liebe Leute,
ich hab mal den Artikel vom Herbert Au. auf die hp gestellt. Dazu gibts am 20.9. eine Diskussion im 7stern. Ihr seid natürlich dazu alle herzlich eingeladen.
gute Nacht Roland
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Wahlen, Wähler und Kandidaten
Warum wählen verkehrt ist und warum man Geld nicht umverteilen kann.
Gegenargumente im 7Stern am 20. 9. 2006 um 19:30
1. Unter kritischen Bürgern existiert die Auffassung, auch wenn man durch das Wählen „nicht viel“ erreichen könne, sei die Nutzung dieser „Mitsprachemöglichkeit“ angebracht, weil sonst andere „über den eigenen Kopf hinweg“ entscheiden würden. Diese Auffassung täuscht sich, weil das gar keine Alternativen sind: In der Wahl stimmen die Wähler zu, daß andere, nämlich die Gewählten, künftig über ihre Köpfe hinweg entscheiden. Wer wählen geht, gibt in Form einer Sympathieerklärung gegenüber der angekreuzten Partei seine generelle Zustimmung dazu, regiert zu werden: Wahlen sind Ermächtigungen, durch die die Gewählten auf nichts festgelegt sind, schon gar nicht auf den Nutzen der Wähler. Bei einer Wahl wird kein gemeinsamer Wille gebildet, indem die vielen einzelnen Wahlberechtigten ihre Anliegen zusammentragen und kompromißbereit verallgemeinern; denn jeder politische Wille, sofern vorhanden, wird von vornherein und blanko an die Gewählten abgetreten. Die sind zur Interpretation dessen berechtigt, was „der Wähler“ eigentlich wollte, denn der Wähler hat durch seine Stimmabgabe einfach nichts artikulieren können, was einem bestimmten Anliegen oder Interesse auch nur ähnlich sieht – und wenn er etwas in der Art auf den Stimmzettel schreibt, ist dieser ungültig. Die Gründe, die ein Wähler haben mag oder auch nicht, sind alle gleich-gültig, weswegen sie in seinem Wahlkreuz gar nicht erst zum Ausdruck kommen. Durch das Verfahren ist sichergestellt, daß sich kein Bürger, selbst wenn er wollte, in das Metier der Politik einmischen kann. In seiner unverbindlichen Meinungsäußerung darüber, wer regieren soll, entscheidet der Wähler auf alle Fälle sich dazu, weiterhin regiert zu werden, er bestätigt seine Stellung als Untertan der Gewählten. Die entscheiden dann über alle Lebensbedingungen, von der Steuereintreibung über die Ausgestaltung von Arbeit und Arbeitslosigkeit, von Krankheit, Gesundheit und Pension, sogar über Krieg und Frieden. Das ist der Nutzen der Wahl – für die Gewählten. Diese sind im Besitz eines „Mandats“, dessen Inhalt sie festlegen, eines Auftrags, den sie selber definieren. Sie sind legitimiert, alles zu unternehmen, was dem Staat nützt, und die Bürger dafür zu benutzen, egal ob bzw. wie die vorher gewählt haben. Es nützt nichts, wenn man anderer Meinung ist als die Gewählten, und das womöglich auch durch eine abweichende Stimmabgabe oder Wahlenthaltung ausgedrückt hat: Erspart bleibt einem dadurch jedenfalls nichts. Mit dem „Argument“ der gewonnenen Wahl im Rücken und mit der Staatsmacht in Händen wird noch jeder Einwand und jede Demonstration übergangen – und das soll nach allen Regeln demokratischer Staatskunst auch so sein. Diese Ermächtigung kommt durch den Wahlakt in aller Freiheit zustande gekommen, auch wenn über sie gar nicht abgestimmt wird. Der Wähler ist in der Demokratie eben nicht der Souverän, er ist bloß ein Wahlhelfer: Zusätzlich zur Arbeit oder zur Arbeitslosigkeit, neben der Kinderbetreuung und dem Abliefern von Steuern ist vorgesehen, öfter mal ein Votum abzugeben, aus dem die Gewählten ihr Mandat beziehen. Dazu hilft ihnen der Wähler.
