hallo,
hier eine Textgrundlage für eine sachliche Diskussion über die "Ausländerfage".
Gruß, Rol
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Die „Ausländerfrage“: Über Migranten, Asylanten, die Forderung nach Integration und die Sache mit dem Blut
Diskussion am Mittwoch, den 15. September, 19:30 Amerlinghaus, Stiftgasse 8, 1070 Wien
Wenn Rechtsradikale, Ausländerfeinde und Rassisten aller Altersgruppen und Stände die Ansicht vertreten, dass es einerseits wertvollere Menschen gibt, und dann noch die eher weniger Wertvollen, dann kann sich diese offiziell durchaus verpönte Ansicht auf harte Tatsachen berufen. Nämlich auf die staatliche gesetzte und administrierte Unterscheidung zwischen Inländern und Ausländern. Von der einen Sorte der Menschen gibt es hierzulande zu wenig, die sollten mehr werden – das wird nicht nur von rechtsradikal Verwurzelten, sondern vor allem von Bevölkerungspolitikern und namhaften Experten moniert, wenn sie diverse Kinder und Familiensubventionen diskutieren, evaluieren und regelmäßig feststellen, dass die Fortpflanzungsfreudigkeit der Alteingesessenen doch wieder zu wünschen übrig lässt, trotz materieller Anreize in Form von Kinder- und Karenzgeld; weswegen der Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen neuerdings in diesen Kreisen ein Schlager ist, damit die weibliche Bevölkerung die Doppelbelastung besser verkraftet. Zugleich muss diese ansässige und vermehrungswürdige, weil wertvolle Bevölkerung vor dem Andrang von „Wirtschaftsflüchtlingen“ und „Scheinasylanten“ geschützt werden. Das Bundesheer hat deswegen vor zwanzig Jahren seinen Einsatz an der damals geöffneten Ostgrenze begonnen.
Auch innerhalb Österreichs gibt es zu viele Angehörige einer Sorte von Menschen, die der Staat hier nicht haben will. Die sollen sich vermindern, und wenigstens das funktioniert einigermaßen zufriedenstellend im Sinne der Betreiber und liefert sogar Stoff für die Volkserziehung bezüglich der Frage, ob es immer die Richtigen erwischt: Z.B. dann, wenn sich eine Deportation einmal verzögert, wie vor einigen Monaten in Vorarlberg, wo sich ein halbes Dorf zwischen die Behörden und die Betroffenen gestellt hat, oder wenn die Familie Zogaj nach einigem Gezerre „freiwillig“ das Land verlässt, um so der behördlichen Abschiebung zu „entgehen“, weil die Regierung öffentlichkeitswirksam ein Exempel statuieren will: Der Vorwurf lautet, diese Familie hätte sich ihre Integration rechtswidrig erschlichen, und das will der Rechtsstaat nicht dulden. Nebenbei wird klargestellt, dass die den Zogajs teilweise entgegengebrachte „Humanitätsduselei“ durchaus geschätzt und gepflegt wird – aber nur, sobald es den Machthabern gefällt, sich mit Humanität zu schmücken –, und bestimmt nicht, wenn versucht wird, dergleichen gegen die Politik zu verwenden: Da muss sich die Ministerin doch energisch gegen ihre „Erpressung“ durch unschuldige Jungmädchenaugen verwahren.
