Lieber Roland,
deine scheinbare kritik an Reitters ausführungen bringen in keinem punkt was neues. ich platziere meine anmerkungen im text:
Kosmonaut wrote:
Lieber Martin, liebe Nora, liebe Leute,
also, m. E. nach habt Ihr, außer Bier, Wein, Punsch, Pizza und netten
Leuten, nix verpasst. Der Karl Reitter hielt ein ganz kleines Einleitungsreferat. Er berichtete über die neuesten Entwicklungen beim AMS und am Sozialamt. Darüber, wie ausgereift die neuesten Schikanen und Drangsalierungen der Arbeitslosen sind.
sogar als altgedienter arbeitsloser fand ich diese ausführungen teils recht informativ.
Anschließend leitete er schnurstracks dazu über, dass die Leute dem Druck nicht mehr ausgesetzt sein würden, wenn es Grundsicherung bzw. Grundeinkommen geben würde! Das klang zwar ziemlich schizophren, aber war ihm egal. Klar war ihm schon, dass nur der Staat so ein Grundeinkommen einführen kann und er es aus Gründen der Kontrolle einführen würde.
Karl Reitter erklärte uns den unterschied zwischen "bedarfsorientierter grundsicherung", wie sie derzeit in koalitionärer beratung ventiliert wird und einem "bedingungslosen grundeinkommen" wie es er und ein gleichnamiges netzwerk nebst der kpö derzeit fordert. klarerweise kann - welches modell auch immer - nur die staatliche politik sowas beschließen und administrieren lassen. Du sagst nichts neues, auch Karl und wir anderen sind der meinung, dass die vermutlich kommende grundsicherung nur eine modernisierung der kontrollinstrumente darstellt, mit denen die arbeitslosen staatlich betreut werden. bereits die zusammenfassung und verstaatlichung der verschiedenen arbeitslosenversicherungen vor gut hundert jahren diente dem staatlichen kontrollbedürfnis. allerdings hatte diese subsumtion unter die staatliche verfügungsgewalt bereits damals AUCH positive auswirkungen auf teile der lohnabhängigen: sie wurden nun verpflichtend in die versicherung aufgenommen und konnten im falle der arbeitslosigkeit davon dann auch großartig nutznießen (zynischer scherz am rande).
ALLERDINGS wäre es ein großer unterschied, wenn die staatsgewalt ein "bedingungsloses, existenzsicherndes grundeinkommen" einführen würde. Immer noch diente so etwas aus staatlicher sicht der kontrolle der lohnabhängigen und es würde nur unter massivem politischen druck eingeführt werden - eben um einer so starken sozialbewegung den wind aus den segeln zu nehmen.
Es fiel ihm aber nicht auf (besser, es wollte ihm nicht auffallen), dass der Staat, würde er das einführen, seine Drangsalierung der Arbeitslosen konterkarieren würde.
meiner meinung nach erklärte uns Karl Reitter, dass die erzeitige reform nichts anderes ist, als eine modernisierung dieses drangsalierens der arbeitslosen: es bleibt die abeitsbereitsschaft als bedingung erhalten und eigentum mindert die höhe des bezugs. vermutlich wird es noch weitere einschränkungen (haushaltseinkommen, vorgehende versicherungszeiten) geben und das ganze ein "hartz4" auf österreichisch sein. ein "grundeinkommen" würde nur das JETZIGE kontrollsystem reformieren, nicht aber grundsätzliche das staatliche drangsalieren der arbeitslosen insgesamt. es würde sich immer an oder knapp unter der existenssichernden einkommenshöhe bewegen und allein dadurch einen arbeitsdruck aufrecht erhalten. aber neben dem arbeitsdruck könnte die aufrechterhaltung des sozialen friedens auch die gestalt des grundeinkommens bekommen und die im verhältnis zum bruttoinlandsprodukt geringe mehrsumme im verhältnis zu jetzigen sozialleistungen würde die konsumfähigkeit am unteren sozialen ende aufrecht erhalten. ganz reformerische absichten also.
Das Grundeinkommen u. ä. wurde von Reitter als Wunsch vorgetragen. Warum überhaupt und unter welchen Bedingungen so etwas eingeführt werden würde und was die Proleten davon haben würden, interessierte Reitter deshalb folgerichtig auch nicht - und die Dogma-Leute leider auch nicht!
das "bedingungslose, existenzsichernde grundeinkommen" ist immerhin nicht nur Reitters persönlicher wunsch, sondern eine "politische forderung" deiner partei, lieber Roland, und eines mässig einflusslosen netzwerks. eine politische forderung ist es nicht im eigentlichen sinn. es ist eine utopische forderung, zugleiche eine kritik am bestehenden (der verknüpftheit des lebensrechts mit dem zwang, die eigene arbeitskraft erfolgreich zu verkaufen). ich erachte es als wertvollen beitrag beim versuch die menschen zu aufzuwecken gegen die ihnen zukommende staatliche verwaltung und den ökonomischen druck.
So liebe Genossen und Genossinen; jetzt dürfts gern über mich herfallen, denn ich hoffe, dass man auch vernünftiger über das Grundeinkommen reden kann:-)
lieber Roland: warum machst du keinen unterschied zwischen einem "bedingungslosen, existenzsichernden grundeinkommen" und einer "bedarfsorientierten, an die arbeitsbereitschaft gekoppelten grundsicherung"? und: entbehren alle utopischen forderungen deiner meinung nach der fähigkeit, eine kritik am bestehenden mit sich bringen zu können? ist es nicht gut, wenn es AUCH utopische auseinandersetzungen oder experimente gibt?
liebe Grüsse bzw. da swidanja Roland
auch liebe grüße allen! Markus