2. Diese Ermächtigung ist nicht die einzige Leistung der Demokratie. Die schon vorher fällige besteht im geistigen nationalen Schulterschluß von Wählern und Gewählten, und zwar, indem die Wähler von ihren Interessen und Problemen theoretisch Abstand nehmen und sich auf den Standpunkt der zu wählenden Machthaber stellen. In jedem Wahlkampf werben die Kandidaten damit, daß der Wähler nachher von ihnen und ihren Entscheidungen abhängen wird, daß die Gewählten es sein werden, die über alle Lebensbedingungen entscheiden werden: „Wachstum!“, „Arbeit!“, „Neue Fairness!“, „Gesundheit!“, „Keine Abfangjäger!“, „Pensionen!“, „Pflegenotstand!“. Allerdings kommt diese einseitige Abhängigkeit der Unteren von den Oberen nationalistisch verfremdet vor: Die klassenspezifische Benutzung der „kleinen Leute“ – die so heißen, weil sie alles ausbaden müssen, was die großen Leute im nationalen Interesse anordnen –, dieses sehr einseitige Verhältnis von „oben“ und „unten“ im Zuge der regierungsamtlichen Betreuung einer Klassengesellschaft kommt als die Betreuung gemeinsamer Anliegen daher, als die Art und Weise, in der „wir alle“ gemeinsam „unsere“ Wirtschaft, „unsere“ Arbeitsplätze, „unsere“ Gesundheit und Pensionen und sogar „unsere“ Kampfflugzeuge organisieren. Nur deswegen kann in Wählerkreisen die leicht wahnsinnige Vorstellung kursieren, ein Finanzminister sei jemand, der auf „unser“ Geld aufpaßt, wenn er die Wähler über die Steuern enteignet! Diese entscheidende Verdrehung muß der Wähler absolviert haben, damit er sich überhaupt auf die Frage einläßt, bei wem denn seine Abhängigkeit – pardon: „unsere Probleme“ – am besten aufgehoben ist!
3. Der Nutzeffekt dieser Betrachtungsweise liegt darin, daß der Wähler von den Interessen abstrahiert, die er als Lohnarbeiter, Arbeitsloser, Steuerzahler, Alleinerzieherin hat, d.h. sie theoretisch mißachtet – und damit deren praktische Mißachtung durch die Gewählten vor- und nachbereitet. Das tut er schon, indem er sich klarmachen läßt, daß seine finanzielle Lage letztlich ein kaum wahrnehmbarer Unterpunkt in einer hochkomplizierten Wirtschaftswachstums-, Staatshaushalts-, Verteilungs- Steuereintreibungs- und Gerechtigkeitsproblematik ist, und daß alles mögliche funktionieren müßte, ehe die Gewählten vielleicht ihre „Wahlversprechen“ umsetzen könnten: Die Konjunktur allgemein, die Steuereinnahmen speziell, das durchschnittliche Pensionsantrittsalter, die Beamtengehälter, das „Null-Defizit“, die Arbeitslosigkeit, die „explodierenden“ Kosten im Gesundheitswesen, womöglich der Ölpreis und ganz bestimmt die „Lohnnebenkosten“ – das alles und noch viel mehr müßte irgendwie in einem nicht genau bestimmbaren Sinn endlich einmal ordentlich laufen, damit der normale Mensch auf seine Kosten käme, womit aber nicht wirklich zu rechnen ist. Anders ausgedrückt: Der Untertan abstrahiert von den Sorgen und Problemen, die ihm die Politik macht, und läßt sich auf die Probleme festlegen, die die Politik mit ihm und seinesgleichen hat: Wenn „wir“ schon an uns selbst „sparen“ müssen, dann „sinnvoll und gerecht“; wenn „wir“ keine „neuen (Staats)Schulden“ machen wollen, müssen „wir“ eben mehr Steuern zahlen; wenn „wir“ „uns“ „unsere Pensionen“ nicht länger leisten können, müssen „wir“ eben länger arbeiten usw. Subversive Fragen, wie die nach dem Grund solcher Probleme, wieso „wir“ also ständig über „unsere“ Verhältnisse leben, wo doch bei dauernd steigender Produktivität immer mehr nützliche Güter mit immer weniger Arbeitsaufwand herzustellen sind – solche Fragen haben da nichts verloren. Der Effekt der Wahl besteht im ideellen Sc hulterschluß von Volk und Führung, darin, daß sich die Untertanen mit ihrer Herrschaft identifizieren und, wenn sie sich schon ideell die Sorgen des Staates mit Leuten wie ihnen selber machen, sogar eine Meinung darüber ankreuzen dürfen, wer denn diese Sorgen am tatkräftigsten angeht. Demokratische Untertanen identifizieren sich dermaßen intensiv mit der politischen Macht, die über sie ausgeübt wird, daß sie eine banale Tatsache nicht wissen oder sogar empört abstreiten: Daß sie die Untertanen und die gewählten Regierenden die Herrschenden sind. Ein beliebiges abschreckendes Beispiel: „Steuern sind in parlamentarisch-demokratischen Systemen keine Abgaben an ‘Obrigkeiten’, sondern Beiträge zu einem von den Staatsbürger/inne/n selbst gestalteten (wenn auch immer verbesserungswürdigen) Gemeinwesen.“ (aus den Überlegungen einer Gruppe von Globalisierungskritikern) Das, diese Nationalisierung des Verstandes in „parlamentarisch-demokratischen Systemen“, die Vorstellung, bloß weil demokratisch gewählt, wäre die Obrigkeit gleich gar keine mehr, ist die wesentliche Leistung der demokratischen Herrschaftstechnik.
