vielleicht interessiert das jemensch von euch ? hab ich gestern bekommen lg christian

Ernest Kaltenegger

Lindenhofweg 2 A-8043 Graz

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ernest.kaltenegger@aon.at

Graz, 5. November 2004 Liebe Genossinnen, liebe Genossen!

Zu den Vorgängen in der KPÖ habe ich mich bisher nicht öffentlich geäußert. Ich wollte keinen Beitrag zum Auseinanderbrechen unserer Partei leisten und hatte gehofft, dass sich letztendlich doch wieder die Vernunft durchsetzen wird. Meine Hoffung hat sich nicht erfüllt. Die KPÖ ist in einem schlimmeren Zustand als je zuvor. Die Durchführung von zwei getrennten Parteitagen ist ein trauriger Höhepunkt einer unrühmlichen Entwicklung. Ich werde an keinem beider Parteitage teilnehmen. Nach Amstetten komme ich nicht, weil ich die erkennbare Absicht, die politische Auseinandersetzung in einen Rechtsstreit vor bürgerlichen Gerichten münden zu lassen, für unakzeptabel halte. Auch den Stil, in dem sich Mitglieder der KPÖ gegenseitig beschuldigen, finde ich abstoßend und einer Kommunistischen Partei unwürdig. Nach Linz werde ich nicht fahren, weil man sich mit der Festlegung, den dortigen Parteitag als Delegiertenparteitag und nicht – wie vom letzten Parteitag beschlossen wurde – als Mitgliederparteitag durchzuführen, abseits demokratischer Selbstverständlichkeiten begibt. Um eine Parteiführung der der Mut fehlt, sich den Mitgliedern zu stellen, ist es schlecht bestellt. Außerdem kann es nur als Affront gesehen werden, wenn man den Termin für diesen Parteitag so festlegt, dass dieser genau ein Wochenende vor der Grazer Volksbefragung über den Verkauf der Gemeindewohnungen stattfindet. Hier geht es um eine für die KPÖ entscheidende politische Auseinandersetzung, deren Bedeutung nicht auf Graz allein beschränkt ist. Der Kampf gegen die Auswirkungen des Neoliberalismus darf sich meiner Meinung nicht nur auf Konferenzen und schöne Schriften beschränken. Während in anderen Städten der Ausverkauf kommunalen Eigentums oft fast widerstandslos über die Bühne geht, versuchen wir die Betroffenen zu mobilisieren. Dabei befinden wir uns im offenen Gegensatz zu ÖVP, SPÖ und FPÖ, welche einen Erfolg bei der Volksbefragung mit allen Mitteln verhindern möchten. Werden wir in unserem Bemühen nun auch von der eigenen Partei allein gelassen? Wie es aussieht, ja!

Persönliche Rückschau Als ich vor mehr als 32 Jahren in die KPÖ eingetreten bin, war ich stolz darauf dieser Partei anzugehören. Nach meinen Erfahrungen mit eitlen und in erster Linie auf den eigenen Vorteil bedachten SPÖ-Funktionären war es für mich schön ein einer Partei mit Franz Muhri, Irma Schwager, Franz Leitner oder Margarete Schütte-Lihotzky – diese Liste wäre noch um viele Namen zu ergänzen – sein zu dürfen. In die KPÖ bin auch deshalb eingetreten, weil ich eine Gemeinschaft von Gleichgesinnten suchte. Die Solidarität unter Kommunistinnen und Kommunisten konnte in schwierigen Zeiten Halt geben und war auch Voraussetzung für gemeinsame Erfolge. So waren zum Beispiel für mich die Fortschritte unserer Partei auf kommunaler Ebene in Graz immer ein Ergebnis der Arbeit aller. Bei der letzten Wahl fand unser Abschneiden auch außerhalb Österreichs eine bestimmte Beachtung, aber nur deshalb, weil dies ein Ergebnis für die KPÖ war! Wie schaut es heute mit der Solidarität unter Kommunistinnen und Kommunisten, deren wegen ich seinerzeit in die KPÖ eingetreten bin, aus? Der für mich immer seichte Witz mit der Steigerung „Feind, Todfeind, Parteifreund“ scheint plötzlich Realität zu werden. Mit kaum einem politischen Gegner würde man derart hasserfüllt umgehen, wie es derzeit oft unter Mitgliedern der KPÖ vorkommt. Man könnte den Eindruck gewinnen, dass die schlimmsten Feinde in der eigenen Partei säßen. Wäre ich nicht zutiefst von der Notwendigkeit überzeugt, dass es eine Alternative zu diesem kapitalistischen Gesellschaftssystem geben muss, wenn die Menschheit überleben will, wäre ich nicht mehr in der KPÖ. Allerdings zweifle ich immer mehr, ob die KPÖ überhaupt noch die Kraft und den Willen hat, einen Beitrag zur Veränderung unserer Gesellschaft zu leisten. Mit einer Spaltung der KPÖ würde sich diese Frage mehr denn je aufdrängen. Im Laufe meiner Mitgliedschaft in der KPÖ habe ich viele Genossinnen und Genossen kennen und schätzen gelernt. Der Gedanke daran, dass vielleicht eine/einer oder gar mehrere davon im Zuge der Flügelkämpfe aus unserer Partei gedrängt werden sollten, ist mir unerträglich. Eine KPÖ ohne die Genossinnen und Genossen Manfred Eber, Leo Furtlehner, Michael Graber, Hans Höllisch, Margit Kain, Julius Mende, Hans Mikosch, Werner Murgg und Petra Stöckl (diese Liste ist fast willkürlich zusammengestellt) möchte ich mir nicht vorstellen. Die ganze Absurdität der Situation wird dadurch deutlich, dass ich es mit der Aufzählung der oben genannten wahrscheinlich auch schon wieder mit fast allen Erwähnten verscherzt habe – schließlich kann diese Liste schon wieder als die Solidarisierung mit „Parteifeinden“ gedeutet werden.

