Liebe GenossInnen, Eure Diskussionen finde ich sehr toll und mir gefällt auch der Ansatzpunkt von Mond. Leider vermisse ich den materiellen Hintergrund wenn wir schon von Freiräumen, von Gewalt etc. in diesem System sprechen. Ich habe mir erlaubt noch einige Gedanken zum EKH auszuführen, ein Großteil davon ist bereits bekannt, ich wollte das aber auch einmal schriftlich festlegen ohne Anspruch auf Vollständigkeit.
Es ist dazu ja schon vieles Richtiges, Falsches, Emotionales gesagt und geschrieben worden, besonders wurde das Thema von berufener/betroffener, vielmehr aber von unberufener Seite benutzt, um möglichst viel Stimmung gegen die KPÖ zu machen. Zunächst von Seiten des MSZ: Es ist selbstverständlich klar, dass wir zu Gunsten der BewohnerInnen alle rechtstaatlichen Möglichkeiten nützen werden, sobald sie sich an uns wenden, aber das hat nichts mit erwünschten Eingriffen gegen den Verkauf zu tun, sondern kann nur die mietrechtliche Seite abdecken. Darüber hinaus: Ich denke, dass bei der ganzen Sache etwas falsch läuft, nämlich die Konzentrierung auf den Adressaten KPÖ. Vielleicht vorab ein paar Informationen zur besseren Beleuchtung des Themas: allein in Wien gibt es jährlich rund 6.500 zwangsweise Delogierungen, wir haben hier derzeit über 86.000 Arbeitslose und - das sollte nicht vergessen werden - wir leben im Kapitalismus. Die KPÖ hat über 50 Angestellt kündigen müssen, die jetzt auf Arbeitssuche sind, viele davon in einem Alter, wo es keine Chancen auf dem Arbeitsmarkt mehr gibt, schon gar nicht, wenn sie ihren früheren Arbeitgeber nennen. Würden diese Betroffenen jetzt nach Solidarität bei den Linken rufen, würde man ihnen hämisch bedeuten, dass sie wohl selbst Schuld seien. Es gibt in diesem System keine Sicherheit für Arbeitsplätze, keine ausreichende Einkommen für alle und auch keine Sicherheit für leistbares, zeitgemäßes Wohnen. Im Gegenteil: wenn sich die geplanten Vorhaben der Immobilienwirtschaft durchsetzen, dann werden sich die Zwangsräumungen von Wohnungen verdoppeln, wenn nicht verdreifachen. Es gibt bei den genannten Delogierungen niemanden, der seine Wohnung aufgeben muss, weil er keine Miete, keine Betriebskosten bezahlen will, sondern sind es meist Familien, die die überteuerten Wohnungen einfach nicht mehr bezahlen können. Es geht hier nicht um selbstgewähltes Einzelschicksal sondern um systembedingtes Scheitern. Wo ist der Aufschrei der Linken bei so viel Elend? Die Gemeinde Wien hat in den letzten Jahren rund 40.000 Wohnungen verkauft, darunter an eine Reihe von stadtbekannten Spekulanten. Ob die Gemeinde unter einem derartigen finanziellen Druck (wie derzeit die KPÖ) steht, dass sie so handeln muss, mag dahin gestellt sein. Wo sind aber da die jetzt so Aufgeregten, wo die Solidarität? Ich stelle nicht in Abrede, dass von Seiten der KPÖ-Führung hier große Fehler begangen worden sind, auch innerparteilich und dafür gibt es auch genügend berechtigte Kritik. Nur der bemühte Willkürakt ist der Verkauf nicht. Seit über einem Jahr wussten alle Beteiligten, dass an einem Verkauf kein Weg vorbeigeht, denn das Risiko, dass nicht nur die Miet- und BK-Ausfälle weiterhin von der KPÖ getragen werden müssten was das geringste, sondern ist das Haus in einem Zustand, dass sehr teure Erhaltungsarbeiten jederzeit auch behördlich hätten durchgesetzt werden können. In diesem einen Jahr hat sich von der BewohnerInnenschaft niemand um ernsthafte Gespräche über die Perspektiven gekümmert, wohl mit dem HIntergedanken, den Verkauf traut sich die KPÖ nicht, das hält sie nicht durch. Nun wurde das Haus verkauft und schon allein der kolportierte Verkaufspreis zeigt, dass es offensichtlich ein Notverkauf war, auch wenn jetzt verschiedene Experten meinen, dass man bei ein wenig Zuwarten das Doppelte und mehr herausschlagen hätte können, was ich allerdings mit Sicherheit bezweifeln möchte. Ob der Käufer nun ein Spekulant, ein Wohltäter etc. oder nicht ist, ist dabei völlig unerheblich, er ist in erster Linie Kapitalist und auf seinen Profit aus. Und es gibt nun einmal keinen guten oder bösen Profit. Interessant ist dabei: die so oft belächelte und mit Häme bedachte KPÖ, diese 0,6% Partei, wie wir nach jeder Wahl genussvoll bezeichnet werden, soll nach bisher 14 Jahren weiterhin allein die Kosten und das Risiko für dieses sicherlich bemerkenswerte Experiment tragen. Die SPÖ, die 54% Partei darf sich da raushalten? Wenn wir uns jetzt so das ganze gesellschaftspolitische Umfeld der Solidaritätserklärungen anschauen: gibt es da eine einzige, die auch gesagt hätte, wenn ihr nicht mehr könnt, dann übernehmen wir das Kostenrisiko. Um diesen Preis kaufen wir euch das Haus ab. So potente Organisationen wie ÖGJ, ÖH und Grüne waren sich selbstverständlich um ihre lächerlichen Solidaritätsbekundigungen nicht zu schade, kostet das ja nichts, aber es ging ja auch in erster Linie gegen die KPÖ und nicht ernsthaft pro EKH. Das nicht zu sehen, zeigt auf welchem politischen Niveau sich heute die sogenannte Linke bewegt. Selbst wenn die KPÖ dieses Haus verschenkt hätte bin ich überzeugt davon, dass es sich niemand hätte schenken lassen, es wäre in der Tat ein Danaergeschenk gewesen.