Dann gibt es noch die Mischformen. Ein gewisses Maß an Zuwanderung gilt mittlerweile als unvermeidlich, wenn auch nur als zweitbeste Lösung angesichts der unzulänglichen Geburtenrate. Und wegen dieses offiziellen Bekenntnisses zur Einwanderung kommt Ausländerfeinden wie -freunden das Nebeneinander von Hereinholen, von Dulden und von Abschieben einigermaßen konfus vor. Denn mit der aktuellen Forderung nach „Integration“ bekennt sich der Staat zu sich als einem „Einwanderungsland“. Diese Forderung wieder mag ihre mannigfaltigen Facetten aufweisen – von der Sprache über die ulkige Fiktion einer halbwegs „aufgeklärten“ Religion bis zum nötigen Respekt vor der Frau soll es den Fremden an vielem mangeln –, fest steht aber sehr unverhandelbar, wer die Forderung stellt und wer sie zu erfüllen hat. Die meisten Migranten stehen nämlich im Verdacht, normalerweise zu Recht, dass es sich bei ihnen durchaus um Inländer handelt, so wie sie sich jeder Staat wünscht: Treu, pflichtbewusst, opferbereit und für alle nationalen Dienste und Schandtaten zu haben – blöderweise aber nicht im Verhältnis zu Österreich, sondern im Verhältnis zur alten Heimat. Genau diese Anhänglichkeit ist letzten Endes gemeint, die müssen sich die noch-nicht-so-Wertvollen im Wege der Integration abgewöhnen bzw. umpolen lassen; die fremden Sitten sollen sie ablegen und sich den hiesigen unterwerfen. Diese „Umvolkung“ zu – wenigstens in der dritten Generation – echten Österreicher ist der Auftrag an sie, jenseits und zusätzlich zu jeder ökonomischen Nützlichkeit. Die ist ohnehin unterstellt – arbeiten oder Arbeit suchen, Geld verdienen, Steuern zahlen, bescheiden leben, das ist sowieso unvermeidlich –, genügt aber nicht. Die bedingungslose, unerschütterliche Parteilichkeit für den „eigenen“ Staat ist die Leistung, die den wertvollen Einheimischen vom noch unbehandelten Migranten unterscheidet, die ist der Kern der „Integration“, und deswegen gelten mitten im pluralistischen Reich der Freiheit mit den vielen verschiedenen Lebensstilen und -entwürfen manche Leute als verhaltensoriginelle Mitglieder einer eigenen „Subkultur“ oder „Szene“ – und andere mit ebenfalls außergewöhnlicher Tracht als eine einfach nicht zu tolerierende „Parallelgesellschaft“.
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Jenseits von „Gastarbeitern“ und Zuwanderern hat sich der Staat auch noch Asylanten an Land gezogen. Die kommen in den Genuss eines Rechts, das im Unterschied zum sonstigen Grundrechtskatalog nur auf Ausländer gemünzt ist: Ein Flüchtling ist jemand, der sich „ ... aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen … “ („Genfer Flüchtlingskonvention“ von 1951, nach öst. Bundesgesetzblatt vom 15. April 1955)
Wenn die Mitglieder der Familie Zogaj von der Republik Österreich aus den gewohnten Lebensumständen gerissen und in eine „Heimat“ abgeschoben werden, in die sie gar nicht wollen, dann werden sie eindeutig wegen ihrer Nationalität verfolgt – wenn man einmal den Standpunkt der Betroffenen einnimmt, die in Österreich keine legale Existenzmöglichkeit genießen. „Flüchtlinge“ im Sinne der Genfer Konvention sind sie keine, denn nur die „Furcht“ vor der „Verfolgung“ durch den „eigenen“ Staat bzw. vor den Zuständen im Heimatland – das sich niemand aussuchen kann und dem Leute im Fall des Falles auch gegen ihren Willen zugerechnet werden – begründet diesen Status. Personen dürfen von Staats wegen durchaus wegen ihrer Nationalität drangsaliert werden, aber von welchem Staat und unter welchem Rechtstitel – das ist die Frage.
Die Genfer Konvention formuliert Vorbehalte gegen manche Arten staatlicher Gewalttätigkeit, und das entscheidende Kriterium des Asylrechts ist nicht die schlichte „Verfolgung“ missliebiger Personen – die betreiben die Staaten dieser Welt überall und immer –, sondern die Frage, ob ein anderer Staat diese Verfolgung billigt. So dehnt jeder Staat ideell die Sphäre seiner Rechtssprechung aus, und richtet über den Gewaltgebrauch anderer Staaten, befindet über Recht und Unrecht staatlicher Gewalttätigkeit anderswo.
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Eine große Ungerechtigkeit ist im Zusammenhang mit der „Ausländerfrage“ zu bemerken: Es gibt nicht wenige Leute hierzulande – Intellektuelle, Literaten, Linke … –, die allen Ernstes meinen, die Ausländerpolitik oder wenigstens diese spezielle hiesige Ausländerpolitik gäbe es wegen der FPÖ. Und das ist sachfremd, dann in der Frage herrscht substantiell der Konsens der Demokraten. Da wird – analog zu den rechten Vorstellungen vom Ausländer als dem Schuldigen für die Arbeitslosigkeit der Inländer – eine Partei zum Sündenbock für eine Ausländerpolitik gemacht, die wohlmeinende Inländer „ihrem“ geliebten Staat einfach nicht zutrauen.
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