4. Aber, indem auch die KPÖ kandidiert, ist natürlich alles anders! Die Partei hat ihre Wahlwerbung unter das Motto „Es ist genug für alle da!“ gestellt, eine etwas kontrafaktische Auskunft, durch die andere Befunde der Partei wie „Wachsende Armut in Österreich“ oder „Arm trotz Arbeit“ offenbar ironisch verfremdet werden sollen: Wenn wirklich genug für alle da wäre, gäbe es doch keine Armut! Vielleicht ist die frohe Botschaft vom vorhandenen Überfluss aber doch nicht witzig gemeint, sondern soll ausdrücken, „dass Geld in Hülle und Fülle vorhanden ist, und es an der Politik liegt, es zu holen und sinnvoll zu verwenden“ (Mirko Messner), durch eine „Millionärssteuer“. Wieder macht sich die verheerende Wirkung der Demokratie auf das Denken junger Leute bemerkbar: Dass man hier herzlich eingeladen ist, sich an der Politik, also an der Herrschaft des Klassenstaates, nicht nur als Wähler, sondern sogar als Kandidat zu beteiligen, gilt offenbar unbesehen als Einladung, das Handeln des „ideellen Gesamtkapitalisten“ als Projektionsfläche eigener Wunschvorstellungen zu benutzen – und gegen jede staatliche Praxis, auch gegen jede eigene Erfahrung die unübersehbare Beteiligung der Politik an der Herstellung von „arm“ und „reich“ einmal auf den Kopf zu stellen, zumindest in der eigenen Einbildung, und im Wahlkampf. Das in „Hülle und Fülle“ vorhandene Geld ist eben gar kein universelles Mittel, das für beliebige, auch armenfreundliche Zwecke verwendbar wäre. Geld hat selber einen Zweck: Es muss mehr werden, und je nach der Rolle, die die Mitglieder der Klassengesellschaft dabei spielen – eigenes Geld durch die Arbeit anderer vermehren lassen oder fremdes Geld durch eigene Arbeit vermehren –, verteilen sie sich auf die erfolgreichen oder die mehr „prekären“ Lebenslagen. Die entscheidende Entdeckung von Marx bestand gerade darin, dass im Kapitalismus Reichtum und Armut notwendig zusammengehören: Den kapitalistischen Reichtum gibt es eben nur in genau der „Form� �� – als Geld – die den Ausschluss der Bedürftigen einschließt, und in der „Verteilung“, die der Produktion zwecks Geldvermehrung entspricht. Dieser Reichtum braucht dauerhaft Arme, die ihn herstellen, und er produziert permanent Arme, die als überflüssige Arbeitskräfte unbrauchbar und als Hungrige nicht von Bedeutung sind. Also ist die Parole vom Reichtum, der „genug für alle“ ist, so vernünftig nicht. Im Kapitalismus gehören Armut und Überfluß eben zusammen. Das ist gerade der Skandal. Die Stellung der Politik, der demokratischen Herrschaft zur politischen Ökonomie des Kapitals ist auch ganz und gar eindeutig. Jeder Kapitalismus ist ein politisches, ein staatliches Projekt, und wer das hierzulande nicht entdecken kann, weil sich lieber mit dem Ausmalen von netten Alternativen beschäftigt, statt einmal den unangenehmen Phänomenen theoretisch auf den Grund zu gehen, könnte es wenigstens an der Einführung des Kapitalismus in Rußland und China bemerken. In diesem Sinn und als Einstieg in die Diskussion eine fundamentalistische Behauptung: Geld kann „man“ (gemeint ist der Staat) nicht umverteilen! Literatur zum Wählen auch auf http://www.gegenstandpunkt.com/gs/05/1/freiwahl.htm
Amerika spendet den Völkern der Welt Freie Wahlen 1. Das hohe Gut der freien Wahl - Wählen funktioniert am besten, wo es zuhause ist: in den kapitalistischen Demokratien - Diktatur resp. „ungefestigte Demokratie“: Warum das Wählen da etwas anders funktioniert 2. Wenn der Ruf nach freien Wahlen von außen erschallt - Die Freiheit kommt mit Bomben: Krieg für Wahlen - Regime Change im neuen Osten: Wahlen als Kriegsersatz