Jetzt sind wir so weit, dass sich die Linke gegenseitig zerfleischt, die anderen Parteien sitzen am Rand der Löwengrube und sehen amüsiert und wohlwollend zu. Und wir sind so dumm und spielen mit.
Ich möchte betonen, dass jede/r in diesem System das Recht hat, nach seinen Vorstellungen zu leben. Die völlige Perspektivlosigkeit, die dieses System und deren Stadtpolitik der Jugend anbietet ist wahrlich zum kotzen, aber das kann doch weder von der KPÖ oder auch von noch so potenten Gutmenschen kompensiert werden. Hier wird unserer Jugend permanent Gewalt angetan und unsere Aufgabe ist es, ihnen in ihrem berechtigten Frust ihren tatsächlichen Feind zu zeigen. Dieses System hat genug überschüssiges Geld, das es alternative Lebenskulturen aushalten, ja sogar finanzieren muss. Ob die arbeitenden Menschen in dieser Stadt dieser Umverteilung solidarisch zusehen würden, möchte ich zwar bezweifeln, immerhin geht es um die von ihnen erarbeitenden Reichtümer und da setzen viele - wahrscheinlich zu recht - andere Prioritäten, denn auch ihnen ist der eigene Rock näher als das fremde Hemd. Aber der Adressat für solche Experimente ist nun einmal die etablierte Politik und nicht eine 0,6%-Partei. Die SPÖ als führend und alleinherrschend in dieser Stadt ist für gesellschaftspolitische Experimente zur Verantwortung zu ziehen. Alle Kräfte müssten jetzt darauf konzentriert werden, dass die tatsächlich - und zwar seit mehr als 14 Jahren - Verantwortlichen ihre Verantwortung endlich auch wahrnehmen. Das EKH soll weiterleben, aber jetzt muss es zu einem wirklichen gesellschaftspolitischen Problem und Fokus werden, der sich endlich mit den Mächtigen und nicht mit den Schwächsten anlegt. Meine, unsere und so hoffe ich die gesamte Solidarität der Linken hätten sie in diesem Kampf, aber sie müssten endlich bereit sein, wirklich politisch zu kämpfen. Alles andere, was derzeit abläuft, ist politischer Selbstmord und dient nur der weiteren Spaltung der Linken.
Abschließend: Das MSZ hat in seinem bisherigen 8-jährigen Bestehen über 10.000 Menschen helfen können. Wir stehen vor dem Aus, weil so eine Anlaufstelle für Hilfesuchende eben ohne finanzielle Unterstützung nicht überleben kann. Ich selbst arbeite seit April 2004 ohne Bezahlung von Seiten der KPÖ, weil eben das Geld nicht da ist. Trotzdem versuche ich, diese notwendige Institution aufrecht zu erhalten, weil ich weiß, dass sie gebraucht wird. Ich hätte auch von der KPÖ verlangen können, dass sie zumindest mich - und zwar nur mich - finanzieren müsste, alles andere wäre verzichtbar, oder eben aus. Aber ich müsste doch politisch völlig daneben sein, wenn ich im Kapitalismus Sicherheit finden wollte oder wie heißt es schon richtig: Im Falschen kann es nichts Richtiges geben und das gilt auch für die EKH-ler. Vielleicht sollten die Linken wieder einmal zum Boden des Marxismus zurückkehren und sich nicht von anderen Kräften verheizen lassen oder (bewusst oder unbewusst) deren Handlangerdienste tun. Das ganze zu einem Generationenkonflikt runter zu stilisieren mag zwar einen gewissen Charme haben und durchaus der Realität entsprechen, aber die fehlende marxistische Analyse wird dadurch nicht ersetzt. Wenn wir so wie bisher im nächsten halben Jahr weiter machen, wo es sich tatsächlich zuspitzen wird, dann gute Nacht linke Politik. Aber dann tragen auch alle diejenigen die Verantwortung, die aus falsch verstandener Bündnispolitik und Solidarität auch die falschen Schlüsse ziehen. GenossInnen! Wir müssen in die Offensive gehen und das heißt dem wirklichen gemeinsamen Feind den Fall EKH ins feiste und saturierte Gesicht zu drücken.
Josef Iraschko, MSZ