Gibt es einen Weg aus der Krise? Nur wenn es die Beteiligten auch wollen! Als ersten unbedingt notwendigen Schritt würde ich die Verschiebung des Linzer Parteitages und seine Durchführung als Mitgliederparteitag sehen. Selbstverständlich müsste es auch sein, dass der von der Organisation Ottakring einberufene Parteitag abgesagt wird. Um die Ernsthaftigkeit ihrer Absicht zur Beilegung der Krise zu beweisen, verzichten alle Streitparteien ab sofort darauf, ihre Meinungsverschiedenheiten über Medien auszutragen. Dies sollte auch für die Parteimedien (Argument, Internet) gelten. Noch in Vorbereitung auf den Parteitag soll in sachlicher Form ein Konsens gefunden werden, welcher ein gemeinsames Weiterarbeiten möglich macht. Dies wäre nicht als fauler Kompromiss zu verstehen, sondern als einziger gangbarer Weg um den Fortbestand der KPÖ zu sichern. Um dieses Ziel zu erreichen sollte eine kleine Gruppe besonnener Genossinnen und Genossen, welche von allen Seiten akzeptiert werden, Vermittlungsversuche unternehmen. Sollte es gewünscht werden, wäre ich selbstverständlich bereit im Rahmen meiner Möglichkeiten einen Beitrag dazu zu leisten. Eine große Verantwortung wird auf die Wahlvorschlagskommission zur Vorbereitung des Parteitages zukommen. Bei der Auswahl für den Wahlvorschlag wäre darauf zu achten, dass die vorgeschlagenen Genossinnen und Genossen die Fähigkeit zur Zusammenarbeit trotz Meinungsverschiedenheiten mitbringen. Alle anderen Kriterien sind in der augenblicklichen Situation von zweitrangiger Bedeutung. Was nützen uns vermeintliche politische Koryphäen, wenn sie unfähig sind, den Weiterbestand unserer Partei zu sichern? Ich weiß nicht, ob es uns noch gelingen kann, den Weg in die politische Bedeutungslosigkeit zu stoppen. Wir sollen es wenigstens versuchen! Jene, die die Dramatik der Lage unterschätzen und glauben sich aus ihrer Verantwortung stehlen zu können, in dem sie die alleinige Schuld an der Misere der jeweils anderen Gruppe in Schuhe schieben, tragen wissentlich zum Niedergang der KPÖ bei. Noch habe ich nicht endgültig aufgegeben. Die Hoffnung stirbt zuletzt! Für Kontakte und Meinungsäußerungen stehe ich unter oben angeführter Adresse zur Verfügung.

Mit besten Grüßen

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Dieses Schreiben ist ausschließlich an die Mitglieder der KPÖ gerichtet. Eine Weitergabe an Medien außerhalb der Partei würde ich als Missbrauch verstehen.