslese am und durch den Markt überstanden und sich gegen ihre Wettbewerber durchgesetzt haben. Irgendwie, so scheint es, muss in den angewandten Erfolgsstrategien marktwirtschaftlicher Geschäftemacherei ein Haken dabei sein.
Für einen solchen Widerspruch haben die Verwalter, Macher und Nutznießer dieses ökonomischen Systems freilich keinen Sinn; die verwalteten und ausgenutzten Insassen genauso wenig. Und für die Frage nach einem systemeigenen Grund für die regelmäßige Entgleisung des Marktgeschehens haben sie auch keine Zeit übrig. Denen ist es viel wichtiger, dass die Krise schnell vorbei ist und der nächste Boom wieder losgeht. Deswegen konzentrieren sich die Sachverständigen darauf, die Geschäftsbedingungen namhaft zu machen, deren Verbesserung dem allseitigen Gewinnemachen wieder auf die Beine helfen sollte; Geschäftswelt und Wirtschaftspolitik fordern energisch neue Erfolge. Dabei stehen Vorschläge zur "Ankurbelung der Nachfrage", soweit sie vom Staat "Impulse", womöglich durch schuldenfinanzierte Ausgabenprogramme verlangen, unter dem Verdacht, letztlich wirkungslose "Strohfeuer" entfachen zu wollen. Und die notorische, freilich nie wirklich ernst gemeinte Forderung der Gewerkschaften nach Stärkung der "Massenkaufkraft" durch Lohnerhöhungen ist zwar systemkonform, soweit sie dem Lebensunterhalt der lohnabhängigen Mehrheit als seinen eigentlichen Sinn und ökonomischen Zweck die Funktion zuschreibt, dem Geschäftserfolg der Firmenwelt zu dienen; sie landet aber unweigerlich auf dem Misthaufen der untauglichen Rezepte, weil sie dem allgemein akzeptierten Haupt- und Generalrezept für die Überwindung der Krise zuwider läuft. Das empfiehlt Eingriffe in die innerbetrieblichen Abläufe: Bescheidenheit bei den Löhnen, auch in der Form, dass für das gezahlte Entgelt schon mal länger als vereinbart gearbeitet wird; Großzügigkeit beim Kapitaleinsatz, unterstützt durch verbilligte Kredite, für "Rationalisierungen", also um durch den Einsatz neuester Produktionstechniken und die Einsparung von Personal wieder "in die Gewinnzone zu kommen". Das sind zwar genau die Konkurrenzmethoden, die die vom Abschwung betroffenen Unternehmen ohnehin schon immer anwenden und bis zuletzt mit Erfolg angewendet haben. Dass genau die aus der Rezession wieder herausführen, unterliegt für den theoretisierenden wie den praktizierten Sachverstand jedoch keinem Zweifel. Der kennt sowieso keinen anderen marktwirtschaftlichen Erfolgsweg; undenkbar, dass das Kapital eben damit seinem Wachstum immer wieder Grenzen setzt.
Dabei braucht es für diese Erkenntnis wirklich keine Geheimwissenschaft, sondern ein paar Überlegungen zu den folgenden Fragen:
- Wie die Unternehmen der "Realwirtschaft" ihr Wachstum bestreiten – und periodisch ein "Zuviel" an Wachstum produzieren. Warum deren Methoden zur Steigerung ihrer Gewinne mit Regelmäßigkeit zum krisenhaften Absturz der Profite auf breiter Front führen.
- Welche Rolle das Finanzkapital dabei spielt. Worin sein Dienst für das produktive Kapital, seine Macht über es, und seine Rolle als Exekutor von dessen Krise besteht. Warum also der Bankencrash die Krise der Industrie einläutet und deren Wachstum zum Erliegen bringt
- Was die Krise ist und wie sie abgewickelt wird. Was man am Nebeneinander von unverkäuflichen Waren, stillgelegten Produktionsanlagen, überflüssiger Arbeiterbevölkerung und verschärfter Ausbeutung der beschäftigten Arbeitskräfte ablesen kann
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